Mit den Erfahrungen des Vorjahres strebt Lewis Hamilton 2008 die Formel-1-Krone an – Lauda sieht Ferrari im Vorteil
Ein einziges Pünktchen nur fehlte ihm im vergangenen Jahr, um das Märchen von der unbefleckten Formel-1-Empfängnis eines Newcomers wahr werden zu lassen. Doch am Ende einer für ihn atemberaubenden Saison musste der junge Brite Lewis Hamilton, lange Jahre vergötterter und verhätschelter Ziehsohn von McLaren-Mercedes-Teamchef Ron Dennis, seinem Ferrari-Konkurrenten Kimi Räikkönen doch noch den Vortritt bei der Vergabe des WM-Titels lassen. In diesem Jahr, so hat sich das farbige Supertalent im Cockpit geschworen, soll alles anders werden. Im Duell Rot gegen Silber, das wohl auch 2008 über den Ausgang der Millionen schweren PS-Hatz entscheiden wird, will ich am Ende vorn sein. Ich will konstanter werden als im vergangenen Jahr, meine Starts verbessern und mit den Erfahrungen, die ich in meinem ersten Jahr gemacht habe, das erreichen, was wir im vergangenen Jahr knapp verpasst haben. Die Fahrer-Weltmeisterschaft und die durch die leidige Spionage-Affäre verpatzte Konstrukteurs-Weltmeisterschaft: Im britisch-schwäbischen Rennstall hat man sich für dieses Jahr vorgenommen, es der italienischen Konkurrenz aus Maranello endlich einmal zu zeigen. Mit legalen Mitteln, wenn es irgendwie geht.
Ohne den kollegialen Bremsklotz Fernando Alonso, der sich in den seltensten Fällen als wirklicher Teamkamerad erwies, kann sich der junge Brite nun uneingeschränkt der Rolle als Nummer 1 bei den Silberpfeilen sicher sein. Der Finne Heikki Kovalainen muss sich erst in das McLaren-Leben eingewöhnen und das dauert mit Sicherheit ein paar Rennen. Sein neues Arbeitsgerät, den MP4-23, hält Hamilton für ebenso schnell wie den neuen Ferrari Gegenüber dem britischen Fernsehsender BBC äußerte er sich vor dem ersten Rennen jedenfalls optimistisch Wenn ich mir unser Paket anschaue, dann glaube ich kaum, dass Kimi uns davonfahren wird. Ferrari habe sicherlich ein gutes Auto, aber im Vergleich zum Vorjahr sind wir schon zu diesem frühen Zeitpunkt näher dran.
Einer, der es eigentlich wissen müsste, sieht den roten Renner indes noch ein wenig im Vorteil. Einen leichten Vorsprung von ungefähr drei Zehntel Sekunden glaubt Ex-Champion und Fernseh-Experte Niki Lauda nach den zahlreichen Tests im Vorfeld der neuen Saison ausgemacht zu haben. Aber das kann sich sehr schnell ändern, wenn das eine oder andere Team neue Teile montiert. Weltmeister Kimi Räikkönen, der sich im Herzschlag-Finale der vergangenen Saison seines Spitznamens Iceman als würdig erwiesen hatte, registriert die Diskussionen und Spekulationen vor dem ersten Rennen mit der von ihm gewohnten stoischen Ruhe. Wir haben schon jetzt bewiesen, dass wir im Winter hart gearbeitet haben und präsentieren ein ausgewogenes Auto, das wir gegenüber dem Vorjahr noch verbessert haben. Warum soll ich mir also Gedanken machen?
Ebenso wie sein wahrscheinlich hartnäckigster Widersacher wird der langjährige Silberpfeil-Pilot als klarer Teamleader in das Duell gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber gehen. Felipe ist sicherlich ein sehr guter Pilot, aber es fehlt ihm im Vergleich zu Kimi an der notwendigen Konstanz und Gelassenheit ordnet Lauda die Aussichten von Räikkönens Teamkollegen Massa ein. Und Kimi hat eben den Weltmeister-Bonus bei Ferrari, wenn es wirklich mal hart auf hart gehen sollte.
Hinter den beiden Topteams erwartet Lauda einen engen Kampf im Mittelfeld: Die größte Unbekannte ist für mich Renault. Die haben mit Fernando Alonso wieder einen Topfahrer bekommen, denn Autofahren kann der Bursche unbestritten. Der Speed, den er produzieren kann, ist der beste neben Räikkönen und Hamilton. Eines aber liegt dem Österreicher ganz besonders am Herzen, bevor es dann am Sonntag in Melbourne endlich losgeht: Ich hoffe nur, dass die Formel 1 nicht wieder mit Spionage oder sonstigen Geschichten aufwarten wird und sich ganz auf das Sportliche konzentrieren kann.
Text: Jürgen C. Braun