Opel: 30 Jahre Senator B/Omega Sechszylinder

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Bei Opel wurde gefeiert und dafür gab es im Herbst 1987 gleich mehrere Gründe. Passgenau zum 125. Unternehmensjubiläum startete die zweite Generation des Flaggschiffs Senator, das gemeinsam mit den sportlichen Versionen des Omega das Spießerimage der Marke wegfegen und verlorene Marktanteile zurückerobern sollte. Schließlich hatte der erste Senator zum Schrecken von BMW und Mercedes kurzzeitig ein Drittel des deutschen Oberklassemarktes im Griff. Eine Dominanz, an die Opel nun mit einem dynamischen Sechszylinder-Duo aus Senator B und Omega 3000 – ergänzt um das Muscle-Car Lotus Omega – anknüpfen wollte. Tatsächlich schlugen die schnellen Sechszylinder für die Fachwelt unerwartet wie ein Blitz ein.

Da sich die großen Opel bis dahin nie vom schließlich geschäftsschädigenden Image der Biederkeit befreien konnten, hatte kaum jemand mit diesem ernsthaften Relaunch gerechnet. Rüsselsheim wollte es noch einmal wissen und attackierte die aerodynamischen Audi 200, die sportiven BMW 5er und 7er und die Chefklasse von Mercedes mit einer stromlinienförmigen Phalanx aus Prestige-Limousinen. So viel Power wie nötig für Sportwagen-Performance, so viel Platz und Premiumfeatures wie möglich, das war die Formel, nach der die überraschend preiswerten Spitzenmodelle konzipiert waren. Und die genügte, um die Limousinen an die Spitze des Feldes zu katapultieren, zumindest in frühen Konkurrenzvergleichen der Fachmedien.

Für jeden Anspruch der passende Sechszylinder. Nach diesem Credo präsentierte Opel vor 30 Jahren zum letzten Mal ein Portfolio großer Businessliner, mit dem sich sogar Präsidenten, Minister oder eben Senatoren chauffieren lassen konnten. Wem das laut Pressemeinung „fürstliche Platzangebot“ im Fond der 4,85 Meter langen Senator-Limousine nicht genug war, konnte den 3,0-Liter-Sechszylinder mit um 15 Zentimeter vergrößerten Radstand ordern und gleich die passende Panzerung dazu bestellen. Ein Paket, dass hierzulande fast nur für Politiker gewählt wurde, in Großbritannien – dort wurde der Senator als Vauxhall vertrieben – aber so populär war, dass eine ganze Reihe von Karossiers mit eigenen, teils skurrilen Senator-Umbauten konkurrierte. Den Durchschnittskunden interessierten allerdings andere Features des Opel-Flaggschiffs mit extravagantem Kühlergrill in mächtiger Wabenform. Kostete die zunächst bis 130 kW/177 PSstarke und 220 km/h schnelle und vom Omega abgeleitete Limousine doch über ein Drittel weniger als eine vergleichbare Mercedes S-Klasse und immer noch fast ein Viertel weniger als die entsprechende E-Klasse.

Den Mangel an Prestige versuchte Opel durch kreative Features wie die Senator-Card zu kompensieren. Ein damals in Europa neuartiges Marketingmittel, mit dem die deutsche GM-Tochter ihren Kunden suggerieren wollte, zu einem elitären Kreis zu zählen mit Vorzugskonditionen etwa bei Hotels oder Mietwagen. Wahrscheinlich haben sich die Senator-Käufer aber durch handfeste Qualitäten des geräumigen Viertürers mehr beeindrucken lassen wie der spektakulär hohen Anhängelast von bis zu 2.050 Kilogramm für schwere Wohnwagen oder der in diesem Segment einzigartigen umklappbaren Rückbank.

Nicht zu vergessen neue Komfortdetails wie das gekühlte Handschuhfach oder die Vier-Zonen-Sitzheizung sowie die damals noch außergewöhnliche, serienmäßige ABS-Bremsanlage und die bereits im Opel Omega von der Fachwelt hochgelobte moderne Fahrwerkskonstruktion. Was fehlte, waren allerdings Airbags, die wurden auch nicht nachgeliefert. Sogar als pragmatisches Arbeitsgerät konnte der Senator punkten, gab es ihn doch auch mit Taxipaket und als Polizei-, Notarzt- und Feuerwehrfahrzeug. Eine Angebotsvielfalt, die aber trotzdem etwas Entscheidendes nicht bewirken konnte: Die Verkaufszahlen des Spitzentyps aus Hessen hoben nicht ab.

