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Von Andy Warhol, dem ungekrönten König der Pop-Art, stammt – mittlerweile mehr als 40 Jahre alt – die cineastische Prophezeiung, dass jeder Mensch einmal mindestens 15 Minuten in seinem Leben berühmt werde. Nun liegt es mir fern, mich mit dem Meister der Selbstdarstellung zu vergleichen, zumal ich es bestenfalls einmal zu ein paar krakeligen Skizzen auf einem Bierdeckel, niemals aber zu einem Siebdruck mit dem Konterfei Marilyn Monroes gebracht habe.

Doch Anfang dieser Woche erinnerte ich mich an die entsprechende Warhol-Weissagung aus einem Kinofilm des Jahres 1968. Es war wirklich so. 15 Minuten berühmt. Ich war 15 Minuten berühmt. War bestaunt, beneidet, begehrt. Nein, um ehrlich zu sein, nicht ich war es. Natürlich nicht, denn es war der vierrädrige Untersatz, den ich da gerade eingeparkt hatte. Wieder mal. Aber dieses Mal ganz besonders, ganz anders. Auf eine Art und Weise, die kein Porsche, kein AMG-Mercedes, kein aufgemotzter Audi TT oder sonst etwas aus dieser Richtung hätten auslösen können. Es war schlicht und ergreifend ein Opel. Oder genauer gesagt, ein Pontiac aus der weit verzweigten Produktionslinie des Hauses General Motors. Opel, ein Unternehmen, das Kompaktfahrzeuge in einer Anzahl gebaut hat, wie der Bäcker um die Ecke Semmeln aus dem Ofen holt.

Wenn es ein Attribut, ein Synonym für die Dominanz des Alltäglichen in der Auto-Industrie gibt, dann ist es Opel. Nicht nur die Tatsache, dass angeblich jeder Popel (weil es sich so schön reimt), einen fährt, sondern weil sich mit dieser zur Realität mutierten Satire des Spießbürgertums irgendwann jeder Verkehrsteilnehmer konfrontiert sah. Wackeldackel, gehäkelte Klopapier-Rolle, Petticoat, ein Hauch von Heinz Erhardt und dazu der Blitz aus Rüsselsheim. Das war der zur Farce gewordene Deutsche Michel wie er leibt und lebt.

Und dann 15 Minuten zum berühmt werden vor dem Supermarkt mit einem Opel. Ich wollte nur ein paar kleine Besorgungen machen, doch die Zeit vom Verlassen des Fahrzeugs bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich endlich einen Einkaufswagen hatte und in besagtem Konsumtempel verschwand, zog sich unendlich. Und das war gut so. Denn vom Führerschein-Neuling bis zum Rentner, der nur noch fährt, wenn es unbedingt sein muss, hatte jeder was zu sagen zu diesem Opel. Die einen fanden ihn einfach geil, die anderen hatten das alte Exemplar von damals noch gekannt. Allen aber war die Aussage gemein: So was soll ein Opel sein?

Das habe ich eingangs gemeint, als ich sagte, dass kein Derivat einer Sportwagenfirma dieses rätselhafte Erstaunen und Entzücken hätte auslösen können. Es ist das Unerklärliche, das Unvorhergesehene, das Unerwartete, das uns in den Bann zieht. Gezogen von einem Auto, dessen Produktionsende aufgrund seiner Herkunft schon beschlossen war, bevor es richtig laufen konnte. Aber Sie hätten jetzt auch gerne gewusst, was das für ein Opel war? Richtig! Es war die Re-Inkarnation dessen, was bei uns zu Flower-Power-Zeiten als die Rebellion von unten und der Aufbruch gegen eine Gesellschaftsform galt, die wir Establishment nannten.

Ein Auto, zu dem wir damals das Gleiche sagten wie heute die Ableger einer jüngeren Generation: Und so was soll ein Opel sein? Sie wissen es, liebe Leserinnen und Leser, längst. Es war der neue Opel GT. Ein Fahrzeug, in dessen durch vier Jahrzehnte voneinander getrennten Auflagen sich nicht nur Techniken, sondern auch Weltanschauungen berühren und begegnen. Und so was macht dann auch schon einmal – Andy Warhol sei Dank – für 15 Minuten berühmt. Und wenn es nur vor dem Supermarkt ist.

Übrigens: Ich bilde mir ein, dass mich vielleicht doch etwas mit Andy Warhol verbindet: Etliche seiner Kritiker behaupten nämlich auch heute noch, er habe keinerlei Talent, sei aber ein Genie, wenn es darum gehe, sich zu verkaufen.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende.

Ihr Jürgen C. Braun

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