Das Swing-Album Männersachen hat ihn auf einen Schlag bekannt gemacht: Interessanterweise sprachen danach einige Medien von einem durchgestylten Konzept mit Erfolgsgarantie, ich wurde sogar mal als eine 'One-Man-Boygroup' bezeichnet, sagt Roger Cicero rückblickend, und diese Einordnung amüsiert ihn zu Recht. Denn: Das Gegenteil war der Fall: Das Risiko, alles auf diese eine Karte zu setzen und alle anderen lebensnotwendigen Jobs aufzugeben – anfangs sogar noch ohne Plattenfirma im Rücken -, hat mir eine nicht besonders ruhige Zeit beschert.
Kurz, es war die Zeit, in der er sich als junger Musiker durchkämpfen musste. Der Sohn eines renommierten Musikers zu sein – das war bei Roger Cicero keine bequeme Startposition mit allerlei Sicherheiten im Rücken, und vor allem wollte er keine Kopie des berühmten Jazz-Pianisten Eugen Cicero sein. Kurz nach Veröffentlichung der CD Good Morning Midnight mit Julia Hülsmann kam dann doch der ganz große Durchbruch.
Die Prägung durch den berühmten Vater freilich leugnet Roger Cicero nicht: Mein familiärer Background ist Jazz, sagt er und ergänzt im Hinblick auf die heute erscheinende CD: Bekannt geworden bin ich mit Big-Band-Swing, meine persönlichen Wurzeln aber liegen im Soul und Funk – all das haben wir nun umgesetzt. Das Album wird also meiner Art gerecht – womit der Titel der CD auch treffend erklärt ist.
Ich bin auf diesem Album erstmals seit Langem einer alten Leidenschaft nachgegangen und habe viele Chöre arrangiert und eingesungen, mit Gospel-Elementen gearbeitet und mich in jeder Hinsicht ausgetobt. Ich denke, so ist noch mal eine ganz neue Klang-Facette hinzugekommen, beschreibt er die Idee hinter der CD.
Dafür wurde eine Band aus Jazzspezialisten durch Percussion und Gitarre erweitert. Zusätzlich setzt Arrangeur und Band-Leader Lutz Krajenski ein Instrument ein, das mal sehr en vogue war, aber heute – leider – fast schon vergessen scheint. Ja, genau, was da so eigenartig (und positiv) auffällt, ist tatsächlich die Hammond-Orgel.
Doch nicht alles an Artgerecht ist neu. Roger Cicero setzt wie bisher auf die Zusammenarbeit mit seinen Produzenten Frank Ramond und Matthias Hass. Aus ihr entstand auch der Titel Tabu als einzige klassische Ballade des Albums.
Dass das Unterwegs-Sein heute für Roger Cicero einen anderen Stellenwert hat als früher, liegt nicht bloß an dem Erfolg, der ihm seit Männersachen treu geblieben ist und er jetzt besser planen, vielleicht auch mit Auftritten wählerischer sein und mehr Ruhepausen einplanen darf. Die entscheidende Veränderung in Ciceros Leben, die auch die CD geprägt hat, ist rein privater Natur: Ich habe nie etwas so Einschneidendes erlebt wie die Geburt meines Sohnes im vergangenen Jahr. Man ist ja auf vieles vorbereitet, aber das Ganze hat mich derartig beeindruckt, dass mir der Song binnen weniger Stunden fast von allein zugefallen ist. Seit Louis da ist, bestimmt er einfach alles – Tages- und Nachtrhythmus, was geht und was eben nicht geht.
Doch Vaterfreuden hin, schlaflose Nächte her: Roger Ciceros drittes Album klingt absolut ausgeschlafen und entspannt. Auch wenn Louis Cicero jetzt in gewisser Weise das Zeitmanagement der Familie übernommen hat – was Papa Roger freimütig zugibt: Viele Konzerte zu spielen, das ist ein Idealzustand für Musiker. Und wenn ich zu Hause bin, dann bin ich Vollzeitpapa – ich bin das von früher selbst nicht anders gewohnt, es ist ganz einfach … artgerecht.
Foto: Sven Sindt