Volvo: 40 Jahre Modell 66 und Modell 343

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Ihr internationales Image konnte nicht schlechter sein: Die Kleinwagen des niederländischen Autobauers Daf genossen den Ruf rasch rostender und betulich beschleunigender Rentnervehikel mit Riemenautomatik. Mit der eigentlich genialen Erfindung des stufenlos arbeitenden CVT-Getriebes fand Daf außerhalb Hollands nur noch Fans bei Frauen und Senioren – und bei Volvo. Zwar hatte sich Daf in schwedischen Qualitätsuntersuchungen Anfang der 1970er Jahre mit dem unrühmlichen letzten Platz begnügen müssen. Davon ließ sich Volvo aber nicht beirren. Schließlich suchten die Skandinavier nach einer Ergänzung ihres Modellprogramms in der damals europaweit expandierenden Kompaktklasse und Daf schien dafür der perfekte Partner.

Der niederländische Konzern war bereit, sich von der Pkw-Sparte zu trennen und hatte neben dem 1972 neu eingeführten Kleinwagen Daf 66 noch einen größeren Typ in Vorbereitung, der als Daf 77 in der unteren Mittelklasse antreten sollte. Zwei Modelle, die – qualitativ nachgebessert – in Volvos transformiert werden konnten. Vor 40 Jahren war es soweit: Volvo wurde Mehrheitseigentümer von Daf und präsentierte die ersten echten Kleinwagen mit dem Markenlogo als Volvo 66 Limousine und 66 Kombi. Nur ein Jahr später folgte der aus dem Daf 77 hervorgegangene Volvo 343, der zu einem Millionenseller wurde. Gelang ihm doch nach schwierigem Start ein spektakulärer Imagewandel nicht zuletzt durch zahlreiche sportliche Erfolge.

Den Ruf eines „Fliegenden Holländers“ errang übrigens nicht erst der im niederländischen Werk Born gebaute Volvo 343. Schon die kleinen und kuriosen Daf 55 verblüfften ab 1967 durch Erfolge im Rennsport, während der Nachfolger Daf 66 als erster Holländer unter schwedischer Flagge segelte. Zunächst in Form eines Marathon Coupés, das die Volvo Motorsportabteilung ab 1973 offiziell einsetzte. Pilotiert wurde dieser Daf 66 übrigens vom legendären Rallye-Kämpen Per-Inge „Pi“ Walfridson, der bei allen späteren Rallyecross-Einsätzen mit Volvo 343 nur noch „Pi, der Porsche-Killer“ genannt wurde.

Im Mai 1975 wurde die Daf Car B.V. bei Volvo eingegliedert und bereits im August präsentierte sich die umgebadgte Daf-Kleinwagenkollektion als zweitürige Volvo 66 Limousinen und dreitürige Kombis. Sichtbare optische Neuerungen waren massive Stoßfänger und der modifizierte Grill. Wichtiger waren zusätzliche Korrosionsschutzmaßnahmen und ein neu geführter Getriebewählhebel. Wie bei allen konventionellen Getrieben, musste nun der CVT-Variomatic-Wählhebel nach hinten geschoben werden um vorwärts zu fahren und nach vorne, um rückwärts zu fahren. Also entgegen der bisherigen Anordnung. Was bei der bisherigen Daf-Kundschaft für Verwirrung sorgte.

Bei aller Skepsis, die den Baby-Volvos von Fachleuten anfangs entgegengebracht wurden, für die Schweden waren sie der Beginn einer Erfolgsstory. Mit Preisen ab 9.950 Mark für den Zweitürer und ab 10.695 Mark für den Dreitürer verschaffte die 66-Reihe Volvo Zugang ins Golf-Segment und damit zu neuen Kunden. Gegen wirklich moderne Frontantriebs-Kompakte wie den Golf waren die ehemaligen Daf-Kleinwagen natürlich chancenlos, dennoch konnten bis 1980 immerhin 106.000 der kleinen Schweden aus niederländischer Produktion mit französischen Motoren (von Renault) verkauft werden. Vor allem war der Grundstein gelegt, um mit dem größeren Daf-Erbstück, dem Volvo 343 durchzustarten. Dieses Modell war ebenfalls unter Daf-Ägide fast bis zur Serienreife entwickelt worden, so dass Volvo-Chef-Designer Jan Wilsgaard die im Daf-Designstudio gefundene Form nur noch durch die Volvo-Sicherheitsstoßfänger und den charakteristischen Kühlergrill ergänzen konnte, obwohl er keineswegs wirklich glücklich war mit dem Entwurf.

