Ford: 70 Jahre Kompaktklasse

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Unermüdlich und heimlich wie die sagenhaften Kölner Heinzelmännchen arbeitete sich dieser kompakte Ford auf Platz eins der globalen Pkw-Produktionsstatistik vor: Von der Öffentlichkeit kaum bemerkt knüpfte der in Köln-Merkenich konstruierte Focus im Jahr 2000 an jenen ultimativen Verkaufserfolg an, den einst das amerikanische Ford Modell T als Fließbandpionier gesetzt hatte. Dauerhaft verteidigen konnte der Focus die Führungsposition in den Verkaufscharts allerdings nicht. Weshalb Ford ihn dieses Jahr in vollkommen neu entwickelter vierter Generation vorstellt – passgenau zu gleich drei runden Geburtstagen bahnbrechender Vorgänger. Vor 70 Jahren forderte der Ford Taunus als erste Kölner Nachkriegsentwicklung den Volkswagen Käfer heraus. Vor 50 Jahren führte der Ford Escort dieses Duell in die nächste Runde und trat zugleich gegen die globale Kompaktklasse an. Zum Intimfeind von VW Golf und Opel Astra sowie neuen asiatischen Herausforderern avancierte vor genau 20 Jahren der Ford Focus, der in erster und dritter Auflage auf Pole Position in den Zulassungsrankings fuhr.

Nach insgesamt 16 Millionen Focus soll es die vierte Auflage des Verkaufsschlagers noch besser machen. Seine Premiere feierte das erneut in Köln entwickelte kompakte Weltauto nahe dem symbolträchtigen Nullmeridian in London/Greenwich, dem Ort der Koordinierten Weltzeit (UTC). Genau dort debütierte 1932 mit dem Kleinwagen Ford Y das erste Modell des Konzerns, das außerhalb Amerikas entwickelt worden war. In Deutschland kam der Typ Y 1933 als „Ford-Volkswagen Köln“ in den Handel, denn der Preisbrecher sollte „jedem Portemonnaie passen“. So billig war das Volksauto am Ende aber doch nicht, wie die Verkaufszahl von nur 11.000 Einheiten verrät. Auch der im Frühling 1939 lancierte Ford Taunus (Typ G 93 A) konnte nicht mit den staatlich diktierten Preisen des VW Käfer konkurrieren. Immerhin bot der in Köln konstruierte Vierzylinder zu günstigen Kosten viel vom Glamour amerikanischer Achtzylinder. Davon kündete die Karosserie in der Formensprache von Mercury-Modellen mit modischer Fastbacklinie, die allerdings nur wenige Jahre später wie ein Relikt vergangener Zeiten wirkte. Eine Vergänglichkeit, die der 1948 vorgestellte Ford Taunus (Typ G 73 A) zu spüren bekam. Verpasste ihm der Volksmund doch den liebevoll-neckischen Rufnamen „Buckel“ ob seines gebeugten Rückens.

Der Popularität des ersten Nachkriegsmodells von Ford Köln schadete das nicht, gab es den 26 kW/34 PS leistenden Zweitürer doch im Jahr 1949 zu Kampfpreisen ab 5.350 Mark. Damit trat der knapp über vier Meter lange Buckel in direkte Konfrontation zum VW Käfer, obwohl er mit diesem zugleich durch eine Kooperation verbunden war. Da bei Ford Karosseriewerkzeuge noch fehlten, wurden die Blechkleider des Taunus anfangs bei Volkswagen und Karmann in Auftragsarbeit gefertigt. Dessen ungeachtet lobte die Werbung den Ford als „neuen Wagen der Kölner Ford-Produktion“ mit den Qualitäten „Schnell, sparsam, zuverlässig!“. Nicht ganz so euphorisch waren zeitgenössische Pressekritiken, die konstatierten, dass die Ford-Vorderachse so wie in den 1920er Jahren noch immer starr sei. Andererseits ermöglichte es gerade die Rahmenbauweise, den Ford Taunus mit einer damals konkurrenzlosen Zahl von 21 Sonderaufbauten von über einem Dutzend Karossiers anzubieten.

