Buchtipp – Wolfdietrich Schnurre: Als Vaters Bart noch rot war

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Einen Weihnachtsbaum haben sie sich auf sehr unkonventionelle Weise besorgt. Auf konventionellem Wege war es nicht möglich, aber Weihnachten ohne Weihnachtsbaum undenkbar. Sie waren ohnehin ein außergewöhnlicher Zwei-Personen-Haushalt, der aus Vater und Sohn bestand in einer Zeit, da die klassische Vater-Mutter-Kinder-Konstellation tatsächlich noch die typische Familie war.

Leicht haben die beiden es nicht gehabt. Der Vater ist arbeitslos, Weltwirtschaftskrise und NS-Zeit bilden den Hintergrund der Geschichten, die Schnurre selbst einmal ausdrücklich als autobiographisch definiert hat. Armut und Sorgen prägen den Alltag. Trotzdem (oder deswegen?) hat der Vater seinem Sohn viele Lebensweisheiten mitgegeben, die tatsächlich hilfreich sein können. Lieben heißt loslassen können heißt zum Beispiel eine der besonders berührenden Geschichten. Lebensverhältnisse, die bedrückend sein können, schließen Lebensfreude nicht aus. Aber natürlich geht es nicht immer heiter zu – Wolfdietrich Schnurre gaukelt den Lesern keine Welt vor, die immer heil wäre. Das bedrückendste Beispiel ist die Geschichte seines Freundes Jenö.

Vor genau 55 Jahren sind die Geschichten erstmals erschienen. Ihr Autor ist schon 1989 verstorben. Die Lebensverhältnisse der Menschen sind heute weitgehend (immerhin!) anders als in der hier beschriebenen Zeit. Trotzdem sind die Geschichten so aktuell wie seinerzeit. Die Neuauflage von 2014 erscheint mit Zeichnungen von Schnurres Witwe Marina.

Wolfdietrich Schnurre: Als Vaters Bart noch rot war. Berliner Taschenbuch Verlag; 9,99 Euro.

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