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Manuela: Wenn Augen sprechen. Erinnerungen an eine Sängerin.
(Koch/Universal)

Als märchenhaft wurde ihre Karriere gerne beschrieben: Die Fabrikarbeiterin Doris Wegener aus dem Berliner Stadtteil Wedding schaffte den Aufstieg zu Deutschlands Teenager-Idol in den frühen sechziger Jahren. Das lag nicht nur an ihrem beatlastigen Schuld war nur der Bossa Nova, sondern dem damit verbundenen frischen Wind in der Musiklandschaft: Wo bis dato eher langweilige Tonfolgen und nicht minder langweilige Texte zu hören waren, war eine Sängerin von Anfang 20, kess, gutaussehend und ansprechend, mehr als willkommen. So wurde aus Doris Wegener die Sängerin Manuela, deren Gesang hörbar an amerikanischen Vorbildern orientiert war – und deren Ausstrahlung ihr massenhaft Fans bescherte. Dezente Frivolitäten in ihren Texten brachten verschiedene Titel auf den Index von Radiostationen, aber derlei moralisch inspirierte Zensur befördert die Popularität von Liedern ja enorm. Im Nachhinein liefert solche Zensur außerdem ein betrübliches Bild von Moralvorstellungen dieser Zeit.

Erst in den siebziger Jahren erinnerte Manuelas märchenhafte Karriere daran, dass Märchen bisweilen auch böse ausgehen. Die 68er hatten die deutsche Gesellschaft nachhaltig beeinflusst, und was bei Manuela vor Jahren kess gewirkt hatte, erschien plötzlich entschieden zu brav, ihr bis dahin makelloses Image von der skandalfreien jungen Dame als zu bieder für hohe Plattenumsätze. Als sie sich dann auch noch erklärte, Schmiergeld gezahlt zu haben, um überhaupt einen Auftritt in einer sehr populären Musiksendung zu bekommen, brach ihre Karriere völlig ein: Den daraufhin angestrengten Prozess einer großen Sendeanstalt verlor sie in zweiter Instanz, ein jahrelanger Boykott der bedeutenden Medien war die Folge. Erst in den achtziger Jahren war sie wieder in den Hitparaden vertreten und das anhaltende Schlager-Revival kam ihr über längere Zeit zugute. 2001 starb sie nach längerer Krankheit mit 57 Jahren.

Wenn vor einem solchen Hintergrund eine CD mit dem Untertitel Erinnerungen an eine Sängerin erscheint, mag man an eine Best of-Zusammenstellung denken. Die jetzt erschienene CD mit dem Titel Wenn Augen sprechen ist allerdings etwas anderes: Sie versammelt weniger bekannte Titel der Sängerin, unter anderem einen Schlager, mit dem sie 1980 unter eigenem Label einen Neustart versucht hatte. Der Titelsong entstand ebenfalls vor Jahren, wurde aber nie veröffentlicht. Und Lieber John – ebenfalls bisher unveröffentlicht – zeigt, dass Manuela weit mehr konnte als nur Schlager zu singen: Die Soul-Anklänge des Liedes passen optimal zu ihrer Stimme, und das hätte eine zweite Karriere begründen können – zumal die Girlie-Zeit à la Bossa Nova ohnehin Geschichte war.

So ist Wenn Augen sprechen eine CD, die gleich mehrfach Beachtung verdient: Nicht nur zeigt sie eine Sängerin Jahre nach ihrem Tod von weithin unbekannten Seiten – sie zeigt auch, welche Möglichkeiten von Künstlern manchmal völlig ungenutzt bleiben – aus Gründen, die mit musikalischer Qualität überhaupt nichts zu tun haben. Man hätte Manuela, die seinerzeit zusammen mit Drafi Deutscher den Beat in deutscher Sprache auf die Plattenteller brachte, wirklich eine zweite Karriere als Soul-Sängerin wünschen können.

Ebenfalls noch erhältlich: Manuela – Das Beste. Original-Hits 1963.1972 (wsm)

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