Eine Nische, die dem familienfreundlichen Taunus Achtungserfolge einbrachte, auch wenn er mit insgesamt 74.000 Einheiten Lichtjahre hinter dem Käfer zurückblieb. Das Ende des Buckels kam als die neue Pontonform zu einem optischen Kennzeichen des deutschen Wirtschaftswunders wurde. So übernahm 1952 der „Weltkugel-Taunus 12 M“ die Wachablösung – in Pontonform und mit Mittelklasseformat.

Englische Wurzeln kennzeichnen dagegen den Escort, mit dem sich Ford Köln 1968 in der Kompaktklasse zurückmeldete. Der auf der Insel entwickelte, dann aber europäisierte Ford sorgte für weltweites Aufsehen – einerseits als 29 kW/40 PS-Biedermann mit Kühlergrill in kuriosem Hundeknochen-Design, andererseits als Brandstifter auf Rallyepisten und mit einem bis zu 74 kW/100 PS starken Vorläufer der GTI-Fraktion, dem legendären RS 2000. Der Kompakte entwickelte sich zum bis dahin meistproduzierten Ford aller Zeiten, zumindest was die Alte Welt betraf. Aber auch die Neue Welt konnte ab 1981 von der kompakten Einkaufs- und Familieneskorte erobert werden. Mit modernisiertem Layout – als erster in Amerika produzierter Ford bot der Escort die Kombination Heckklappe und Vorderradantrieb – gelang dem Kleinwagen der Sprung auf Platz eins in der Konzernwertung der meistverkauften Pkw-Baureihen.

Das war auch ein Resultat frischer Vielfalt bei der Karosserie-, Antriebs- und Fahrwerksausstattung, denn hier entsprach Ford den je nach Markt differierenden Käuferwünschen. In Nordamerika etwa gab es den Escort als Sportcoupé EXP, in Brasilien dagegen wurde das Weltauto als zweitüriges Stufenheckmodell unter dem Namen Ford Verona und sogar als VW Apollo vermarktet. Der eindrucksvolle Beweis für den Erfolg dieser Strategie waren über 20 Millionen Escort, die bis 2000 abgesetzt werden konnten: Der kompakte Ford folgte den Spuren des Klassenprimus VW Golf. Als Sportler fungierten in Europa seit den 1980ern die Escort XR3i, als Lustspender bei Karmann produzierte Cabriolets mit Überrollbügel und als Lastenesel erstmals auch fünftürige Kombis. Auf der Antriebsseite sorgte der Escort für Aufsehen mit einem der ersten Diesel-Cabrios, mit batteriebetriebenen Lieferwagen und nicht zuletzt mit dem 162 kW/220 PS starken Allradüberflieger RS 2000.

Diesen spannenden Spagat zwischen Sport und Sparsamkeit und Variantenvielfalt führt seit 1998 der Ford Focus zum Zenit. Obwohl das kantige New-Edge-Design der ersten Focus-Auflage auch innerhalb des Konzerns umstritten war, gelang es dem auf knapp 4,20 Meter gewachsenen Kompakten die Erzfeinde VW Golf und Opel Astra zuerst in Tests der Fachpresse und dann in den Bestsellerrankings zu schlagen. Mit dem Focus traf Ford ins Schwarze, nicht nur weil er in seinen Paradedisziplinen Platzangebot und Fahrwerksabstimmung über alle bisherigen Generationen Maßstäbe setzte. Auch in Zuverlässigkeitsrankings gelang es den in Köln entwickelten Kompakten in Führung zu gehen und Schwächen früherer Ford vergessen zu machen. Für Adrenalinjunkies stehen seit 2002 schnelle ST-Typen („Sports Technology“) und bis 257 kW/350 PS freisetzende RS-Editionen bereit und wer auf Rallyes steht, für den sammelte der Focus WRC bis zum Jahr 2010 Siege in Serie. Ganz auf Effizienz getrimmt sind dagegen Erdgas- und Elektroversionen, aber auch die Dreizylinder-Turbobenziner, die künftig mit Zylinderabschaltung noch mehr Sparpotential bieten sollen. Für jeden Kunden auf allen Kontinenten der passende Focus, diese konsequente technische Individualisierung ließ Ford Konkurrenten wie VW Golf oder Toyota Corolla überholen. Nur in einer Hinsicht nimmt sich Ford den Volkswagen Golf weiterhin zum Vorbild: Auch der vierte Focus sieht trotz neuen Designs aus wie ein Focus.

Text: Wolfram Nickel/SP-X
Fotos: Autodrom, Ford/SP-X

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