Erste Erfahrungen: Dacia Sandero

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Überzeugungsarbeit kann mitunter zur Sisyphus-Tätigkeit ausarten, zuweilen aber ist sie auch nur eine Frage dessen, wovon der oder die Betroffenen überzeugt werden sollen. Oder vielleicht einfach auch nur wollen. So wie das bei diesem komischen Dracula-Auto war, dass da vor ein paar Jahren aus dem finstersten Karpaten-Dschungel mit allem Möglichen außer mit Referenzen auf den westeuropäischen Markt gespült wurde. Der Vorurteile waren genügend vorhanden, um eine – wenn auch nur noch so kleine – Erfolgsstory im Schlaraffenland der elektronischen Helferlein zu verhindern. Mittlerweile wissen wir: Ätsch! Genau anders rum ist es gekommen.

Rund eine Million Kunden hat Renault mittlerweile von seinem in Rumänen produzierten Billigauto Dacia Logan überzeugt und sie nicht nur als Interessenten, sondern auch als Käufer geworben. In Deutschland hat die Renault-Tochter im vergangenen Jahr 17.314 Fahrzeuge abgesetzt. Dabei verbuchte der erst zu diesem Zeitpunkt eingeführte Kombi Logan MCV bereits einen Mix-Anteil von 75 Prozent. Jetzt wird der nächste Dacia mit dem Namen Sandero auf den Weg zum Kunden geschickt. Und der ist nicht nur praktisch, zuverlässig, preiswert und auf die mobilen Grundbedürfnisse beschränkt, sondern hat dem Logan auch noch eines voraus: Ein recht hübsches Erscheinungsbild nämlich, welches das Dacia-Image eines rollenden Kastens der Marke Schrankwand oder Hasenkasten ad absurdum führt. Schwungvoll herumgezogene und geschwungene Leuchten sowie ein dreidimensionaler Kühlergrill verleihen der Front ein recht gefälliges Aussehen.

Auch die Proportionen des Sandero wirken harmonisch. Ja, man wird den Verdacht nicht los, dass da wirklich Designer am Werk dieses Fließheck-Autos gewesen sein müssen, die wissen, wie sich der gemeine Westeuropäer ein schmuckes Auto in der Kompaktwagenklasse vorstellt. Eine Fortsetzung der erstaunlichen Erfolgsgeschichte der Marke Dacia unter dem Dach von Renault, die vor vier Jahren begann, erscheint ebenso unausweichlich wie willkommen.

Die Technik hat der Sandero vom Logan, womit er auch auf der Plattform des Clio steht. Was ihn wiederum mit Renault Modus oder Nissan Note eint. Mit nur 4,02 Meter ist der Sandero jedoch nur so lang wie ein Clio und um 22 Zentimeter kürzer als der Logan. Gegenüber diesem hat Dacia allerdings auch den Radstand um vier Zentimeter gekürzt hat. Ergo: Bei unseren ersten Bekanntschaften mit dem Platz nehmen im Innenraum hatten wir den Eindruck, dass unsere Knie einen übermäßigen und nur schwer kontrollierbaren Hang zum – Aua! – Anecken haben.

Anstelle dessen wartet der Kofferraum mit 320 Litern auf. Das ist Golfklasse-Niveau. Die optional geteilt klappbare Rückbanklehne und ebenfalls klappbare Sitzflächen lassen daraus sogar 1.200 Liter werden. Das wirkt alles sehr solide verarbeitet, wenn auch nicht gerade anheimelnd. Die Triebwerke stammen aus dem Logan. Zwei Ottomotoren, ein 1,4 Liter mit 75 PS und ein 1,6er mit 87 PS sorgen zum Marktstart des Fünftürers für den Vortrieb. Zwei Dieselaggregate sind für Frühjahr 2009 vorgesehen. Beide Benziner erziehen den Fahrer bei der Suche nach der Höchstgeschwindigkeit zu einer wohltuenden Gelassenheit bei permanentem Vorwärtsdrang. Das Auto ist nicht zum Kurven räubern konzipiert und demzufolge dafür auch ungeeignet. Die recht langen Federwege und die hohe Bodenfreiheit lassen jedoch so etwas wie Reisekomfort aufkommen.

Wie auch beim Logan muss man in der Basisversion Fenster, Türschlösser, Spiegel und Lenkrad von Hand verstellen, was bei konkurrenzlosen 7.500 Euro Einstiegspreis wirklich niemanden schreckt. Zumal zur Serienausstattung immerhin zwei Airbags, ABS und Bremsassistent in allen Versionen gehören. In den anspruchsvolleren Varianten Ambiance und Lauréate kommen Seitenairbags, Servolenkung und Klimaanlage dazu. ESP ist allerdings auch gegen Aufpreis nicht zu haben.

Zwei von drei Dacia-Kunden, so der Hersteller, stammten aus einem Verbraucher-Umfeld, das sich bisher ausschließlich bei Gebrauchten gütlich getan hat und sich nun zum ersten Mal einen Neuwagen kauft. Weil man es sich jetzt – Dacia sei Dank – leisten kann. Der einflüsternden und unangemessen wirkenden verbalen Schmeicheleien, wonach sich der Dacia Sandero an ein Publikum wendet, das zwar einen rationalen Zugang zum Automobil hat, aber auf einen modernen und eleganten Auftritt nicht verzichten will, bedarf es daher eigentlich nicht. Zumal weitere gezielte Angriffe auf die weniger preisbewusste Konkurrenz bereits geplant sind: Nach Pick-up und Van im kommenden Jahr soll 2010 ein kompaktes SUV mit Allradantrieb auf den deutschen Markt kommen. Genügend Gelegenheit also, um einmal gefasste Vorurteile mit Schamesröte zu revidieren.

Text: Jürgen C. Braun
Fotos: Jürgen C.Braun, Renault/Dacia

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