Test-Tour: Jaguar XF

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Maßanzug auf Rädern: Es gibt Autos, die glänzen mit atemberaubenden Innenräumen oder tollen Karosserieformen. Andere überzeugen mit perfekter Technik, leistungsstarken oder verbrauchsarmen Motoren. Wiederum andere ernten gute Kritiken wegen überragender Alltagstauglichkeit. Der Jaguar XF bietet all das unter einem Dach.

Handgefertigte und maßgeschneiderte Bekleidung zieht man nicht einfach nur an, man gleitet in sie hinein. Gleichgültig, ob es sich dabei um Schuhe mit eigens angefertigten Leisten, um Anzug, Hemd, Krawatte oder Abendkleid handelt. Steckt man erst einmal drin, fühlt man sich meist pudelwohl und will nicht mehr raus. Nicht nur so ähnlich, sondern genauso geht es einem, wenn man auf dem weichen Leder des Jaguar XF Platz nimmt – hier steigt man nicht schnöde ein, sondern gleitet hinein. Leder schmiegt sich um die Passagiere, Edelholzapplikationen wirken beruhigend auf die Sinne und die enorm gute Geräuschdämmung lässt die Welt in Schweigen versinken. Groß genug, um fünf Passagieren ausreichend Platz zu bieten ohne dabei „labberig“ zu sein – ein Innenraum-Spagat, das die Jaguar-Konstrukteure wie Maßschneider überbrücken konnten. Nicht zuletzt das neue Sitzkonzept von Jaguar ist dafür verantwortlich: Die Vordersitze sind extrem schlank, aber nicht zu eng, die hintere Sitzbank dank der breiten Spur von mehr als 1,60 Meter dafür umso breiter. In Sachen Kopffreiheit für Fondpassagiere steht der Jaguar keiner Limousine in etwas nach – trotz Coupé-Artiger Anmutung der Karosserie. Mit fast 96 Zentimeter Kopffreiheit findet auf der bequemen Rückbank jeder Platz. Luxus und Eleganz kennzeichnen den Innenraum, was aber keineswegs als Prunk oder Protz auszulegen ist. Im Gegenteil, es verhält sich wie mit dem maßgeschneiderten Anzug, dem man Qualität und Brillanz ansieht ohne dabei übertrieben zu wirken. Beispiel Luftdüsen in der Armaturentafel: Die rotierenden Blenden verschließen sich, sobald der Motor abgestellt wird. Beim Einschalten der Zündung öffnen sich die Klappen automatisch und versorgen den Innenraum mit temperierter Frischluft – je nach Einstellung der Klimaanlage.Der XF bietet zahlreiche, gut erreichbare Ablagemöglichkeiten für kleine und große Utensilien, die jedoch das Gesamtbild des Interieurs keineswegs zerstören. Handschuhfach, Armaturen, Griffe, Bedienelemente fügen sich nahtlos in die Optik ein ohne dabei weder an Funktionalität noch an Praxistauglichkeit zu verlieren.

Mit seinem flexiblen Sitzsystem lässt sich der mit 540 Liter großzügig dimensionierte Kofferraum auf fast 1.000 Liter erweitern. Und das, obwohl Jaguar nicht auf ein vollwertiges Ersatzrad verzichtet. Somit lässt sich der XF auch bequem im Alltag einsetzen: Großeinkauf, Reisegepäck und kleinere Sportgeräte finden locker im Heck Platz.

Atemberaubende Schönheit, kraftvoller Antritt
Nicht nur innen überzeugt die Insel-Katze mit Eleganz, Schönheit und einer dezent sportlichen Note. Rein äußerlich ist sie voll auf Sport getrimmt und erweckt eher den Eindruck eines maßgeschneiderten Trainingsanzuges als den einer Abendrobe. Blickfang ist zweifelsfrei das nach Frischluft gierende „Haifischmaul“ oberhalb des vorderen Stoßfängers. Hier ist auch der Katzenkopf beheimatet, der seinen festen Platz auf dem Jaguar-typischen Gitter findet. Die breite Leuchteinheit schließt fast nahtlos an den breiten Kühleinlass an – alles zusammen lässt den XF unheimlich breit wirken, wenn man ihm direkt in die Augen schaut. Die Scheinwerferpartie hat eine ähnliche Wirkung wie dezent gepolsterte Schulter am edlen Zwirn. Zwei vom Kühlergrill aus nach hinten strebende Sicken unterstreichen die sportliche Note der noblen Raubkatze.

