Die Tour de France 2008: Jürgen C. Brauns Tagebuch (4)

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Toulouse. Viertgrößte Stadt Frankreichs. Aber mehr als nur das. Toulouse steckt voller Geschichte, voller Technik, voller Aufbruch. Hier ging Ende der 60er Jahre die erste Concorde in die Luft, bevor sie sich gut 30 Jahre später auf äußerst spektakuläre Weise selbst am Himmel über Paris eliminierte. Hier steht die Wiege des gewaltigen Euro-Konzerns Airbus, der im Moment den milliardenschweren Krieg der Sterne mit dem US-Monopolisten Boeing führt. Wer nach einer Woche durch die fast menschenleere Bretagne, die karge Auvergne und das wilde massif central in diese Metropole im äußersten Südwesten Frankreichs mit dem Tross der Tour de France einfällt, der wird zunächst einmal von einem leichten Schauer der Giganterie erschlagen. Breite Boulevards statt enge Kopfsteinpflaster-Gässchen. Fast schon südliches Gepränge statt herber Atlantik-Strände oder endlos langen routes nationales aus napoleonischer Vorzeit.

Kann es sein, dass der homo automobiliensis, also der Auto fahrende Mensch der Neuzeit, nach einer Woche flachem Land mit ein paar kleineren Städtchen sich nach dem wilden Gehupe und den Blechlawinen einer europäischen Großstadt sehnt? Dass er (grotesk genug) aufatmet, wenn er Dieselluft von Fahrzeugen ohne Partikelfilter einatmet und sich über die Ankündigung prochain garage à gauche (Nächste Werkstatt direkt links)freut? Offenbar mutiert der mobile Zeitgenosse als kleines Rädchen im großen Tross der Tour der France zum unbedeutenden Bestandteil eines Begleitfahrzeuges.

Eine französische Automobil-Legende in mittlerweile ungewohnt großer Zahl erwartete die Tour-Karawane am Samstag bei Kilometer 103 in Cestayrlos im Departement Tarn. Pünktlich zum anstehenden sechzigsten Geburtstag der Ente hatten Liebhaber des Kultautos Citroën 2CV rund 150 der alten Citroën-Fabrikate auf der achten Etappe von Figeac nach Toulouse an den Straßenrand chauffiert. Es war ein tolles Bild, das im Zusammenhang mit der Tour nicht ohne Hintergrund entstand. Die Deuchistes planten einen Weltrekord für Demontage und Wiederzusammenbau eines der 60 Jahre alten Döschwo. Leider hat man nicht die Zeit, um diesem sicherlich sehr interessanten Schauspiel zuzusehen.

Am Wochenende wird Frankreich wieder Kopf stehen. Die Pyrenäen drohen, am Montag ist quatorze juillet und am Nationalfeiertag ist die französische Seele ohnehin Großem und Historischem mit einer gehörigen Prise von Pathos zugetan. Meist probiert dann einer der Fahrer von Agritubel oder francaise des jeux, also aus einem französischen Rennstall, sich mit einem Etappensieg in die sportliche Unsterblichkeit seiner Landsleute zu fahren.

Aber noch hat die Tour gerade erst mal ein Drittel hinter sich und deswegen heißt es zunächst einmal: abwarten, welche Überraschungen im Hochgebirge von Pyrenäen und Alpen (siehe Bild links, Foto vom letzten Jahr) noch warten.

Text und Foto: Jürgen C. Braun

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