CD-Tipp der Woche

Beitragsbild
Foto 1

Philipp Fankhauser: Love Man Riding (Cross Cut/In-akustik)

Die Verbindung der Leichtigkeit des Bossa Nova mit der Tiefe des Blues, dem Entertainment eines Rock'n Rollers mit der Intensität eines Singer/Songwriters heißt Fankhauser, Philipp Fankhauser!

Seit zwanzig Jahren singt und spielt Philipp Fankhauser seine Musik abseits vom Mainstream, er kümmert sich nicht um Trends. Die Lieder, die der 44jährige schreibt, sind gespeist aus den Erlebnissen eines Singer/Songwriters, welcher den Ursprüngen seiner Musik nachspürte, der dabei seine Identität suchte und sie auch schlussendlich fand. Er lebte den Blues in dessen Heimatland, in den USA, und brachte den Soul in seiner Stimme mit zurück. Er reiste nach Rio, weil ihn die Leichtigkeit der Bossa Nova seit seiner Jugend fasziniert und verzaubert. Und er lernte von Freunden wie seinem Landsmann Stephan Eicher, wie man Songs neu erfindet. Love Man Riding lebt von all den Dingen, die einen Philipp Fankhauser durch die Welt ziehen lassen. Damit ist der Singer/Songwriter aus der Schweiz schon wieder in den Charts gelandet.

Philipp Fankhausers Biografie ist die eines Bluesmusikers; er sieht sich auch von Kopf bis Fuß als einer, aber zugleich sträubt er sich gegen sämtliche Klischees, die dieses Etikett begleiten. Für mich zählt der Song, der Ausdruck – das, was einer zu sagen hat. Es geht nicht um Gitarren oder Harps als Mittelpunkt, sondern um Lieder, die etwas zu vermitteln haben. Und dafür braucht es dann natürlich passende Instrumente. So wie bei den alten Sängern, wie bei Jimmy Witherspoon oder Bobby Bland, auf die Fankhauser sich gern bezieht. Dieser Blues hat mehr vom Soul als vom Rock ´n´ Roll. Aber, so sehr ich diese Sänger schätze, so klar ist auch, dass ich einen anderen kulturellen Hintergrund habe. Bland ist ein schwarzer Musiker aus den USA, ich bin ein weißer aus der Schweiz. Ich bin Philipp Fankhauser.

Love Man Riding ist das elfte Album von Fankhauser, aber erst das zweite, das er mit seiner Liveband eingespielt hat. Sieben Songs hat er dafür geschrieben oder mit anderen Musikern erarbeitet, die anderen fünf stammen fast alle von Freunden – wie dem Produzenten Dennis Walker oder dem verstorbenen Musiker Johnny Copeland.

Als Fankhauser 1994 in die USA ging, weil der texanische Bluesmann Johnny Copeland ihn als Gastsänger angeheuert hatte, ging zunächst ein Traum in Erfüllung – der junge Schweizer war im Mutterland der Musik angekommen, die er so liebte. Und noch heute ist er dem Texaner in jeder Hinsicht dankbar. Bei und durch Johnny habe ich überhaupt erst gelernt, dass seelenvolle Musik mehr ist als drei Akkorde und zwölf Takte. Den Blues findest du nur, wenn der Inhalt, wenn das Gefühl dich berührt. Ein Jahr später spielte Fankhauser mit den Memphis Horns das Album On Broadway ein. Produziert hatte es Dennis Walker, der legendäre Produzent von Robert Cray, der inzwischen mit drei Grammys ausgezeichnet worden ist.

Mit Walker verbindet den Schweizer seitdem eine Freundschaft, die immer wieder zu im Wortsinn produktiven Ergebnissen führt. Mit Walker schreibt er manche Songs, mal textet der eine und der andere ergänzt die Melodie, oder umgekehrt. Ja, die Songs, das sind kleine Erlebnisse oder Eindrücke, die jeder von uns mal hat, und mit denen arbeitet man dann. Ich glaube, solche Songs kann jeder verstehen. ´Lonely In This Town´ zum Beispiel, den hat Dennis mir von daheim in Los Angeles geschickt, ich habe die Melodie geschrieben und Keyboarder Hendrix Ackle hat das Arrangement über diesen einsamen Typen in dem schäbigen Hotelzimmer gebastelt. Ob solche Songs stets autobiografische Züge haben? Mit Sicherheit. Nach dem Tod von Copeland im Jahre 1997 blieb Fankhauser noch drei Jahre in den USA. Nach den guten und harten Zeiten, die er drüben verbrachte, landete er schließlich wieder in der Schweiz. Doch die Freundschaft zu Walker und vielen Musikern drüben führte 2006 zu dem vieldeutigen Watching From The Safe Side, dem ersten Album mit seiner heutigen Liveband. Es landete in den schweizerischen Charts auf Platz 19, wo es sich wochenlang hielt.