Mit nur einem Lufteinlass kommt das Herzstück, ein 3,0-Liter V6 Diesel, jedoch nicht aus. Eine weitere, vergitterte Öffnung unterhalb des vorderen Stoßfängers liefert dem Aggregat den zur völligen Leistungsentfaltung erforderlichen Sauerstoff. Gleichzeitig ist der Einlass Ausgangspunkt für die dynamisch elegante Seitenlinie, die über den vorderen Kotflügel bis zur Höhe der Gürtellinie aufsteigt und der Silhouette folgt, um an der Hinterkante des Kofferdeckels sanft auszulaufen. Lang, breit und tief duckt sich das Auto auf dem Asphalt, Jaguar hat die typische, traditionelle Form beibehalten, interessierte und bewundernde Blicke Außenstehender verraten, dass der Hersteller mit dem XF den richtigen Weg eingeschlagen hat.Beim Maßanzug entscheidet jedoch nicht ausschließlich das äußere: Die Qualität des Futters ist ebenso entscheidend wie die Güte sämtlicher Nähte. Unterm graziösen Blechkleid des XF schlummert ein per Startknopf zum Leben zu erweckender V6 Diesel-Motor, der in der kleinsten Ausführung 211 PS leistet. Die Leistung der Dieselpalette reicht bis zu 275 PS, in der Bezinversion stehen sogar bis maximal 510 PS im XFR 5,0 V8 Kompressor parat. Hand aufs Herz: Die 211-Diesel-PS der Basis-Version reichen voll und ganz aus, um zügig, bequem und verhältnismäßig günstig sein Ziel zu erreichen. Bei den Motorversionen mit 211, 240 und 275 PS soll man jeweils mit 6,8 Liter pro 100 Kilometer auskommen. Versuch macht klug und schnell stellt man fest, dass ein Maßanzug im Unterhalt dann doch teurer ist als Stangenware. Zumindest die knapp 300 PS starke Diesel Version begnügt sich selbst bei zurückhaltender Fahrweise nicht mit den angegebenen 6,8 Litern und nimmt gerne auch einen bis zu drei Liter großen Schluck mehr. Forciert man den Fahrstil oder lebt man den Fahrspaß auf der Landstraße aus, wo zahlreiche Gangwechsel erforderlich sind, schnellt der Verbrauch schnell in ungeahnte Höhen. Apropos Fahrspaß: Den bietet der XF auf jeden Fall. Das 6-Gang Automatikgetriebe lässt sich per Schaltwippe am Lenkrad exakt manuell bedienen und schaltet selbstständig, bei Gefahr den Motor zu überdrehen, hoch. Manchmal kommt dieser Schaltpunkt etwas ungelegen, zum Beispiel dann, wenn man unter Zug und hoher Drehzahl eine Kurve durchfahren will. Wer jedoch nicht ganz so sportlich mit dem Wagen unterwegs sein will oder sein kann, hat seine wahre Freude am XF. Technisch passt alles wunderbar zusammen und fügt sich zu einer Einheit. Motor, Getriebe, Lenkung und Fahrwerk sind in ihrer Gesamtheit über den Alltag hinweg tauglich.

Fazit: Der vom Redaktionsbüro Meuren (Würzburg) getestete Jaguar XF 3,0 V6 Diesel überzeugte bis auf wenige Kleinigkeiten auf der ganzen Linie. Neben dem großen Durst bei sportiver Gangart trübte vor allem ein rund fünf Minuten dauernder Komplettausfall auf der Autobahn das Testergebnis ein wenig ein. Zwar hat sich der Jaguar offensichtlich selbst repariert, aber dennoch ist eine drastische Geschwindigkeitsreduktion von gut 200 km/h auf 0 während eines Überholvorgangs alles andere als Vertrauens erweckend. Schade auch, dass trotz vorhandenem USB-Anschluss es während der Testphase nicht gelang, die Lieblingsmusik vom MP3-Player über die extrem hochwertige Soundanlage des Jaguar zu hören. Doch der Spaß am Fahrzeug, an Performance, Optik und überragender Alltagstauglichkeit tröstet schnell über kleine Unzulänglichkeiten hinweg. Und: Der sportive Luxus ist günstiger als man denkt. Für deutlich unter 50.000 Euro findet man bereits Einlass in die Welt der rollenden Maßanzüge englischer Wurzeln. Der XF ist eine echte, attraktive Alternative zu den bekannten Oberklassen Limousinen deutscher und japanischer Hersteller und mehr als empfehlenswert.

Text: Redaktionsbüro Uwe Meuren
Fotos: Jaguar

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