Fehlendes Selbstbewusstsein kann man ihm nicht vorwerfen: Der Daihatsu Materia fällt hierzulande im Straßenverkehr auf. Seine Karosserie ist so konsequent eckig gehalten wie kein anderer Minivan, der in Deutschland zu haben ist. Der Opel Meriva, zum Beispiel, wirkt deutlich gerundeter und gediegen, während der Daihatsu Materia durchaus Erinnerungen an legendäre Gangsterautos wecken kann.
Beim Fahren freilich entpuppt sich der 3,80 Meter lange Wagen als absolut friedfertig. Er legt es keineswegs darauf an, Fahrern und Beifahrern Ärger zu machen. Sein größter Trumpf ist das Platzangebot. Bis zu den Vordersitzen lässt sich der Innenraum in eine nahezu ebene Ladefläche verwandeln, wenn nur ein oder zwei Personen mitfahren. Sind es mehr, müssen die sich keinswegs beengt fühlen, auch auf den hinteren Sitzen fühlt man sich nicht eingeengt.
Der Daihatsu Materia 1.5 ist auf sportliche Fahrweise ausgelegt, was sich auch in kurzen Schaltwegen bemerkbar macht. Mit seinen 103 PS ist man durchweg flott unterwegs. Sportliche Höchstleistungen sind vom Motor nicht zu erwarten – diese Erwartung wird aber auch niemand haben, der sich für den Wagen interessiert. Jenseits der 110 km/h macht sich der Motor vernehmlich bemerkbar – der Daihatsu Materia ist ein Kleinwagen, der vorwiegend in der Stadt eingesetzt wird. Um die Verbrauchswerte jenseits der 7-Liter-Grenze zu treiben, müsste man das Wägelchen schon ziemlich malträtieren.
Der Daihatsu Materia 1.5 wird frontgetrieben (16.990 Euro) und in einer Allradversion (16.990 Euro) angeboten. Die Einstiegsversion ist der Daihatsu Materia 1.3 mit 91 PS für 15.490 Euro.
Ganz gleich, für welchen Materia man sich entscheidet – sorgsames Lesen komplizierter Angebote an optionalen Ausstattungen bleiben dem Interessenten erspart. Die Serienausstattung ist komplett und recht komfortabel, beim frontgetriebenen Materia 1.5 stehen nur eine Perleffekt-Lackierung, ESP und ein Automatikgetriebe zusätzlich zur Wahl.
Dass bei dieser Preisgestaltung auch der Rotstift eine Rolle spielt, kann nicht verwundern. Wo er angesetzt wird, das mag allerdings schon skurril anmuten. Eine Kontroll-Leuchte am Armaturenbrett für eingeschaltetes Stand- oder Abblendlicht etwa sucht man vergebens, dafür strahlt das CD-Radio im Materia 1.5 in Klavierlack-Optik. Wer tatsächlich vergessen sollte, nach Fahrtende das Licht auszuschalten, wird beim Abziehen des Schlüssels allerdings durch ein Piepen erinnert, das die Bezeichnung Signalton wahrhaftig verdient. Die Tankentriegelung liegt dezent versteckt am Boden, direkt bei der Fahrertür. Und die Hutablage ist nicht aus versteiftem, sondern sehr leichtem Material – das Ziel, Kosten und Gewicht zu sparen, ist deutlich erkennbar.
Wer einen zuverlässigen Kleinwagen haben möchte, der möglichst gute Platzausnutzung im Innenraum mit einer übersichtlichen Karosserie verbindet, wer mit Anschaffungs- und Unterhaltskosten beim Auto streng kalkulieren will oder muss und trotzdem keinen unauffälligen Wagen fahren will, kommt am Daihatsu Materia kaum vorbei. Direkte Wettbwerber hat er nicht – den vergleichbaren Cube bringt Nissan erst 2010 nach Deutschland. Wer die Eigenwilligkeit des Materia-Designs liebt, wird auch die skurrilen Detail-Lösungen im Innenraum nicht als Manko empfinden, sondern als liebenswerte Eigenheiten. Warum sollte ein Auto, das schon von außen selbstbewusst eigenständig daher kommt, sich dann im Inneren entpuppen als unauffälliger Begleiter im Auto-Alltag?
Text: Roland Bernd
Fotos: Jürgen C. Braun