Tatsächlich wäre der Volvo 343 bei jedem Concours d'Elegance chancenlos gewesen, aber der Kompakte mit großer Heckklappe zeigte durch seine markanten Konturen immerhin Gesicht in der Menge unauffälliger Volksautos. Das einzige Design-Glanzlicht in der Geschichte des 343 war ein 1979 von Marcello Gandini für die Carrozzeria Bertone gezeichnetes Coupé-Concept namens Tundra. Trotz einer bereits bewährten Coupé-Kooperation mit Bertone (Volvo 262) konnte der Tundra die Volvo-Führungsetage nicht überzeugen. Umso begeisterter zeigte man sich bei Citroën, so formte Bertone aus dem Volvo einen Franzosen, der als Citroën BX ab 1982 gegen die Volvo 300-Reihe antrat.

Zu diesem Zeitpunkt waren die 4,19 Meter messenden Einstiegsmodelle in die Volvo-Welt bereits sieben Jahre alt. Allerdings hatten sie alle Kinderkrankheiten erst jetzt gänzlich abgeschüttelt und starteten zu einem ursprünglich kaum erwarteten Höhenflug. Äußerlich erkennbar war dies an einer neuen Nomenklatur: Aus den ursprünglichen Typen 343 und 345 (343/345 = Serie 300, 4 Zylinder, 3 bzw. 5 Türen) waren die Volvo 340 geworden. Nach oben ergänzte der Volvo 360 mit leistungsstarkem 2,0-Liter-Motor das Programm, den es überdies auch als repräsentativere Stufenhecklimousine gab. Dynamische Antriebe und Modellvielfalt waren die Schlüssel zum Erfolg, nach denen die Volvo aus Holland zunächst vergeblich gesucht hatten. Damit wurden auch Peinlichkeiten vergessen gemacht, wie zum Beispiel gescheitertes Anfahren der Fachpresse an starken Steigungen mit den Variomatic-Modellen.

Inzwischen aber gab es alternativ konventionelle Schaltgetriebe und eine breite Motorenpalette, die den ursprünglichen, 51 kW/70 PS leistenden 1,4-Liter-Benziner zum Nebendarsteller degradierten. Tatsächlich gönnte sich dieser Motor fast 20 Sekunden, um den kompakten Volvo auf Tempo 100 zu beschleunigen, die Vmax betrug gerade einmal 145 km/h. Unfassbar hoch, nicht nur aus heutiger Sicht, waren Verbrauchswerte zwischen 12 und 13 Liter Superbenzin. Das alles war in der zweiten Lebenshälfte des Volvo 300 vergangen und vergeben, denn nun brillierte der kleinste Schwede mit Bestwerten, die in ganz Europa, Asien und Australien Anerkennung fanden. Etwa mit dem 1985 lancierten 340 DL Diesel, dessen 40 kW/54 PS Selbstzünder sich mit einem Normverbrauch von 4,7 Litern begnügte und damit erfolgreicher knauserte als ein Golf Diesel. Oder die bis zu 86 kW/117 PS starken 360 GLT/360 GLE, die im Sprint nach nur gut zehn Sekunden die 100-km/h-Marke passierten und allgemeines Lob ernteten ob ihrer perfekten Gewichtsverteilung (Getriebe an der Hinterachse) und der hervorragenden Straßenlage. Das übrigens trotz Hinterradantriebs.

Entsprechend zahlreich waren auch die motorsportlichen Siege, die der Volvo 360 in Europa und Australien erntete. Sogar eine spektakuläre Weltrekordfahrt war darunter: Auf dem Göteborger Flughafen Landvetter erreichte 1978 der Volvo (343) XD-1 mit Dieselmotor von Volkswagen zwischen startenden und landenden Linienjets 211 km/h – Dieselbestwert in der Klasse bis zwei Liter Hubraum. Am Ende ihrer Laufbahn wollte die Volvo 300 Serie deshalb nicht freiwillig das Feld räumen für den 1988 vorgestellten Nachfolger, den Volvo 440 mit Frontantrieb. Bis 1991 blieb der Volvo 340 daher beliebtes Basismodell ins Volvo-Programm.

Text: Spot Press Services/Wolfram Nickel
Fotos: Volvo/SP-X

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