Ein Autofahrer, der einen Polizisten bei einer Verkehrskontrolle als ¯Wegelagerer® bezeichnet hat, ist vom Bayerischen Obersten Landesgericht vom Vorwurf der strafbaren Beleidigung freigesprochen worden. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dieser Begriff sei in der konkreten Situation vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt gewesen.
Wie die Verkehrsrechts-Anwälte im Deutschen Anwaltverein (DAV) mitteilen, war der Angeklagte von einem Polizisten und dessen Kollegin an einer Kontrollstelle zur Kasse gebeten worden, weil er den Sicherheitsgurt nicht angelegt hatte. Dies hatte er mit den Worten kommentiert: ¯Ah, klar, dass hier kontrolliert wird. Der Wegelagerer ist ja allgemein bekannt.® Nachdem im Zuge der folgenden Diskussion noch mehrmals der Begriff ¯Wegelagerer® gefallen war, stellte der so titulierte Beamte Strafantrag gegen den Autofahrer.
In erster und zweiter Instanz verhängten Amts- und Landgericht gegen den Angeklagten Geldstrafen von 30 beziehungsweise 15 Tagessätzen, doch in der Revision wurde er vom Beleidigungsvorwurf freigesprochen. Es gehöre zum Kernbereich des Grundrechts auf Meinungsfreiheit jedes Bürgers, Maßnahmen der öffentlichen Gewalt ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen zu kritisieren, hieß es in dem Beschluss.
Die Verwendung des antiquierten Begriffs ¯Wegelagerer® könne auch kaum als harscher Vorwurf kriminellen Verhaltens bewertet werden. Es sei dem Angeklagten in erster Linie darum gegangen, die Kontrolle und ihre Umstände zu kritisieren, und nicht darum, den Beamten persönlich zu diffamieren oder herabzuwürdigen. Die Grenze zur als Beleidigung strafbaren Schmähkritik sei hier noch nicht überschritten. Die Geldbuße wegen des nicht angelegten Gurts musste der Angeklagte allerdings zahlen.
Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss vom 20. Oktober 2004
Aktenzeichen: 1 St RR 153/04
¸Verkehrsrechts-Anwälte im Deutschen Anwaltverein