Durch die Nähe zu Walker hat sich natürlich ergeben, dass Musiker aus der Band von Robert Cray zu Fankhausers Entourage gestoßen sind. So ist seine Liveband inzwischen international besetzt, mit Musikern, die auch unterschiedliche Vorlieben mitbringen und Facetten beisteuern. Meine musikalische Nachbarschaft besteht aus Leuten, die aus verschiedensten Richtungen stammen. Der Schlagzeuger spielt in einer Latin-Band, die anderen kommen bis auf Richard Cousins nicht aus der Blues-Ecke.

Für Philipp Fankhauser gehört es seit einigen Alben zum selbstverständlichen Pflichtprogramm, jedes Mal seinem Freund und Vorbild Johnny Copeland zu Ehren einen von dessen Songs zu interpretieren. Das anrührende I Got A Love ist auf verschlungenen Wegen zustandegekommen. Lassen wir Philipp erzählen. Vor drei Jahren nahm ich den Song in mein Live-Repertoire auf, ließ ihn dann liegen, weil ´I Got A Love´ eins von diesen filigranen Liedern ist, bei dem das Publikum ein paar Minuten lang ganz ruhig lauschen muss. Dann entschieden wir uns, es im Studio zu versuchen. Wir spielten eine Spur mit Schlagzeug ein. Als das fertig war, dachte ich, es wäre doch schön, es meinem Freund Stephan Eicher zu schicken, den ich doch schon so lange kenne. Schick mal ne MP3 vorbei, hat der gesagt. Nach einigen Tagen kam das Ding zurück. Es war zum einen betörend schön, zum anderen soweit weg von dem, wie es vorher war. Ich habe mich fast wie ein Verräter gefühlt: Bei Johnny war es ja noch ein veritabler Blues mit afrikanischen Musikern. Stephan hat mir anschließend erzählt, dass ihn unser Arrangement verwirrte und er zunächst nicht wusste, wem er folgen sollte: Schlagzeug, Gitarre oder Piano. Zu guterletzt hatte er sich nur am Gesang orientiert. Ja, und beim Mischen in Los Angeles hat Dennis alle Drums rausgemixt, bis auf Cymbal, und dann Stephan mit seiner Dulcimer und den akustischen Instrumenten ganz nach vorn gepusht. Zum Schluss hat er noch Luis Conte als Perkussionisten geholt. Dass der – kann man ja wohl sagen, große – Stephan Eicher über mich mit Johnny zusammengebracht wurde, das war ein schöner Moment. Ich glaube, Johnny hätte unsere Version gefallen. Ein paar Songs auf Love Man Riding sind mit sanft und locker klingenden Akkorden auf der Rhythmusgitarre bestückt, die eine leichte Brise in Richtung Latin ankündigen und die Perkussion auf dem alten Richard Torrance-Hit Rio de Janeiro Blue kommt auch nicht von ungefähr, denn neben dem Blues schätzt Philipp Fankhauser auch eine ganz andere Musikrichtung. Ja, seit Kindesbeinen habe ich zwei Lieben. Das ist ganz klar der Blues, aber das ist genauso klar die Bossa Nova: Tom Jobim, Joao Gilberto, Milton Nascimento, Gilberto Gil. Das ist für mich sowohl im Herzen als auch von der Sache her ziemlich dieselbe Musik. Für mich sind Antonio Carlos Jobim und B. B. King dasselbe. Zwar an verschiedenen Ecken der Welt, aber was ich bei diesen Musiken empfinde, der Herzschlag – das ist für mich immer sehr ähnlich gewesen. Im Februar war ich das erste Mal in meinem Leben in Brasilien. Und da habe ich natürlich wahnsinnig viel in mich aufgesogen. Und auch ziemlich viel eingekauft. Wie kann man Blues und Bossa zusammenbringen? Sagt Philipp Fankhauser: Der Blues ist mein Ding, die Bossa beflügelt mich.

Das Publikum in der Schweiz scheint diesen Mann zu mögen: Love Man Riding startete dort wenige Tage nach der Veröffentlichung voll durch und gelangte von Null auf Platz Sieben der Charts.

Scroll to Top