Test-Tour: Volkswagen New Beetle Cabriolet 1.9 Tdi

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Er hat ein schweres Erbe angetreten. Da, wo ein New Beetle gesichtet wird, drängt sich dem Betrachter unvermeidlich der Vergleich mit dem Urahn, dem VW Käfer auf. Dass pure Nostalgie dennoch erfolgreich den Spagat zu aktuellen Anforderungen und Erfordernissen vollziehen kann, zeigt sich in unserem aktuellen Fahrbericht, dem VW New Beetle Cabrio mit dem 105 PS starken 1.9-Liter-Tdi-Motor.

So ist das manchmal, wenn uns die Erinnerung einen Streich spielt und uns vorgaukelt, dass Vergänglichkeit nur da einen Platz hat, wo sie uns nun mal genehm ist. Mach mal auf, lass mal gucken, ob in den Kofferraum überhaupt was reingeht, fordert der interessierte Zeitgenosse und stellt sich vor die Fronthaube. Nein, die Zeiten, wo im lieb gewordenen Käfer der Motor hinten seine Arbeit verrichtete und von mir aus auch noch die 6-Volt-Batterie rechts unter dem Rücksitz angebracht war, sind nun einmal Makulatur. As time goes by, jener einfühlsame Song aus Michael Curtiz Casablanca, schnürt nicht nur das Herz zusammen, sondern appelliert auch an den Verstand. Ähnlich ist es auch in diesem Fall, denn unter dem vermeintlich rührseligen Stück Blech seligen Angedenkens arbeitet heute modernste Golf-Technik. Die genialen Proportionen des Originals sind der neuen Plattform gewichen und haben auch zu neuer Technik – wie etwa Motor und Antrieb vorne – geführt. Da gehört dann eben auch das Boxermotor-Knattern des Käfers der automobilen Mottenkiste an.

Das macht sich auch im Innenraum bemerkbar. Die Frontscheibe ist weit weg vom Fahrer, weil der Vorderbau einfach länger ist. Und dennoch, bei allen stilvollen Applikationen der Käfer-Postmoderne, ist immer noch Platz für ein paar lieb gewordene Reminiszenzen an die Vergangenheit. Wie der eigentlich ziemlich unnötige Haltegriff vor dem Handschuhfach und die unvermeidliche Blumenvase im Sichtfeld des Fahrers. Fehlen nur noch – um das Maß voll zu machen – die dafür vorgesehene Nelke und die beiden brüchigen Halteschlaufen. So viel an Ehrbezeugung für den Urahnen, kehren wir in die Gegenwart zurück, die uns mehr bietet als nur ein Plagiat glorreicher Erinnerungen.Der (offene) Beetle profitiert von den Vorteilen der Großserien-Plattform, weist ABS und ESP auf und erfüllt Euro 4. Hinzu kommen pyrotechnische Überrollbügel hinter den Kopfstützen in Verbindung mit einem steifen Frontscheibenrahmen sowie Fahrer-, Beifahrer-, Kopf- und Seiten-Airbags vorne. Angenehmes Ledergestühl mit viel Längs- und Seitenführung machen den Probanden, der ein gutmütiges Fahrverhalten an den Tag legt, zum alltagstauglichen Langstrecken-Fahrzeug. Er fährt sich halt wie ein Golf mit gewohnt ausgewogener Federung und Dämpfung. Mit einem Druck auf den Knopf der Fernbedienung am Zündschlüssel öffnet sich das Türschloss. Zieht man an der Türklinke, senkt sich die Seitenscheibe um einige Millimeter. Dadurch lässt sich die Tür auch bei geschlossenem Verdeck leicht öffnen.

Ach ja, das Verdeck. Das ist schnell und praktisch zu öffnen. Einmal drücken, einmal ziehen, einmal drehen. Ein Druck auf die oberhalb der Handbremse angebrachte Taste: Und: surr, runter geht's mit der Stoffmütze. Die verschwindet unter einer wohlgeformten Persenning, deren Befestigung allerdings einigen Kraftaufwand erfordert. Das optionale Windschott (275 Euro) absorbiert lästige Verwirbelungen, die Verwindungssteifheit der Karosserie lässt keine Wünsche offen. Sinnvoll ist allerdings eine (optionale) Einparkhilfe, da sich das Ende des Vorderwagens nur erahnen lässt und hinten der fast schon provozierend aufliegende Stofffetzen die Sicht beeinträchtigt. Der 1.9-Liter-Tdi-Motor mit 105 PS verrät zwar beim Drehen des Zündschlüssels die Selbstzünder-Technik, sorgt jedoch für zügiges Vorwärtskommen und macht sich dank guter Geräuschdämmung auch bei geschlossenem Verdeck nicht störend bemerkbar. 179 km/h Höchstgeschwindigkeit und 12,0 Sekunden für den Sprint von Null auf 100 gibt Volkswagen an. 6,2 Liter Dieselkraftstoff auf 100 Kilometer notieren wir an der Tankstelle. Das liegt gut einen halben Liter über dem Hersteller-Wert. Mit dem 55 Liter fassenden Tank ist da aber schon eine ordentliche Reichweite das Resultat.

Ein Lademeister ist das 2003 eingeführte New Beetle Cabriolet nicht. Aber dieses Attribut galt auch nicht für den 54 Jahre älteren, aufgeschnittenen Käfer. Bis zu 440 Kilo Zuladung packt der Neue, das Gepäckabteil reduziert sich auf 200 Liter und ist zudem nur durch eine kleine Ladeluke zugänglich. Sind dann noch Windschott und Persenning verpackt, sind logistische Fähigkeiten für die Urlaubs-Planung hilfreich. Für 20.450 Euro bietet das New Beetle Cabriolet mit dem 105 PS starken Tdi-Motor eine gelungene Synthese aus Hommage an den offenen Käfer des ersten Jahrgangs 1949 und einem sicheren, komfortablen Cruiser. Der Enkel bewahrt das Andenken des blechernen Großvaters, der ein Jahr nach der Währungsreform die Straßen zum ersten Mal erblickt, in anmutiger und gleichzeitig sachlicher Weise. Oder, um noch einmal für die Schluss-Sequenz nach Casablanca zurück zu kehren: Ich glaube, dies ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Und dafür müssen wir nicht einmal die üblichen Verdächtigen verhaften.

Text: Jürgen C. Braun

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