Früh übt sich: Als Paolo D’Oria 2016 das erste Mal im Männerbereich pfiff, war er gerade einmal 14 Jahre alt – und es war überhaupt erst der dritte oder vierte Einsatz als Unparteiischer. „Unser Schiedsrichterwart Robert Nemec hat uns sehr gefördert und früh versucht, unsere Entwicklung in die richtige Bahnen zu lenken, damit wir möglichst viel lernen“, erinnert sich D’Oria. Sein Gespannpartner Julius Hlawatsch war – als gerade mal 17-Jähriger und mit drei Jahren Erfahrung an der Pfeife – der Routinier im Team.

Dass ihr Schiedsrichterwart den richtigen Riecher gehabt hatte, stellten D’Oria/Hlawatsch in den folgenden Jahren unter Beweis. Drei Jahre später waren die beiden Freunde, die beide im Kindergartenalter über die Minis des TSV Schleißheim zum Handball gekommen war, bereits in der Landesliga und Bayernliga unterwegs. Die Zwangspause durch die Pandemie war nur ein zwischenzeitlicher Stillstand, 2021 folgte die Nominierung für den Perspektivkader des Deutschen Handballbundes.
Seitdem sind die beiden Bayern in der Jugendbundesliga im Einsatz – und seit dieser Saison zusätzlich in der 3. Liga der Männer und Frauen. „Jede Liga tickt anders“, beschreibt Hlawatsch die neue Herausforderung. „Die Spieler und Trainer kennen dich nicht, du kennst die Spieler und Trainer nicht. Das merkt man am Anfang immer.“ Auch spielerisch müsse man sich erst einmal an das andere Level gewöhnen: „Wir müssen erst lernen, wie viel Härte wir beispielsweise zulassen können und welche Linie von den Mannschaften akzeptiert wird.“

Im Januar 2025 gab das Duo völlig überraschend sein Debüt in der 2. Bundesliga der Frauen. „Wir durften aushelfen, weil die Schiedsrichter aus dem Elite-, Bundesliga- und Nachwuchskader auf ihrem Halbzeitlehrgang waren“, erklärt Hlawatsch. So ging es für das bayrische Gespann zur Partie VfL Waiblingen gegen ESV Regensburg. „Das war eine tolle Erfahrung“, freut sich D’Oria. „Saucool“, nennt es Hlawatsch.
Der Einsatz war ein Vorgeschmack auf die mögliche nächste Stufe, die D’Oria/Hlawatsch anstreben – aus dem Perspektivkader soll der Sprung in den Nachwuchskader gelingen. „Das wäre der ‚next step‘ für uns“, sagt D’Oria offen. „Damit das gelingt, müssen wir unsere Leistung in der 3. Liga so festigen, dass wir jedes Spiel gut managen können.“
Mit ihrer Entwicklung in den vergangenen Monaten sind die Freunde auf jeden Fall zufrieden. „Wir haben in einer unglaublichen kurzen Zeit unglaublich viel gelernt“, betont Hlawatsch. Gerade in Sachen Persönlichkeit und Kommunikation seien die Fortschritte immens: „Es gelingt uns immer besser, ganz bewusst mit den Akteuren des Spiels in den Dialog zu gehen.“ Die beiden Schiedsrichter arbeiten inzwischen auch verstärkt im mentalen Bereich, um sich auf jeder Ebene weiterzuentwickeln. „Wir können beispielsweise immer besser umsetzen, dass wir je nach Liga und Spiel in der Kommunikation differenzieren müssen“, erklärt D’Oria. „Deine Signale werden von einem Jugendspieler anders wahrgenommen als von einem alten Hasen in der 3. Liga.“

Neben rund 20 Drittligaspielen und regelmäßigen Einsätzen in der Jugendbundesliga durften sich D’Oria/Hlawatsch auch über zwei ganz besondere Spiele freuen: Im Beachhandball, wo die beiden Freunde im Sommer unterwegs sind, erhielten sie bei ihrer ersten Jugend-Europameisterschaft auf Anhieb das U16-Finale der Mädchen.
„Das war mit den Nationalhymnen in dem Stadion direkt am Meer definitiv ein Gänsehautmoment, an den wir uns gerne zurückerinnern“, betont D’Oria. „Ein unvergesslicher Moment“, sagt auch Hlawatsch. „Ein Medaillenspiel ist eine Belohnung für deine Leistung im Turnier und damit im Gegensatz zu einem Aufstieg, den du dir über eine lange Saison verdienst, eine unmittelbare Anerkennung.“
Wenige Monate später durften D’Oria/Hlawatsch beim Deutschland-Cup im Dezember 2024 mit dem kleinen Finale um die Bronzemedaille erneut ein entscheidendes Spiel leiten. „Das sind immer besondere Ansetzungen für uns als Schiedsrichter, weil wir Teil von einer ganz besonderen Partie für Spieler und Trainer sein dürfen“, beschreibt Hlawatsch. Das sei auch der Reiz, den das Pfeifen generell für sie habe: „Wir dürfen beim geilsten Sport der Welt in vorderster Reihe dabei sein.“

Ihre berufliche Karriere als Polizist (D’Oria) und Lehrer (Hlawatsch) lässt sich gut mit der Schiedsricher-Laufbahn vereinbaren; beide Berufsfelder sind unter den Unparteiischen des Deutschen Handballbundes ohnehin öfter vertreten. „Beide Seiten profitieren voneinander“, unterstreichen D’Oria/Hlawatsch unisono – beispielsweise gehe es immer um eine Kommunikation auf Augenhöhe.
Ihr langfristiges Ziel ist klar: Der Elitekader, der höchste Schiedsrichterkader in Deutschland. „Das ist für alle jungen Schiedsrichter im Perspektivkader natürlich ein Orientierungspunkt“, sagt Hlawatsch. „Wir wissen aber sehr genau, dass wir noch sehr viel lernen müssen, um vielleicht einmal dort anzukommen.“ D’Oria stimmt zu: „Es wäre natürlich schön, wenn es irgendwann klappen würde, aber es ist gerade noch viele Gedankensprünge entfernt. Im Kopf haben wir im Moment unsere Entwicklung in der 3. Liga, die wir Schritt für Schritt machen wollen.“
Fotos: DHB & Julia Nikolait