Formel 1: Timo Glock: „Wir Fahrer brauchen Sicherheit bei KERS-Hybridtechnik“

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Vor vielen Jahren warb ein bekannter Hersteller von Mineral-Ölen mit dem Slogan vom Tiger im Tank. In der nächsten Saison wird die Formel 1 den Tiger nicht im Tank, sondern bereits im Motor haben. Das Zauberwort heißt KERS, ein Hybridsystem, das die Formel 1 erstmals einsetzen darf. KERS ist eine Abkürzung des englischen Idioms Kinetic Energy Recovering System und steht für eine neue Form der Energie-Rückgewinnung, die den Formel-1-Boliden für einen kurzen Moment mehr Leistung verleiht. Max Mosley, Präsident des Automobil-Weltverbandes FIA gilt als einer der größten Befürworter dieses Systems, dessen Einführung 2009 am Rande des Formel-1-Grand-Prix in Ungarn endgültig beschlossen wurde.

Bei KERS wird Energie, die beim Bremsen freigesetzt wird, in Batterien gespeichert. Diese Energie wird einen Elektromotor antreiben, der dem Fahrzeug kurzzeitig mehr Leistung verleiht. Das System ist aber nicht unumstritten, auch weil seine Anwendung bisher als nicht ganz ungefährlich erscheint. Timo Glock, Formel-1-Pilot von Toyota-Panasonic, äußert sich vor dem Großen Preis von Europa am nächsten Sonntag in Valencia gegenüber www.kues.de zu der Problematik um das neue Hybrid-System.

www.kues.de: Wie ist Ihre persönliche Meinung zu dem neuen Hybrid-System und dessen vorgesehenem Zeitpunkt der Einführung?

Glock: Die Meinung in der Formel 1 zu dem neuen System ist noch sehr unterschiedlich. Unser Team hat ebenso wie Ferrari, Red Bull und Renault erklärt, dass wir zumindest im nächsten Jahr noch darauf verzichten könnten. Wir benötigen Zeit, um das alles erst einmal wasserdicht zu machen. Der Vorfall bei den BMW-Tests in Jerez, als ein Mechaniker durch einen Stromschlag nieder gestreckt wurde, zeigt ja, welche Risiken das alles noch birgt. Ein Rennauto ist kein Serienfahrzeug. Uns Fahrern ist vor allem wichtig, dass alles sicher ist, wenn wir mit 300 Sachen durch die Gegend brettern.

www.kues.de: Wie gefährlich ist KERS denn nun Ihrer Meinung nach wirklich?

Glock: Es gibt wohl noch verschiedene Risikoherde. Bei dem BMW-Techniker, der im Juli diesen Stromschlag erlitten hatte, war es so, dass der Mann nach drei Runden das stehende Fahrzeug berührte. Da hatte sich Batteriespannung auf das Chassis übertragen. Ein Gefahrenherd sind vor allem die Akkus bei Hitze und starken Vibrationen. Die überhitzten Batterien könnten eine Explosion auslösen. Wir benötigen eine Extrasicherung für den Tank.

www.kues.de: Gab es außer dieser BMW-Sache weitere Vorfälle, die Sie eventuell beunruhigen?

Glock: Ja, auch Red Bull hat so etwas verlauten lassen. Da brach wohl ein Feuer in dem Fabrikteil aus, in dem die Ingenieure an KERS arbeiteten. Es wurde zwar niemand verletzt, aber so wie ich gehört habe, musste dieser Trakt dann evakuiert werden. Angeblich hatten sich überhitzte Lithium-Ionen-Akkus entzündet.

www.kues.de: Wie würde sich KERS denn auf das Fahren eines Formel-1-Boliden und auf die Spannung in der WM auswirken?

Glock: Wir hätten pro Runde so etwa 80 zusätzliche PS, die man auf einen Knopfdruck für maximal sechs Sekunden abrufen kann. Dieser Booster verleiht uns für einen kurzen Augenblick so etwas wie den Tiger im Motor. Vielleicht wird es ein paar Überholungsmanöver im Rennen mehr geben. Aber das hängt davon ab, wer wann dieses Mittel einsetzt.

www.kues.de: Ist KERS ein System, das die Formel 1 umweltfreundlicher machen kann?

Glock: Am Ausstoß von Emissionen und am Benzinverbrauch ändert sich durch KERS nichts. Das System speichert Bremsenergie, die sonst irgendwo als Hitze verpufft wäre. Außerdem glaube ich nicht, dass es umweltfreundlich ist, wenn man nach jedem Rennen die Akkus austauschen muss.

Text: Jürgen C. Braun / Foto: Bernhard Schoke

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