Die nächste Generation: Georgios Dalampakis und Levin Wanders

Ob Titelkampf oder Kellerduell in der LIQUI MOLY HBL, ob Spitzenspiel oder Abstiegsthriller in der Handball Bundesliga Frauen, ob ein Nachbarschaftsderby in der 3. Liga oder die Finalrunde der Deutschen Jugend-Meisterschaft: Seit 2020 können die Schiedsrichter*innen des Deutschen Handballbundes (DHB) bei ihren Einsätzen auf die Unterstützung der KÜS bauen. Die jüngsten Unparteiischen, die das KÜS-Logo auf der Brust tragen, pfeifen im Perspektivkader - und werden dort auf höhere Aufgaben vorbereitet. Eins dieser Schiedsrichter-Teams sind Georgios Dalampakis und Levin Wanders aus Baden-Württemberg. Ein Blick auf die nächste Generation.

Im August 2023 hatten Georgios Dalampakis und Levin Wanders ihr Debüt in der Jugendbundesliga schon vor Augen. Ein halbes Jahr zuvor hatten die beiden Freunde beim renommierten Sichtungsturnier in Biberach überzeugt, nun waren die Ansetzungen für die ersten Spieltage verschickt und das Duo aus Baden-Württemberg fieberte seinem ersten Einsatz für den Deutschen Handballbund entgegen.

Es kam jedoch anders: Eine Woche vor ihrer Premiere riss sich Wanders in der Vorbereitung mit seiner Mannschaft das Kreuzband. „Ich hatte bis dahin gehofft, dass sich das eigene Spielen und das Pfeifen schon irgendwie vereinbaren lässt, weil ich das Gefühl, Teil einer Mannschaft zu sein, noch nicht aufgeben wollte“, erinnert sich Wanders. „Und dann war ich der Grund, dass wir so kurz vor der Saison ausfielen. Es war ein unheimlich großer Frust; gerade, weil Georg gar nichts dafür konnte, aber meine Verletzung ausbaden musste.“

Den notwendigen Anruf beim Chef des Perspektivkaders, Marc Fasthoff, übernahm Dalampakis  aus dem Urlaub heraus für seinen Freund. „Ich habe es nicht geschafft, Marc anzurufen“, sagt Wanders heute. „Ich hatte so eine Angst vor dem Gespräch, denn wir waren ja gerade erst im Deutschen Handballbund angekommen und dann so etwas.“ Dalampakis hatte seine Handballschuhe zu diesem Zeitpunkt bereits zur Seite gestellt. „Die Entscheidung für das Pfeifen war einfach für mich.“

Der frühere Spitzenschiedsrichter Fasthoff nahm die Verletzungsmeldung seiner Neulinge gelassen auf und stellte trocken fest: „Dann wird auch Levin sich in Zukunft wohl für das Pfeifen entscheiden.“ Negative Folgen abgesehen von der Ausfallzeit hatte die Verletzung für das Duo nicht. Während Wanders in der Reha für ein schnelles Comeback schuftete, tingelte Dalampakis mehrere Monate als Einzelschiedsrichter durch den Bezirk. „Der Handball spielt eine große Rolle in unserem Leben und ist auch eine Stütze, wenn es privat oder beruflich nicht läuft“, sagt Dalampakis. „Als das von jetzt auf gleich weggebrochen ist, haben wir gemerkt, wie wichtig uns das gemeinsame Pfeifen eigentlich ist.“

Acht Monate nach der Verletzung kehrte das Duo in Biberach auf das Spielfeld zurück. Den Platz im Perspektivkader hatten sie weiterhin sicher, so ist es bei Verletzungspausen üblich, doch zum Wiedereinstieg war das Turnier ideal. Die Verantwortlichen des Deutschen Handballbundes um Fasthoff sahen ein anderes Gespann als noch ein Jahr zuvor bei der Sichtung. „Uns wurde gesagt, wie sehr wir uns verändert haben und dass wir uns auch charakterlich weiterentwickelt haben“, freut sich Wanders über das positive Feedback. „Obwohl wir nicht gemeinsam pfeifen konnten, sind wir nicht stehen geblieben.“

Bereits kurz nach dem zweiten Auftritt in Biberach gab das Duo dann – ein Dreivierteljahr später als erhofft – sein Debüt in der Jugendbundesliga, bei einem Rückspiel in der K.O.-Runde der Deutschen Meisterschaft der weiblichen B-Jugend. „Das Hinspiel hatte Leipzig gegen Marpingen bereits deutlich gewonnen, es war ein entsprechendes klares Spiel“, erinnert sich Dalampakis. „Wir haben uns einfach unheimlich gefreut, wieder gemeinsam unterwegs zu sein und pfeifen zu können“, betont Wanders.

