Resilienz, diese Kraft, Belastungen auszuhalten und zugleich kühne Wege in die Zukunft zu wagen, ist in krisenhaften Zeiten wie heute besonders gefragt. Mit Resilienz lassen sich auch Rückschläge überwinden, die speziell ingenieurgetriebene Unternehmen wie Mazda bei revolutionären technischen Kabinettstückchen immer wieder erfahren.

Mit individuellem Auftritt ohne Imponiergehabe, elegant und mit spektakulärer Antriebstechnik, so sollten die Xedos-Luxusliner vor 30 Jahren in den Schauräumen exklusiver Mazda „Plus-X“ Händler ein paar Premium-Sterne vom Himmel holen. Eine erfüllbare Mission, glaubten die Mazda-Manager im rheinischen Leverkusen noch beim leicht verspäteten deutschen Medien- und Marktlaunch des Xedos 9 im Herbst 1993. Schließlich hatte schon zehn Jahre zuvor der Mittelklassetyp Mazda 626 demonstriert, welche Premium-Talente in den fernöstlichen Volumenmodellen schlummern: Als erster Japaner schlug ein preiswerter 626 im Vergleichstest den prestigieusen Mercedes 190, und in den Verkaufszahlen übernahm der Mazda 626 prompt eine Führungsrolle im Importsegment. Dieser Erfolg wurde durch den Mazda 323 in der Kompaktklasse ausgebaut, und so konnte Mazda Deutschland 1990 zum ersten Mal ein Jahresergebnis von mehr als 100.000 Einheiten nach Hiroshima melden.

In jenem Jahr der deutschen Wiedervereinigung sondierten die Japaner gerade ihre Chancen im Projekt Eunos für Europa, denn das neue Nobel-Label Eunos sollte sich ein Stück von der hochprofitablen Luxustorte abschneiden, besonders mit den Limousinen 500 und 800. Hinzu kam das Coupé Eunos Cosmo, dieser bahnbrechende Zweitürer überraschte mit der global ersten modernen GPS-Navigation mit Touchscreen-Display und dem weltweit ersten Drei-Scheiben-Wankel, der es sogar mit dem neuen V12 im BMW 850i aufnehmen konnte. Ihre neuen Premium-Botschafter testeten die Japaner auf deutschen Autobahnen, und sie beauftragten Manfred Gotta, den deutschen Guru unter den Markenmachern, mit einer Namensfindung speziell für die Märkte der Alten Welt. Ein Kunstwort sollte es sein, das vom X-Faktor sowie von Luxus, Lifestyle und Exklusivität kündete. X wie Xedos, ersann Manfred Gotta daraufhin, und dieser Schriftzug schmückte fortan das von Eunos 500 und 800 in Xedos 6 und Xedos 9 umgebadgte Limousinen-Duo während das Cosmo Coupé dem Heimatmarkt vorbehalten blieb.

Schon der Xedos 6 brachte fast alles mit, was für Prestigemodelle im Revierkampf mit den deutschen Platzhirschen, aber auch mit Saab 900, Volvo 850 oder Lancia Thema unverzichtbar war. Etwa eine Qualitätsanmutung, die sogar den 1993 frisch inthronisierten VW-Vorstandsvorsitzenden Ferdinand Piëch beeindruckt haben muss. Piëch, von seinen Fans liebevoll „Fugen-Ferdi“ genannt, war bekannt dafür, kompromisslose Qualität an kleinen Spaltmaßen zu messen, und da lieferten die Xedos-Limousinen nun neue Referenzwerte. Die Karosseriespaltmaße waren um bis zu einem Drittel schmaler als bei herkömmlichen Mittelklassemodellen, hinzu kamen bündig eingesetzte Scheiben und neuartige Türdichtungen, die Wind- und Fahrgeräusche auf das Niveau mindestens doppelt so teurer deutscher Luxustypen reduzierten. Gleiches galt für die Laufruhe des bis zu 106 kW/144 PS leisteten 2,0-Liter-V6-Benziners im Xedos 6, der Oberklasse-Noblesse mit Motoren-Downsizing verband. Vibrationsarm wie eine Turbine lief dieses Triebwerk und bestand nach Journalistenmeinung sogar den legendären Münztest: Stellte man eine Münze hochkant auf den Motor, fiel diese nicht um. Ein kurzhubiger, kleinvolumiger V6 aus Alu, der im Duell mit Mercedes C-Klasse, Audi A4 auch durch Effizienz auffiel: 6,0 Liter Normverbrauch bei 90 km/h waren sensationell – und auch dem Leergewicht des Xedos von nur 1.190 Kilogramm zu verdanken, so wenig wie heute ein kleiner VW Polo auf die Waage bringt.

Was dem Xedos trotzdem fehlte, war ein Dieselmotor, damals unerlässlich für Erfolge im Dienstwagengeschäft. Stattdessen legten die Japaner im Xedos 6 mit einem billigen 1,6-Liter-Vierzylinder nach – und zündeten im Flaggschiff Xedos 9 im Jahr 1995 ein besonderes Leuchtturmprojekt des Motorenbaus. Der weltweit erste 2,3-Liter-V6-Miller-Cycle-Motor, benannt nach dem Erfinder Ralph Miller, sorgte mit länger geöffneten Einlassventilen und Comprex-Druckwellenlader für eine bessere Leistungseffizienz, geringeren Verbrauch und weniger Emissionen als bei herkömmlichen Verbrennern. Tatsächlich begnügte sich der Xedos 9 V6 mit nur 6,3 Litern bei Tempo 90. Aber an beeindruckender Drehmomentstärke über ein breites Band, so wie beim gleichfalls neuen Mercedes 2,3-Liter-Kompressormotor festzustellen oder beim Saab 2,3-Liter-Turbo-Triebwerk, fehlte es dem Mazda. Überdies war der in unaufdringlicher Eleganz gezeichnete Mazda mit Miller-Cycle teurer eingepreist als die Konkurrenten Mercedes E280 und BMW 528i und nicht mehr weit entfernt vom staatstragenden Audi A8.

Da blieb dann die erhoffte große Publikumsresonanz auf das teure Miller-Prinzip aus, weshalb Mazda diesen Motor mit dem ersten großen Facelift des Xedos 9 einstellte und stattdessen auf die konventionelle Kraft eines 2,5-Liter-V6 vertraute. So lag es bei den Xedos-Modellen ähnlich wie beim Wettbewerb vor allem an der verführerischen Verpackung: „Tokimeki“ (Japanisch für „Herzklopfen“) sollte laut Mazda Marketing endgültig die Kaufentscheidung auslösen. Das genügte jedoch nicht, die anfangs postulierten Absatzziele verfehlten die Premium-Mazda sogar in Deutschland als größtem Markt um 75 Prozent, bis Mazda 2003 für Xedos endgültig die Reißleine zog. Noch früher endete übrigens das Eunos-Experiment in Asien.

Wer nun denkt, das war’s mit Experimenten bei Mazda, der irrt. Es ist der Mut, neue Wege zu wagen, der die Welt vorantreibt. Aufgeben gilt bei technologieverliebten Marken nicht, und so kommt 2023 der längst totgeglaubte Mazda-Wankel im kompakten MX-30 wieder, während der Mazda CX-60 dann mit neuen Sechszylindern gegen den Zeitgeist der Elektrifizierung fährt.

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