Während die Zulassungen des ersten Senators fast senkrecht wie eine Rakete in den Himmel schossen (um später ebenso schnell zu verglühen), kam der Senator B nur bedächtig in Fahrt. Nicht einmal prominente Opel-Fahrer wie Boxchampion Max Schmeling, Uli Hoeneß, Boris Beckers Ex-Manager Ion Tiriac, Claus Theo Gärtner alias Alfa-Fan Matula in der TV-Serie „Ein Fall für Zwei“ oder der Kölner Weihbischof Josef Plöger konnten das Senator-Image in Richtung begehrenswerter Traumwagen pushen. Dabei bot der Sechszylinder durchaus faszinierenden Luxus und Lifestyle. Etwa als extravagantes Senator Cabriolet des Reutlinger Karossiers Keinath oder als leistungsgesteigerter Lexmaul-Renner, der von einem 170 kW/231 PS starken 3,6-Liter-Sechszylinder in 6,8 Sekunden auf Tempo 100 und weiter auf 251 km/h beschleunigt wurde. Zu beziehen über den freundlichen Opel-Händler und eigentlich genug Temperament für den Sieg im europäischen Vmax-Championat der schnellsten Viertürer.

Hätte es da nicht Sturmspitzen aus der oberen Mittelklasse gegeben mit den Namen Omega. Dieser 4,69 Meter lange Nachfolger des spießbürgerlichen Rekord lieferte nicht nur die technische Basis für den Senator, er fegte die Senatoren sogar von der Überholspur. Zunächst als spoilerbewehrter und leichtgewichtiger Omega 3000, der seine 130 kW/177 PS in 222 km/h Vmax umsetzte. Wirklich brachial wurde dann der 277 kW/376 PS starke Opel Lotus Omega, der 283 km/h erreichte und sich so 1989 den Titel der weltweit schnellsten Serienlimousine sicherte. Mit 125.000 Mark war der Opel Lotus teurer als ein Ferrari 328 GTB oder ein V12-BMW, was die rennstreckentaugliche Familien- und Firmenkutsche aber offenbar nur noch begehrenswerter machte. Nicht einmal die anfangs wenig standfeste komplexe Lotus-Technik störte die 907 stolzen Käufer dieses fulminanten Businessboliden ernsthaft. Tatsächlich vereinte der bollernde Omega eine begeisterte Fangemeinde, von der der fein ausstaffierte Senator nur träumen konnte.

Dieser erlebte seinen glanzvollsten Auftritt 1987 gleich nach dem Marktstart als er in den Mittelpunkt der Feiern zum 125-jährigen Bestehen von Opel gesetzt wurde. Damals konnte sich die Marke mit dem Blitz noch einmal sensationelle 15,6 Prozent Marktanteil in Deutschland sichern. Dagegen mussten die Rüsselsheimer beim Senator die Grenzen des Wachstums zur Kenntnis nehmen. In sechs Jahren erzielte das Spitzenmodell knapp 70.000 Zulassungen, was gegenüber dem Vorgänger einen Rückgang um über 50 Prozent entsprach. Während der Volksmund erklärte, Omega sei eine Abkürzung für „Opel macht endlich gute Autos“, war die Zeit über das Flaggschiff hinweggegangen. Daran änderte das Lob der Fachkreise wenig. Prestigemodelle verkauften sich unter Premiummarken inzwischen deutlich besser. So war es nur konsequent, dass sich Opel 1993 endgültig aus der Oberklasse verabschiedete und einen angekündigten Omega V8 gar nicht erst in Serie gehen ließ. Überraschend preiswert ist der Senator übrigens noch heute mit H-Kennzeichen, vielleicht, weil er gar nicht wie Oldtimer aussieht. Die Stromlinie hat den allerletzten formvollendet vornehmen Opel jung gehalten.

Text: Wolfram Nickel/SP-X
Fotos: Opel/SP-X

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