Im Sommer geht's ja noch, aber im Winter reißt sich keiner drum, meinte ein Nachbar des Chronisten beim Vorgarten-Gespräch zum Thema Abschleppen. Wie wahr. Nahezu vier Millionen Mal waren im vergangenen Jahr Pannenhelfer im Einsatz. Dazu addieren sich die Vielen, die privat aus Freundschaftsgründen einen Abschleppvorgang vornahmen, zur Werkstatt oder zum finalen Schrotthändler. Ganz so einfach geht aber Abschleppen auch nicht: Solange ein Auto fahrbereit ist und Bremsen und Elektrik noch funktionieren: Ja. Denn die Warnblinker müssen intakt sein und bei Nacht muss auch die Beleuchtungsanlage ihre Aufgabe verrichten können, bei beiden Fahrzeugen übrigens! So besagt es die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO). Wer darf eigentlich das Pannenauto lenken? Der Pilot muss mindestens 15 Jahre alt sein und geistig und körperlich den Havaristen beherrschen, so Paragraf 10 der Fahrerlaubnis-Verordnung. Denn zum sicheren Abschleppen gehören auch exakte Absprachen, vereinbarte Zeichen und Fahrgefühl. Beiderseits.
Ist das Havarie-Fahrzeug defekt, zumindest wenn der Motor nicht läuft, funktionieren Servolenkung und Bremskraftverstärker nicht, Lenkung und Bremse gehen hart und nur mit hohem Widerstand, ist das von einem Jugendlichen kaum zu bewältigen. Die Gefahr des Auffahrens steigt, allerdings nur beim Abschleppen mit einem Seil. Hat man eine Abschleppstange zur Verfügung, ist der gesamte Vorgang wesentlich sicherer, da immer gleicher Abstand herrscht. Seil oder Stange dürfen maximal 5 Meter lang sein und müssen in der Mitte eine kleine rote Warnfahne tragen. Die Abschlepphilfen dürfen keinesfalls diagonal angebracht werden, erlaubt sind folglich nur entweder von rechter Seite zur rechten Seite oder von links nach links, je nachdem, wo sich Haken oder Ösen befinden. Bei den meisten Automobilen sind sie beidseits angebracht. Bei Tempo 50 ist im Übrigen Ende, mehr erlaubt der Gesetzgeber nicht. Abschleppen auf der Autobahn weist eigene Gesetze auf: grundsätzlich darf man hier von der Havariestelle nur bis zur nächsten Abfahrt/Ausfahrt gemeinsam fahren.
Nachts müssen beide Fahrzeuge gesetzkonform beleuchtet sein. Bei Elektro- und Hybridfahrzeugen wird es komplizierter: die dürfen nicht einfach an Seil oder Stange genommen werden. Die Antriebsachse darf keinesfalls mit der Fahrbahn in Kontakt geraten (mit Rollen), da dabei der Elektromotor Strom erzeugt und die gesamte Elektronik Schaden erleiden würde. Folge: nur mit richtigem Abschleppwagen, der den Havaristen hochnimmt, einem Ganzverlader oder mit einem Hund (rollender Hilfsbock), der das defekte Fahrzeug einachsig schleppt. Bei Automatikfahrzeugen gibt es unterschiedliche Abschlepp-Modi, die individuell der Betriebsanleitung zu entnehmen sind. Am besten schon vorher. Es macht herzlich wenig Spaß, die heutzutage durchgestylten und aerodynamisch superb gestalteten Autos abzuschleppen. Da sind die Haken und Ösen derart versteckt und kompliziert angebracht, dass sogar Hilfswerkzeug zur Hand sein muss. Das Ganze dann bei Nässe, Kälte, Schnee und Dunkelheit…da kommt wahrlich wenig Freude am Helfen auf…
Text: Frank Nüssel /CineMotQuelle: ProMotor
Foto: Archiv SP-X