Unsere Autos sollen immer selbstständiger fahren, bremsen, lenken und navigieren. Wissenschaftler, Designer und Spezialfirmen berichten bei einem Workshop, wie sie den Schwachpunkt im Mobilitätskonzept der Zukunft stärken wollen: den Menschen und seine Fähigkeiten. Unsere Zukunftsreise zeigt, wie wir 2025 fahren könnten.
SP-X/München. Was für eine Qual war doch die tägliche Fahrt zur Arbeit, damals im Jahr 2015: Morgens vom Ammersee ins 40 Kilometer entfernte München; immer Stop-and-Go, meistens Stau. Zweimal im Jahr eine Massenkarambolage, an der ich mich mühselig vorbeizwänge. Selbst auch einen teuren Auffahrunfall verursacht – täglich gestresst, gelangweilt, sinnlos Lebenszeit vertan.
Heute, 2025, ist dieser tägliche Wahnsinn für mich wie für Millionen anderer Pendler Geschichte. Danke, Christian Reinhard. Der Chef des Bereiches “Schnittstelle Mensch-Maschine” (auf englisch abgekürzt HMI) beim Erlanger Autozulieferer Elektrobit hatte mir zehn Jahren zuvor ja schon bei einem Workshop die Erlösung versprochen – und das Versprechen gehalten. Denn die Systeme und deren Bedienung funktionieren.
Die meisten technischen Voraussetzungen waren eigentlich schon 2015 gegeben – nur Gesetze und die Vorbehalte vieler Kunden hatten damals das selbstständige Fahren noch flächendeckend verhindert. Jetzt, 2025, sieht mein typischer Heimweg nach getaner Arbeit so aus: Um 17:30 Uhr erinnert mich meine Smartwatch daran, dass ich aufgrund der Verkehrslage jetzt aus dem Büro aufbrechen sollte, um zum Abendessen mit Freunden pünktlich um 19 Uhr daheim zu sein. Den Termin kennt die Uhr aus dem synchronisierten Kalender. Ich sage: „Fahr das Auto vor” – und die Uhr lässt den Wagen fernbedient aus dem Parkhaus um die Ecke in die Haltebucht davor rollen.
Die Klimaanlage hat vorgekühlt, die Navigation die richtige Route gewählt, das Video-Podcast die Nachrichten auf den Bildschirm geholt. Ab auf den Fahrersitz – aber das Lenkrad bleibt eingeklappt; so sehe ich die News auf dem virtuellen Cockpit besser aus dem Liegesitz. Wenig Verkehr auf der vom System gewählten Schleichweg-Route. Der Autopilot fädelt mich auch auf die Autobahn ein, beschleunigt, überholt, bremst, lenkt.
Ich nicke ein. Das aber ist auch 2025 noch verboten. Der Fahrer muss zur Not Herr seines Autos bleiben, gebietet schließlich seit Jahrzehnten das Wiener Verkehrsabkommen. Beim Workshop 2015 hatte der Kreativdirektor bei der Designagentur Ziba, Manuel Perez Prada, bereits vor der größten Gefahr beim autonomen Fahren gewarnt: Wer dem Menschen immer mehr Aufgaben beim Fahren abnimmt, der schwächt diese Schwachstelle noch mehr. Denn die Aufmerksamkeit sinkt gegen Null. Pradas Erkenntnis: „Idiotensicherheit schafft Idioten.”
Darum rüttelt mich der Sitz jetzt sanft wach, als der Augenscanner erkennt, wie ich einschlafe. Gut, dass Pradas Agentur solche Bedienelemente mit entwickelt hat. Besser noch, dass mein Auto dank der Elektrobit-Errungenschaften 2025 ständig die Fahrbahn, den Verkehr auf Kilometer voraus, Wetterlage oder Fahrzeugzustand überprüft – und meine Fitness natürlich. Genau wie regelmäßig meine Fahrkünste, wenn ich mal selbst ans Steuer gehe.
Diese Fertigkeiten brauche ich nämlich plötzlich: Nach dem Verlassen der Autobahn schrillt der Alarmton. Der Sitz stellt sich auf, das Lenkrad kommt zur Hand – und auf der Windschutzscheibe wird virtuell 150 Meter voraus rechts am Fahrbahnrand ein Fleck blutrot markiert: ein Kind auf der Fahrbahn. Ich bremse. Der Notbremsassistent bremst stärker – und lässt mich nach links ausweichen. Den freien Ausweg haben die Sensoren vorher gescannt.
Gut, dass die linke Ausweich-Spur frei war an diesem Sommerabend 2025. Denn sonst hätte mir mein Kumpel Computer die letzte Entscheidung wohl nicht abnehmen können. Beim Workshop hatte ja Professor Ansgar Meroth von der Hochschule Heilbronn 2015 schon betont, dass auch bei noch so guten technischen Systemen ein ethisches Dilemma nicht vom Computer gelöst werden kann: „Wenn sich ein Unfall nicht vermeiden lässt – und vielleicht andere Menschen sowohl links als auch rechts vom Fahrzeug verletzt werden könnten … wer soll dann entscheiden, wohin das Auto lenkt?”
Im Extremfall muss ich also auch 2025 noch ran. Doch meist blendet mir der virtuelle Bildschirm in der Windschutzscheibe eher harmlose Ideen wie diese ein: „In 200 Metern kommt ein Blumenladen – wollten Sie Ihrer Frau nicht Rosen mitbringen?” Gute Idee; ich sage: „Okay, David, fahr mich hin.” So habe ich den elektronischen Butler getauft – und der gehorcht aufs Wort. Designer Prada hat sich so was schon 2015 ausgedacht: „Der Fahrer soll sich nicht bevormundet vorkommen – darum besetzen wir die Systeme positiv: mit menschlichen Namen und klassischen Dienstleistungen wie Butler, Chauffeur oder Assistent.” Nur ist der eben elektronisch.
Und anders als der menschliche Diener nimmt der elektronische Assistent des Jahres 2025 mir auch keine Ruppigkeit übel. Als mein Wagen schon fast daheim ist, will der übereifrige Computerhelfer mir noch schnell die aktuellen Börsenkurse aus New York einblenden. Aber wirklich nicht jetzt. Mit einer Wischbewegung vor der Windschutzscheibe schiebe ich die Meldung weg vom Bildschirm. ”Los, park ein!” sage ich noch kurz – und steige vor der Garage aus. David macht das schon. So wurde er ja programmiert. Und ich gehe entspannt in den Feierabend.
Text: Spot Press Services/Peter Weißenberg
Fotos: SP-X/Elektrobit