Ein Journalistenleben während der Tour de France ist, um es einmal vorsichtig und möglichst neutral zu formulieren, vor Überraschungen nicht ganz gefeit. Das fängt mitunter damit an, dass Zimmer, die bereits ein halbes Jahr vorher via Internet gebucht und auch bestätigt wurden, plötzlich weiter vergeben wurden, geht über verzweifeltes Suchen nach scheinbar vom Erdbeben verschwundenen Orten in der großen Michelin-Landkarte bis zu den Gegebenheiten in Pressezentren, die für alles geeignet sind, aber nicht fürs Arbeiten. Meist sind es ausgeräumte Turnhallen, Bürgerzentren oder Gemeindesäle, die für die weltweite Berichterstatter-Schar geräumt wurden. Viele, wie beispielsweise die Pressezentren auf dem Plateau de l'Alpe d'Huez, in Les Deux Arcs oder in Tignes sind im Lauf der Jahre vertraut geworden. Und führen zu entsprechender Reaktion. Wohlwollen oder Fluchen, weil Du da oben wieder kein Netz findest. Für das Handy, und damit für die Kommunikation mit den Redaktionen, versteht sich.
Wenn dann aber in unserem Handbuch aufgeführt ist, dass das centre de presse in einem patinoire untergebracht ist, kommt schon alleine bei der Lektüre ein gewisses Frösteln auf. Denn patinoire bedeutet nichts anderes als Eishalle. In selbiger hat man dann meist zwei Zentimeter grünen Teppich über die im Winter zu vereisende Fläche gelegt, was sich dergestalt äußert, dass man den Teppich meistens gar nicht, das eigentlich nicht vorhandene Eis aber durchaus zu spüren meint. Na gut, das ist eben le Tour.
Mitunter bleibt aber auch im Pressezentrum, so man denn rechtzeitig eingetroffen ist, noch etwas Zeit, sich mit den dort ausgelegten regionalen Tageszeitungen zu beschäftigen. Da erfährt man dann beispielsweise, dass im Jahre 1966 die Marketing-Abteilung des Hauses Citroën auf die Idee kam, einen Ami6 mit zwei Citroën-Mitarbeitern der Tour hinterher zu schicken. Die beiden sollten dann ihre Erlebnisse schildern und die Zuverlässigkeit des damals als lahme Krücke gehandelten Ami6 mit seinen 24 PS in den höchsten Tönen loben. Das taten sie denn auf Geheiß auch. Wobei sie es allerdings verschweigen, auch die Fingerfertigkeit der Garagisten am Wegesrand in ihre Loblieder mit ein zu beziehen.
Voll des Lobes und sehr stolz sind die Franzosen in den drei Wochen der Rundfahrt übrigens auch auf ihre berittenen Jungs in Blau. Eskortiert wird die Frankreich-Rundfahrt nämlich alljährlich von einem starken Polizeiaufgebot. Der Tour-Tross wird von insgesamt 45 Motorrad-Gardisten (motards genannt) begleitet. Auf BMW-Maschinen übrigens! In den Etappenorten sorgen 9.000 motorisierte Beamte für Sicherheit, den Straßenverkehr an den 23 Tour-Tagen regeln 14.000 Gendarme. Und was das Schönste daran ist: die winken auch noch fröhlich, wenn unsereins bei roter Ampel weiter fährt oder in den nächsten rond point (Kreisverkehr) mal von der falschen Seite einfährt. Aber bei aller Arbeit muss die Tour ja auch noch ein bisschen Spaß machen. Auch unter den ansonsten strengen Augen der französischen Polizei.
Text und Foto: Jürgen C. Braun