Das eine Glas Wein macht mir doch nichts aus, kein Problem. Außerdem habe ich ja eine gute Grundlage. Wer in die Stammkneipe auf einen Schoppen geht, wer zu Freunden eingeladen wird oder wer im Betrieb eine kleiner Feier hinter sich hat, der stößt mitunter vor ein Problem: Der fahrende Untersatz, sprich das Auto, wartet vor der Haustür. Und was sich oft nach eigener Stärke anhört, entpuppt sich in vielen Fällen als falsche Profilierungssucht oder purer Leichtsinn. Alkohol, und nicht nur der, sondern auch die Einnahme von Drogen oder Medikamenten, haben nichts verloren, wenn es darum geht, ein Fahrzeug zu bewegen. Doch das Problem ist vielschichtig. Prävention, Nachweis, Wirkung, Therapie, Abhängigkeit oder nur Einzelfall? Um diese und andere Themen ging es bei einem Seminar des Deutschen Verkehrssicherheitsrates.
1,3 Promille 1966, 1,1 Promille 1990, und 0,5 Promille seit 1998. Gesetzgebung und Wissenschaft haben sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten immer wieder zusammengerauft, wenn es darum ging, die Grenzen und Regeln für die Feststellung der Fahruntüchtigkeit herab zu setzen. Und die Null-Promille-Grenze für Fahranfänger wird wohl nicht lange auf sich warten lassen. Ist es nun die Angst vor dem ertappt werden oder die Einsicht in die Notwendigkeit? Tatsache ist, dass Alkoholdelikte in den vergangenen zehn Jahren eine stark rückläufige Tendenz aufweisen. So sank die Zahl der Alkoholunfälle mit Personenschäden von 34.468 im Jahr 1995 auf 22.004 im Jahr 2005. Umgekehrt stieg jedoch die Zahl der Unfälle unter Drogeneinfluss im gleichen Zeitraum von 607 auf mehr als Doppelte. Eine zukünftig noch größere Bedeutung wird aber auch die Einnahme von Medikamenten als Unfallursache haben, darin sind sich die Experten einig.
Prof. Hans-Peter Krüger vom Interdisziplinären Zentrum für Verkehrswissenschaften der Uni Würzburg rückte das so genannte Kavaliersdelikt Alkoholkonsum zurecht. Bei 7,8 Millionen Bundesbürgern liege ein riskanter Konsum vor, 2,4 Millionen Menschen werde ein missbräuchlicher Konsum bescheinigt, 1,5 Millionen Personen gelten als abhängig. Bei Fahranfängern liege nach Untersuchungs-Ergebnissen schon nach dem ersten Schluck eine erhöhte Unfallgefahr vor, bei langjährigen Fahrern läge diese ab 0,4 Promille vor. Mit zunehmender Alkoholzufuhr steige sie auf das Fünffache. Käme dann noch die Einnahme von Medikamenten hinzu, so führe dies zu einer regelrechten Explosion der Unfallgefahr. Auffällig sei, dass bei zunehmendem Alkoholkonsum die Hemmschwelle zum Auto fahren offensichtlich sinke. 75 Prozent aller Ertappten, so Andrea Hasse von der Bundesanstalt für das Straßenwesen (BaSt), hätten mehr als 1,1 Promille im Blut gehabt. 85 Prozent der Fahrer unter Alkoholeinfluss sind zwischen 18 und 54 Jahren alt, über 80 Prozent davon sind Männer.
Schwierig wird die Sache beim Konsum von Cannabis, obwohl dort die Analyse-Techniken immer besser werden. Mehr als ein Nanogramm pro Milliliter Blut bedeuten den Entzug der Fahrerlaubnis. Doch Nachweis, so Krüger, sei nicht gleich Wirkung. Schon geringste Konzentrationen ließen sich nachweisen, eine Wirkung jedoch nicht mehr. Auffallend, dass auch zunehmend ältere Verkehrsteilnehmer mit Drogen und dem Straßenverkehr in Konflikt kommen. Vielleicht so etwas wie das Syndrom der Alt-68er. 1,5 bis zwei Millionen Konsumenten von Cannabisprodukten nähmen am Straßenverkehr teil. Und die Tendenz sei weiter steigend.
Maßnahmen des Staates, die Verkehrssicherheit zu gewährleisten, seien zwar unerlässlich, doch Repression, so Krüger, sei nur die eine Seite des Problems. Die andere müsse die Prävention sein. Alkohol- oder drogenauffälligen Autofahrern müssten Wege aufgezeigt werden, wie sie wieder in eine mobile Gesellschaft zurückkehren könnten. Und sie müssten, so Professor Dr. Egon Stephan von der Universität Köln, den Verlust des Führerscheins auch auch als Chance für einen Neubeginn ihrer Lebensführung sehen.
Text: Jürgen C. Braun