Wer seine Auffahrt auf eine Autobahn rücksichtslos erzwingen will, kann bei einem Unfall unter Umständen zur Kasse gebeten werden. Er verstößt dabei nicht nur gegen das allgemeine Gebot der Rücksichtnahme, sondern missachtet dabei auch die Vorfahrt des fließenden Verkehrs und verletzt seine Wartepflicht. Darauf macht die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltverein (DAV) aufmerksam und verweist auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Naumburg vom 15. September 2006 (Az. 10 U 16/06).
Durch ein allzu sorgloses Einfahren eines Lkw auf die Autobahn kam es zu einem Unfall zwischen nachfolgenden Verkehrsteilnehmern. Der wesentlich langsamere Lkw zwang einen auf der Autobahn fahrenden Autofahrer zu einer Vollbremsung, welche zwar einen Unfall mit dem Lkw verhinderte, dafür aber zu einem Auffahrunfall durch einen weiteren nachfolgenden Fahrer führte. Vor Gericht stritt man darüber, inwieweit der Lkw-Fahrer haften muss.
Das Gericht begründete eine Haftungsquote von 70 Prozent zu Lasten des Lkw-Fahrers mit dessen insgesamt grob verkehrswidriger Fahrweise. Auch wenn der Beschleunigungsstreifen an Autobahnen dem zügigen Einfädeln diene, habe doch der durchgehende Verkehr stets Vorfahrt. Darüber hinaus gelten für den Einfahrenden gesteigerte Sorgfaltspflichten. Dieser dürfe nur Lücken nutzen, die entweder den Autobahnverkehr nicht wesentlich zum Verlangsamen zwingen oder es diesem ermöglichen, gefahrlos auf die Überholspur auszuweichen. Vorliegend habe der zu langsam auffahrende Lkw jedoch eine »Gefahrenbremsung« provoziert, welche schließlich zu dem Auffahrunfall geführt habe. Für die Haftungsverteilung sei andererseits zu berücksichtigen, dass sich auch der zur Bremsung genötigte Fahrer nicht optimal verhalten habe. Der auffahrende Lkw sei nämlich frühzeitig erkennbar gewesen und hätte ihn deshalb bei Erkennen der Einfädelungsabsicht rechtzeitig zum Abbremsen oder Spurwechsel veranlassen müssen.
©Verkehrsrechts-Anwälte im Deutschen Anwaltverein