Carrera, so hieß zuletzt Anfang der 1960er der stärkste und im Motorsport auf Sieg abonnierte Porsche 356. Auch beim 911 Carrera RS ging es 1972 um Emotionen und Erfolge im Rennsport.
Möglich machte dies auch eine magische Zahl: „5“, diesen Wert vor dem Komma für den Sprint auf Landstraßentempo realisierte damals als einziges Serien-Supercar der Carrera RS. Schnell mussten allerdings auch Kaufwillige sein, hatte doch Porsche sein bis dahin stärkstes und mit 2,7-Litern hubraumgrößtes Auto mit Boxer-Kraftwerk (20 PS bzw. rund 350 cm³ mehr als ein 911 S) auf 500 Einheiten limitiert, mithin exakt die von der FIA geforderte Stückzahl zur Motorsport-Homologation. Am Ende wurden es mehr als drei Mal so viele Carrera RS und RSR – das eigentliche Rennauto. Die selbstbewussten Preise ab 33.000 Mark – gut 40 Prozent mehr als ein Porsche 911 T und sogar das Doppelte eines Ford Capri RS – passten offenbar zu den Ambitionen des Flügelstürmers mit Carrera-Schriftzügen.
Benannt nach dem Straßenklassiker Carrera Panamericana in Mexiko und Synonym für Siegfähigkeit, entfaltete der 911 Carrera RS seine eigene Magie. Schon einen Monat nach Marktstart war die Startauflage vergriffen und Porsche erhöhte mehrmals die geplante Produktion. Als im Juli 1973 der 1.580ste und letzte Carrera RS gebaut wurde, stand bereits das 911 G-Modell in den Startlöchern, um die Erfolgsstory des Leistungsträgers fortzuschreiben. Welch gutes Langzeit-Investment der Erwerb eines frühen 911 RS sein konnte, zeigte sich nach der Jahrtausendwende, als die ersten Carrera mit Kotflügelverbreiterungen und Spoilern Liebhaberpreise nahe der Eine-Million-Euro-Marke erzielten.
Zurück zu den Anfängen vor 50 Jahren. Das Kalkül des neu inthronisierten Porsche-Vorstandsvorsitzenden Ernst Fuhrmann war aufgegangen: Der wilde Carrera RS, lackiert vorzugsweise in Hingucker-Farben wie Grand-Prix-Weiß mit farbig abgesetzten Rädern, grellem Signalgelb oder leuchtendem Blutorange, öffnete die Scheckbücher betuchter Sportfahrer und Prominenter – darunter Fußballstars wie Uli Hoeneß – und rückte so auch die restliche 911-Palette wieder ins Rampenlicht, die sich bald durch Zubehör im Carrera-Look optisch nachschärfen ließ. Gänsehaut-Gefühle verursachte der Schwabenpfeil mit Entenbürzel sogar bei Autotestern der Fachmedien, genügten ihm doch 154 kW/210 PS, um italienische Highspeed-Ikonen wie Ferrari 365 GTB/4 und Maserati Ghibli beim Beschleunigungsderby zu entzaubern.
Vom Katapulteffekt war die Rede, wenn der erst bei 7.300 Touren begrenzte Boxer in rund zehn Sekunden auf Tempo 140 jagte. Erst oberhalb von 200 km/h – die Höchstgeschwindigkeit des Carrera RS lag bei 245 km/h – konnten sich Maranello-V12 und Modena-V8 auf Autostrada del Sole wie deutscher Autobahn nachdrücklich absetzen. Auf legendären Rennstrecken wie der Targa Florio sah es allerdings anders aus, dort erwies sich die mindestens 221 kW/300 PS leistende, extrem leichte Version Carrera RSR für die Favoriten von Ferrari, Alfa und Lancia als unschlagbarer schneller Racer. Auch die 24 Stunden von Daytona und die prestigeträchtigen 12 Stunden von Sebring sahen Carrera RSR vorn und sogar der Weltmeistertitel der Challenge Mondiale 1973 (umfasste die Läufe Nürburgring, Targa Florio, Spa und Le Mans) ging an Porsche.
Leicht, leichter und noch leichter lautete auch das Leistungs-Geheimnis der voll alltagstauglichen Homologationsversion des 911 Carrera RS. Schon das erste Pressecommuniqué anlässlich der Premiere des Überfliegers auf dem Pariser Salon sprach von vereinfachter Innenausstattung und Verwendung von Kunststoff und Aluminium, um ein Federgewicht von 900 Kilogramm zu erreichen. Ein PS traf beim Carrera RS auf nur noch 4,3 Kilogramm gegenüber 5,7 Kilo beim bisherigen Toptyp 911 S. Tatsächlich hatten die cleveren Porsche-Techniker keinen Kniff ausgelassen, um beim Carrera jedes überflüssige Gramm zu eliminieren. Spoiler und Motorhaube bestanden aus Kunststoff, die Sicherheitsverglasung wog weniger, die Fondsitze entfielen, vorne kündeten harte Schalensitze von Rennambitionen, Dämmmaterial war ebenso verzichtbar wie Handschuhfachdeckel, Türarmlehnen, Ablagefächer, Ersatzrad und die Beifahrer-Sonnenblende. Als Türöffner genügte ein Lederriemen und statt Typenemblemen gab es Aufkleber. Wer wollte, konnte auch noch die auffälligen Carrera-Schriftzüge an den Fahrzeugflanken abbestellen.
Im Herbst 1973 feierte dieses Auto noch ein spezielles Revival. War doch die Frankfurter IAA der Premierenort für den ersten Prototyp des Porsche 911 Turbo, der 1974 in Serienproduktion ein neues Leistungszeitalter einleitete.
Dieses Auto orderte dann auch einer der prominentesten Porsche-Fahrer: Herbert von Karajan, weltweit gefeierter Star-Dirigent. Allerdings durfte es kein gewöhnlicher Turbo sein, sondern Herbert von Karajan orderte eine durch Porsche-Chef Ernst Fuhrmann freigegebene Sonderanfertigung, die dem federleichten Carrera RS ein Denkmal setzte. So kombinierte der Turbo das Rennsport-Chassis des Carrera RSR mit der Karosserie des Carrera RS und dazu gab es die Martini-Racing-Farben des 911 Carrera RSR Turbo 2.1, der in Le Mans 1974 Platz zwei errang. So viel Aufwand war dem Dirigenten ein eigenes Kunstwerk wert: Der Porsche Carrera RS schmückt das Klassik-Album „Berühmte Ouvertüren“.