Zwar gab es bereits einige Ponton-Vorreiter wie Borgward Hansa und Fiat 1400, aber letztlich wurde das Design der Kompaktwagen-Klasse in Deutschland durch die erste Nachkriegsentwicklung vom Niehler Rheinufer geprägt. Dafür nutzten die Kölner internationale Assistenz: Ford-USA gab die Grundform vor, Ford-Frankreich realisierte Prototypen beim Karossier Chausson und Ford-Deutschland übernahm den Feinschliff. Zu diesen Finessen zählte auch das frische Logo mit den Buchstaben „F-K“ für Ford-Köln, das M für „Meisterstück“ in der Modellbezeichnung 12 M und eine markante Weltkugel oberhalb des chromglitzernden Grills. Ein Aufwand, der lohnte: Über ein Jahrzehnt blieb der stilprägende Taunus härtester Herausforderer von Opel Olympia/Rekord und VW Käfer. Und er setzte sogar Akzente im Premiumsegment mit Chrom und Cabrio.
Hurra, wir leben wieder: Vor 70 Jahren fanden die Deutschen zurück zu zaghaftem Wohlstand. Das neu eingeführte reguläre TV-Programm gönnten sich 1.000 stolze Besitzer eines exorbitant teuren Fernsehgeräts, alle anderen verfolgten die ersten staatstragenden Auftritte der jungen britischen Queen Elizabeth auf den Kinoleinwänden. Der bundesdeutsche Durchschnittsverdienst lag noch bei bescheidenen 400 Mark im Monat, aber Urlaubsfahrten wurden populär und die Verkehrsdichte nahm rasant zu. München legte 1952 sogar den ersten Zebrastreifen an, schwangen sich doch immer mehr Menschen vom Motorradsattel in Volkswagen Käfer oder Opel Olympia. Zaghaft aktualisierte Vorkriegskonstruktionen, die plötzlich einen ultramodernen Konkurrenten erhielten: Den Ford Taunus 12 M in glattflächigen Formen, mit großen Fenstern, viel Platz für fünf Passagiere und Gepäck, mit vorderer Einzelradaufhängung und überraschend kleinen Rädern (13 Zoll statt sonst üblicher 15 oder 16 Zoll) zugunsten niedrigen Schwerpunkts und unproblematischer Fahreigenschaften. Auch die vordere Einzelradaufhängung war eine Innovation in der deutschen Mittelklasse. Klar, der 1,2-Liter-Motor war noch ein alter Bekannter aus den 1930ern, aber Ford bereitete bereits ein neues 1,5-Liter-Triebwerk vor, das drei Jahre später unter dem Typencode 15 M reüssierte.
So viel zukunftsweisende Technik aus der Domstadt, die er lange Zeit als Bürgermeister regiert hatte, veranlasste sogar Bundeskanzler Konrad Adenauer zu einem freundlichen Grußwort. Tatsächlich sorgte der Taunus 12 M nicht nur an den Fließbändern für Vollbeschäftigung, er avancierte auch zum globalen Exporterfolg, ganz wie es die Weltkugel am Kühler versprach. In Ländern wie Schweden setzte er sich gegen parallel verkaufte Ford made in England durch und punktete überdies gegen den Buckel-Volvo im Vorkriegs-Fastbackdesign. Auf rauen Pisten in Afrika und Asien demonstrierte der Taunus Robustheit, und in Deutschland gewann er auch Fans im Flottenmanagement von Behörden und Hilfsdiensten. Sogar der ADAC-Pannendienst kaufte den progressiven Taunus als Alternative zum konventionellen Käfer. Im Vergleich zum Volkswagen war der Taunus deutlich kostspieliger, und als auch noch Opel die Preise für den altbackenen Olympia reduzierte, musste Ford einen Joker ziehen: Die mager ausgestattete und günstiger eingepreiste Sparvariante seines „Meisterstücks“, den Ford 12.
Letztlich jedoch blieben es die zweitürigen, knapp über vier Meter messenden „M“-Limousinen, mit denen Ford seine Fließbänder auslastete, ergänzt um einen variablen Combi, nutzwertige Kastenwagen, einen Pick-up sowie ein exklusives Cabriolet zu exaltierten Preisen, für die es bei Porsche bereits den legendären Typ 356 gab. Mit diesem breiten Portfolio konterten die Kölner die Produktoffensive der damaligen General-Motors-Tochtermarke Opel, die beim 1953 präsentierten Olympia Rekord plötzlich ebenfalls auf das Pontondesign setzte. Auch Mercedes ersetzte seine konservativen 170er Typen allmählich durch den neuen 180, natürlich in angesagter Pontonform. Prompt schoben sich die Stuttgarter in der deutschen Zulassungsstatistik vor den „neuen Stern am Autohimmel“, wie Werbetexter den Ford 12 M provokativ beschreiben. Ford Taunus 12 M versus Mercedes 180? Tatsächlich zielten beide Marken mit ihren Basisbaureihen auf dieselbe Klientel, nämlich die gutverdienenden Freiberufler und Gewerbetreibenden. Heute kaum zu glauben, aber 1952 konnten sich nur vier Prozent der Bevölkerung einen Neuwagen leisten, wie Ford in einer Pressekonferenz erklärte. Bei diesen Besserverdienenden war allerdings der Anteil derjenigen, die dann doch gleich einen Ponton-Mercedes (oder auch Opel Kapitän) fürs gesellschaftliche Prestige kauften statt des preiswerteren Ford oder VW, hoch.
Mitte der 1950er Jahre erreichte das durch Steuersenkungen für Industrie, Handel und Landwirtschaft beschleunigte „deutsche Wirtschaftswunder“ einen Höhepunkt, und modische Möbel im Nierenstil sowie amerikanische Lifestyle-Insignien à la Autos mit Chromglitter und Heckflossen waren gefragter denn je. Ford reagierte auf den Trend mit einem Facelift für den Taunus 12 M, dessen Kühlergrill nun ein „Dollargrinsen“ zeigte. Dagegen sollte der optisch fast baugleiche, aber mit neuem 40 kW/55 PS starkem Vierzylinder vorfahrende 15 M die Wartezeit bis zum Debüt der Mittelklasse 17 M überbrücken und eine Alternative zu 1,5-Liter-Limousinen von Opel, Peugeot oder Borgward bieten. Innen boten die Taunus-Modelle weiterhin „Wohnkomfort der Weltklasse“, wie das Marketing erklärte, außen vermittelten nun
neuartige bunte Metallic-Lacke auf Nitro-Zellulose-Basis einen Glanz, wie ihn sonst Straßenkreuzer auf dem Hollywood Boulevard zur Schau stellten.
So viel Vorsprung durch Design ermöglichte dem Ford eine überraschend große Modellkonstanz: Kein neues Kleid im Zwei-Jahres-Turnus wie bei Taunus-Konkurrenten, sondern eine elf Jahre währende Produktionszeit. Ab 1959 allerdings mit flacherem Dach, größerer Heckscheibe und filigranen C-Säulen und meist mit weißen Seitenstreifen als Premium-Attribut. Nach gut 600.000 Einheiten folgte 1962 der nächste Ford-Schritt: Der 12 M (P4) mit Frontantrieb, aber das ist eine neue Geschichte. Heute schreibt der Focus die Erfolgsstory der kompakten Ford fort, allerdings nicht mehr lange: Ein vollelektrischer Crossover macht sich bereits startklar, auf Basis der von VW gestellten MEB-Plattform. Ob Henry Ford II dazu „Yes!“ gesagt hätte?
Fotos: Ford