2018 hatten Dalampakis und Wanders ihre Schiedsrichter-Ausbildung absolviert, einen Lehrgang bei ihrem gemeinsamen Heimatverein HSG Leinfelden-Echterdingen zusammen mit fünf Mitspielern aus der damaligen B-Jugend. Von dem Septett pfeifen heute nur noch Dalampakis/Wanders. „Die einzigen, die übrig geblieben sind“, scherzt Dalampakis. Ihr Vereinsschiedsrichterwart steckte die beiden Jugendlichen zusammen in ein Gespann und „zu zweit hat es mehr Spaß gemacht“, erinnert sich Wanders.

Relativ schnell stellte sich heraus, dass Dalampakis/Wanders Talent mitbrachten, im Sommer 2021 stiegen sie in den Landesverband auf und wurden zwei Jahre später zur besagten Sichtung in Biberach geschickt und durften bei „Jugend trainiert für Olympia“ pfeifen. Die Sichtung an sich lief in Erinnerung gar nicht gut. „Ein Spiel ging von A bis Z in die Hose, wir haben Siebenmeter aus kuriosesten Gründen gegeben und eine rote Karte, die keine war“, erinnert sich Dalampakis. „Nachdem wir das Spiel so verhauen haben, dachte ich nur: Jetzt müssen wir bestimmt heimfahren, schade.“

Das Gegenteil war der Fall und es folgte die Nominierung für den Perspektivkader. Inzwischen haben Dalampakis/Wanders mit der Saison 2024/25 ihre erste komplette Spielzeit in der Jugendbundesliga absolviert – und überzeugten auf Anhieb. Als Erstplatzierte des Kaderrankings stiegen sie zur neuen Saison in den so genannten „Perspektivkader plus 3. Liga“ auf, dessen Schiedsrichter-Teams neben der Jugendbundesliga auch in der 3. Liga der Männer und Frauen eingesetzt werden. „Dass wir am Ende ganz oben standen, hat uns überrascht“, sagt Dalampakis offen. „Damit hätten wir nicht gerechnet. Wir wollten eine gute Rolle spielen und waren auch schnell in einem Flow, aber dass wir so schnell hochgehen, war nicht abzusehen.“

Über den Grund können beide nur spekulieren. „Wir sind relativ empathisch und sehr kommunikativ“, sagt Wanders. „Wir versuchen, auf die Spieler und Trainer einzugehen und ihre Seite zu verstehen, sagen ihnen aber auch, dass wir jetzt eine Entscheidung für das Spiel treffen müssen“, beschreibt Dalampakis, „und wir können uns selbstbewusst verkaufen; auch, wenn ein Pfiff mal falsch ist.

Auf das Abenteuer 3. Liga sind die beiden jungen Schiedsrichter – Dalampakis ist erst 23 Jahre alt, Wanders 22 – sehr gespannt. „Es wird eine Kunst, in der 3. Liga sich die Akzeptanz zu erarbeiten“, weiß Dalampakis. „Ich bin gespannt, wie uns das gelingt.“ Ihre härtesten Kritiker sind sie – wie es bei Schiedsrichtern oft ist – ohnehin selbst. „Wir sind beide sehr ehrgeizig und gehen aus keinem Spiel zufrieden raus“, sagt Wanders. „Wir finden immer etwas, über das wir danach reden müssen.“ Durch die Verletzungsphase fehlt ihnen zudem ein Jahr Erfahrung im Aktivenbereich. „Wir haben Respekt vor der 3. Liga, weil es einfach noch einmal etwas anders ist und gehen die Aufgabe mit Vorfreude und Demut an“, betont Wanders.

Ihr kurz- bis mittelfristiges Ziel ist es, sich in der 3. Liga zu etablieren („wir müssen uns an die neue Härte und das Spielverständnis gewöhnen“), aber langfristig soll es weiter nach oben gehen. „Wir träumen natürlich von der Bundesliga“, sagt Dalampakis. „Das ist unser klares Ziel, auch, wenn es natürlich ein hochgestecktes Ziel ist, aber nur so entwickelt man sich weiter.“ Dafür sind sie bereit, viel zu investieren. „Wir wollen All-in gehen, denn wir haben jetzt die Möglichkeit, beim Pfeifen weit zu kommen“, sagt Wanders und ergänzt mit einem Grinsen: „Ich habe dafür nach der Verletzung auch tatsächlich aufgehört, selbst zu spielen.“ Inzwischen kann Dalampakis auch darüber lachen. „Und wenn es mit dem Pfeifen doch nicht so klappt, wie wir es hoffen“, schmunzelt er, „können wir mit Anfang 30 ja auch beide mit dem Spielen wieder anfangen.“

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