Diese Präsenz im kollektiven Gedächtnis gelang dem Granada auch durch den Einzug in die Populärkultur, besonders als spektakulär driftender Dienstwagen legendärer TV-Krimi-Kommissare. War es etwa in der englischen Serie „Die Profis“ ein Granada des CI-5-Chefs Cowley, der mit Sprüngen durch Glasscheiben Spannung erzeugte, boxte sich in Deutschland der exzentrische und doch so bodenständige Duisburger Tatort-Kultkommissar Schimanski in den 1980ern mit dem großen Ford zu rasanten Erfolgen durch. Großbritannien und Deutschland, diese Länder stehen aber auch für den Anfang der Consul/Granada-Geschichte im Jahr 1968.
Damals entschied die amerikanische Ford-Mutter, dass die künftige Flaggschiff-Baureihe ihrer europäischen Töchter-Divisionen eine gemeinsame Entwicklung sein sollte, um Kosten zu sparen. Falsch gehofft: Consul/Granada wurde ein Mammut-Projekt, das eine halbe Milliarde Mark kostete, mehr als bis dahin jedes andere Ford-Modell. Das Ergebnis konnte sich aber auch sehen lassen: Mit hochmoderner Schräglenker-Hinterachse brüskierte der stattlichste Ford manchen Premium-Platzhirsch, mit gewaltigem Radstand von 2,77 Meter übertraf der Granada den Opel Commodore um zehn Zentimeter, vor allem aber toppten die Ford-Flaggschiffe die staatstragenden Mercedes S/SE-Limousinen der Baureihe W108/109. Auch der Jaguar XJ6 hatte nicht mehr innere Größe zu bieten, was speziell Ford England als Triumph feierte. Hatten die Briten doch immerhin ein Fünftel der Entwicklungskosten für die Spitzenmodelle übernommen, den auf der Insel seit 1950 gepflegten Modellnamen Consul für die Basisversion beigesteuert und den Essex genannten 3,0-Liter-V6 bereitgestellt. Außerdem machten sie die Bezeichnung Granada hoffähig, dies durch beim Karossier Coleman Milne verlängerte Chauffeur-Limousinen für Downing Street, Houses of Parliament und royale Anlässe.
Auch Ford Köln wusste, was die Menschen wollten: V6-Prestige zu kleinen Preisen, deshalb kostete der glamouröse Granada zwischen 25 und 50 Prozent weniger als vergleichbare süddeutsche Sechszylinder. Noch billiger, aber kaum anziehend war der kurzlebige Consul. Los ging es 1972 mit einem Paukenschlag: Schon im ersten Jahr rollten über 100.000 Einheiten beider Typen allein aus dem rheinischen Werk. Nach 13 Jahren Bauzeit summierten sich 1,64 Millionen Fahrzeuge, die Mehrzahl mit V6-Aggregat unter der Haube, was dem Granada die Pole Position als bis dahin meistgebauter europäisches Sechszylinder-Modell sicherte.
Karriereknicks und Abstürze gehören bei einem Charaktertypen wie dem äußerlich übrigens nur 4,57 Meter messenden Ford natürlich ebenfalls zur Vita. Da gab es die ungeliebten zweitürigen Fastbacks im Coke-Bottle-Design der Swinging-Sixties, die schon 1974 eine geglättete Coupé-Linie erhielten. Dann sorgte die nicht immer befriedigende Verarbeitungsqualität für Frust bei Kunden und Kritik in den Fachmedien. Kaum hatte Ford nachgebessert, überraschte 1973/74 die erste Erdölkrise mit extrem gestiegenen Kraftstoffpreisen die Autowelt. Noch mehr als andere war Ford von Verkaufseinbrüchen betroffen, die durstigen V6-Modelle (gut 17 Liter verbrauchte der 3.0 V6 in Tests der Fachpresse) standen auf Halde. Aber die Kölner wussten das Ruder zu drehen, mit einem genialen Marketing-Coup und einer geschickten Modellpflege. Ford verdoppelte die Werksgarantie, verzichtete auf gängige Aufpreise für Selbstverständlichkeiten, reduzierte die Werkstattkosten durch längere Wartungsintervalle und bereinigte das unübersichtliche Typenprogramm seiner Topmodelle um den Consul. Stattdessen erhielt der Granada eine Modellpflege mit mattschwarzem Kühlergrill und Fensterrahmen als Symbol von Sportlichkeit. Dazu passte ein neues 110 kW/150 PS starkes 2,8-Liter-Einspritzaggregat, das den Verbrauch reduzierte und als Vorbote für die 1977 lancierte zweite Granada-Generation fungierte. Mit ihr feierte Ford in Deutschland auf Anhieb das beste Jahres-Verkaufsergebnis aller Zeiten, inklusive rund 15 Prozent Marktanteil.
Zu kleinen Kosten hatte Ford sein Flaggschiff optisch runderneuert. Unterm Blech blieb das meiste gleich, aber Chefdesigner Uwe Bahnsen hatte Eva – so der Codename für den verjüngten Granada – in ein kantiges und auf 4,72 Meter gestrecktes Kleid mit ikonisch klaren Linien und großen Fensterflächen gesteckt. Ähnlichkeiten mit Pininfarinas elitärem Fiat 130 Coupé waren unverkennbar. Zugleich war Bahnsen das Kunststück gelungen, beim Turnier nur den Vorderwagen zu erneuern, ansonsten blieb Fords großer Transporter für Freizeit und Familie optisch fast unverändert. Die Kunden waren zufrieden, sie kauften den preiswerten Komfort-Kombi auch noch nach dem Debüt des ersten Mercedes T-Modells. Und als der Granada 1985 den Weg frei machte für den im Wind geformten fünftürigen Scorpio, war es vor allem der Turnier mit damals gigantischen 2.180 Liter Ladevolumen, dem die Ford-Kunden nachweinten. Ein neuer Scorpio Turnier kam viel zu spät, da war die Baureihe bereits gefloppt.
Aber auch der Granada II wusste von Abstürzen zu berichten, ein von Peugeot gelieferter Diesel mit 46 kW/63 PS konnte nicht einmal Kölner Taxifahrer begeistern, neue Vierzylinder-Benziner waren zu müde und die zweite Energiepreiskrise bedeutete das Ende für die keineswegs sparsamen Sechszylinder. Der Granada bot eben bis zum Schluss Stoff, aus dem Legenden gestrickt werden.
Fotos: Ford