Mercedes-Modelle mit Heckmotor: Raritäten in Ladenburg

Vorkriegsmodelle mit Heckmotor – da denken die meisten Autofans wohl an Volkswagen. Der erste, ab 1934 in Großserie hergestellte deutsche Heckmotorwagen war jedoch der 130 genannte Mercedes-Benz W 23. Sein Nachfolger war ab 1936 als 170 H (für Heck) der Mercedes-Benz W 28 mit größerem Motor, längerem Radstand, größerer Gesamtlänge und anderer Gewichtsverteilung. Beide Modelle stehen heute im Automuseum Dr. Carl Benz in Ladenburg.

Bei der Präsentation im Februar 1934 auf der Internationalen Automobil- und Motorradausstellung (IAMA) in Berlin war der 4,05 Meter lange und mit je 1,52 Meter so breite wie hohe Mercedes 130 (das „H“ führte er nie offiziell) der kleinste Serien-Pkw, der erste Heckmotorwagen und das erste Vierzylindermodell der (heutigen) Daimler-Benz AG. Sein seitengesteuerter, längs eingebauter 1,3-Liter-Reihenmotor leistete 19 kW/26 PS bei 3000/min und verbrauchte 10 Liter/100 km. Mit Vierganggetriebe mit Schnellgang (vor der Hinterachse) wurden 92 km/h Höchstgeschwindigkeit erreicht.

Strömungsgünstige Karosserie mit geschlossenem Bug

Das Fahrgestell mit gegabeltem Zentralrohr und 2,50 Meter Radstand hatte hinten eine Pendelachse mit Schraubenfedern und vorne „achslose“ Einzelradaufhängung an zwei Querblattfedern. Die Lenkung arbeitete mit Ritzel und Zahnstange. Markante Teile der neuen Fahrzeugoptik waren neben der kühlerlosen, geschlossenen Front unter den hinteren Seitenfenstern die Lufteinlassgitter für die Luftzufuhr des über der Hinterachse platzierten Wasserkühlers. Die geschwungene Motorhaube (am Heck!) prägten drei längs verlaufende Entlüftungsschlitze mit darüber angebrachten Abdeckblechen. Mit dieser, für die damalige Zeit günstigen Form lag der Luftwiderstandsbeiwert bei cW = 0,516 – auf dem Niveau eines Mercedes-Benz 230 SL von 1963 mit Hardtop!

Zwei Limousinen-Varianten, aber kaum Sonderkarosserien

Der Typ 130 war als zweitürige Limousine für 3.200 Reichsmark und als zweitürige Cabrio-Limousine für 3.350 Reichsmark lieferbar, während offene Tourenwagen und das blanke Fahrgestell für Sonderkarosserien nur angeboten wurden. Zwar wurden Vorserienexemplare 1934 für Straßen- und Geländewettbewerbe eingesetzt, und in der Folge entstanden auch einige Exemplare mit Kübelwagenaufbau – an denen die Wehrmacht oder Behörden allerdings nicht interessiert waren. Wegen geringen Verkaufserfolgs – ein Grund dafür war die extreme Hecklastigkeit mit 65 % des Fahrzeuggewichts auf der Hinterachse – wurde das Modell 1936 wieder eingestellt.

W 28 mit zwei Karosserie- und Antriebsvarianten

Indirekter Nachfolger wurde der Mercedes-Benz W 28 mit der Verkaufsbezeichnung 170 H (für Heck). Der Wagen wurde im Februar 1936 zusammen mit seinem Schwestermodell, dem Typ 170 V, ebenfalls auf der IAMA in Berlin vorgestellt. Als Limousine (4.200 RM) oder als Cabrio-Limousine (4.350 RM) erhältlich, hatten die Aufbauten zwei hinten angeschlagene Türen. Der Kofferraum des 170 H vorne im Fahrzeug war aber deutlich kleiner als der hintere im Schwestermodell 170 V. Dafür war der 170 H luxuriöser ausgestattet als das Schwestermodell mit Frontmotor, aber um 15 % teurer.

Stärkerer Motor, größere Abmessungen und bessere Gewichtsverteilung

Der längs im Heck eingebaute, seitengesteuerte Vierzylinder-Reihenmotor mit 1.697 cm³ Hubraum leistete als Benziner 28 kW/38 PS bei 3.400/min und entsprach damit dem des Frontmotormodells 170 V. Beide waren bis zu 110 km/h schnell und verbrauchten 11 Liter/100 km. Wie beim 130 lag das Vierganggetriebe mit Schnellgang vor der Hinterachse, und das Fahrgestell entsprach in der Auslegung dem Vorgängermodell. Gegenüber dem Frontmotormodell 170 V – ebenfalls 4,20 Meter lang und mit rund 1,60 Meter so breit wie hoch – war das Fahrverhalten trotz auf 2,60 Meter verlängertem Radstand wegen der Hecklastigkeit schlechter. So wurde der 170 H schon 1939 wegen zu geringer Nachfrage und „Wehruntauglichkeit“ ohne Nachfolger eingestellt.

Informationen zum Museum findet man im Internet unter www.automuseum-ladenburg.de

Fotos: Karl Seiler

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