Freddy Derwahl: Der mit dem Fahrrad und der mit dem Alfa kam. Benedikt XVI. und Hans Küng – ein Doppelporträt.
Pattloch Verlag; 19,90 Euro.
Beide lehrten in Tübingen, beide waren wegen ihrer mitreißenden Rhetorik und Argumentationskraft bei Kollegen und Studierenden beliebt: Wer in den Vorlesungen der beiden Theologen einen Sitzplatz haben wollte, musste beizeiten im Hörsaal sein, um nicht mit Treppe oder Stehplatz Vorlieb zu nehmen. Doch während der eine im schnittigen Sportwagen vorfuhr, bevorzugte der andere ein schlichtes Fahrrad. Man könnte meinen, die Wahl ihrer Fortbewegungsmittel sei wegweisend für die jeweilige spätere Laufbahn: Joseph Ratzinger galt in seiner Eigenschaft als Präfekt der Glaubenskongregation vielfach als stockkonservativ, Hans Küng als der Modernisierer, den die offizielle katholische Kirche schließlich massiv ausbremste.
2005 wurde Ratzinger als Nachfolger von Johannes Paul II. zum Oberhaupt der katholischen Kirche gewählt und nahm den Namen Benedikt XVI. an. Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Positionen war es umso schlagzeilenträchtiger, dass er als eine seiner ersten Amtshandlungen den früheren Weggefährten zu einem mehrstündigen Gespräch einlud.
Dass diese Amtshandlung keine so große Überraschung hätte sein müssen, zeigt Freddy Derwahl in seinem Doppelporträt. Denn beide sind sich in ihren Überzeugungen nicht so fern, wie es die Schlagzeilen über Jahrzehnte gerne behaupteten. Derwahl führt einen Großteil der Auseinandersetzung auf die Aufgabe der Glaubenskongregation zurück, deren Aufgabe vergleichbar mit der eines Anwalts ist – konservative Werte zu verteidigen. Eine Aufgabe, die für das Oberhaupt der katholischen Kirche in der Form nicht mehr gegeben sein muss. Und tatsächlich hat sich Benedikt XVI. konsequent gesprächsbereit gezeigt – nicht nur bei dem Schweizer Theologen, der bereits 1970 mit dem Buch Unfehlbar? Eine Anfrage für eine Sensation gesorgt hatte.
Derwahls Fazit ist klar: Die Chancen für eine Annäherung der beiden Positionen, so auch für eine weitere Öffnung der Kirche, sieht er heute größer denn je. Küng übrigens stützt die Auffassung des Autors: Auf die persönlichen Ebene, so erklärte er nach dem Gespräch im Vatikan, seien die Differenzen ohnehin niemals gerutscht.