Das Nötigste, was ein flotter Zwanziger zu dieser Zeit besitzen musste, um im Kreis Gleichgesinnter konkurrenzfähig zu sein, besaß ich damals. Es war 1972, in München fanden die Olympischen Spiele statt, Deutschlands Fußballer waren mit Beckenbauer, Netzer, Overath und Ramba-Zamba (so jedenfalls stand es in der Bild-Zeitung) soeben Europameister geworden. Zu meinem persönlichen Outfit gehörten eine superenge Schlaghose, ein lindgrüner Cord-Anzug mit schreiend buntem Flower-Power-Hemd und elend hohe hölzerne Cloque-Sandalen, die auf den Pflastersteinen klapperten wie die Messdiener mit ihren Ratschen in der Karwoche.
Wen wundert es also, dass sich angesichts solch juvenilen Überschwanges auch unsere ersten Autos – je nach Geldbeutel und dessen Inhalt – optisch an der allgemeinen Aufbruchstimmung orientieren mussten. Manch seinerzeit angesagter Döschwo erfreute sich einer Unzahl freundlicher Gänseblümchen aus der Kategorie Abziehbild auf der Haube, und den unverwüstlichen Rännovier gab es in allen möglichen plakativen Ostereier-Farben. Diese hatten zudem auch noch den Auftrag und waren willens, erste Rostbeulen mildtätig zu kaschieren. Doch darüber hinaus existierte noch ein Fahrzeug, das unsereins magisch anzog: Flach, lange Schnauze, chic, flott. Und dann vor allem diese Farbenpracht. Irgendwann sollte ich auch einen bekommen, auch wenn er sich nicht sehr lange hielt bei mir: Ein Ford Capri. Einer in sattem – sehr speziellem – Grün. Mit einem schwarzen Vinyldach. Ein Traum von Auto.
Und jetzt kommt heute diese Pressemeldung von Ford: 40 Jahre Ford Capri. Waaaas? 40 Jahre? So lange ist das schon her? Jedenfalls so lange, dass es sich lohnt, einen Blick in die Geschichte eines Autos zu werfen, das sich später seines Kult-Status gar nicht mehr erwehren konnte. Ein Capri, das war Anfang der 70er Jahre ein Fahrzeug, das einen Hauch von James-Dean-Revoluzzertum mit der entsprechenden inneren Haltung – auffallend auffällige Kraftdemonstration des kleinen, jungen, aber nicht vom materiellen Überfluss gesegneten Mannes. Ein richtiges Traumauto für den Hausgebrauch. Keines von der Sorte, die man höchstens mal in Katalogen, auf Messen oder im Fernsehen sah.
Ganz nüchtern, sachlich, betrachtet (aber geht das überhaupt bei einem solchen Fahrzeug?) war der Ford Capri ein Sportwagen mit genügend Platz für vier Personen und einem großen Kofferraum. Deswegen bemühte sich Ford Ende der 60er Jahre, nicht nur die angestrebten jungen Käuferschichten anzusprechen, sondern auch den reiferen Jahrgängen klar zu machen, dass dieses Fahrzeug auch durchaus Familienkompatibel sei. Auch dem gesetzteren Autofahrer, so ließ Ford damals verlauten, vermittle der Capri eine sehr persönliche Freude am fahren. Denn der gesetztere Fahrer von heute kauft einen Wagen, der chic, patent und sportlich sein muss. Im Stil der Zeit eben.
Im Januar 1969 gab der flotte Kölner seine internationale Publikumspremiere auf dem Brüsseler Automobilsalon. In der Bonner Beethovenhalle wurde er noch im gleichen Monat der internationalen Presse vorgestellt. Am 5. Februar 1969 kam er dann erstmals in die Schauräume der Ford-Händler. Das war der Anfang der Erfolgsgeschichte vom Ford Capri, der eigentlich zuerst Colt heißen sollte. Doch dieser Name war schon von Mitsubishi besetzt gewesen.
Mehr dazu im zweiten Teil morgen auf www.kues.de.
Text: Jürgen C. Braun / Fotos: Ford