Die Vielfalt technischer Systeme bei der diesjährigen Dakar-Rallye ist beachtlich. Und dass alleine drei dieser Systeme sich um Topp-Platzierungen balgen, hat Seltenheitswert. Da sind die Dieselmotoren der Allrad-Mini's aus dem X-Raid-Team, da tauchen kräftige V8-Benziner in einigen Toyota-Hilux-Pickups auf und da sind die möchtigen V8-Triebwerke der beiden nur mit Heckantrieb aufwartenden US-amerikanischen HUMMER mit über 400 PS. Und allesamt fahren um die Spitze mit!
Die 5. Tagesfahrt ließ an Dramatik wahrlich nicht zu wünschen. Es ging von Chilecito nach Fiambalá. Anfangs regnete es, die Strecke war seifig, verlangte nach vorsichtigem Taktieren, dann kam Geröll und schließlich ging es in die weißen Dünen unweit von Fiambalá. Peterhansel gab zu Protokoll: Das heutige Hauptproblem lag darin, schon beim Start einen Reifendruck zu wählen, der alle diversen Fahrbahnzustände gleichermaßen optimal, wenngleich mit dezenten Kompromissen, bedient. Denn: Wir müssen jedes Mal raus und an 4 Reifen den Luftdruck verändern, das kostet richtig Zeit. Die Hummer haben eine zentrale Reifenfüllanlage, die vom Cockpit zu bedienen ist, deswegen fahren die hier solche Topp-Zeiten. Nun, Robby Gordon und Nasser al Attyah ließen es richtig glühen, setzten den Minis den ganzen Tag richtig zu. Während Gordon das gut schaffte und auf dem 2. Tagesrang einlief, übertrieb al Attyah mal wieder etwas, vergrub seinen Hummer in einer Sandgrube, wobei er artistisch noch einen Überschlag vermeiden konnte. Der Ausritt kostete aber an die 20 Minuten, er fiel soweit zurück, dass er einen Gesamtsieg wohl endgültig abhaken kann. Giniel de Villiers auf dem Imperial-Toyota-Hilux, ein ausgebuffter Taktiker, hatte sich auf den 2. Platz eingenistet. Ihm passierte ähnliches wie dem Qatari, auch er verlor viel Zeit und fiel vom 2. Platz zurück. Krzystof Holowczyc trieb seinen Monster Energy-Mini schnell, fehlerfrei und mit etlichem Glück über Stock und Stein und hätte um 10 Zentimeter den im Loch steckenden de Villiers, der nicht zu sehen war, bombardiert. Das war verdammt eng, meinte trocken sein Beifahrer Jean Marc Fortin. Tagessieg für das polnisch-französische Duo! 2. Rang für Gordon. Die Ränge 3, 4, 5 und 6 gingen an das Mini-Geschwader. Der Argentinier Lucio Terranova mit dem sehr gut platzierten Hilux vom Overdrive-Toyota-Team, ein langjähriger Dakar-Spezialist, hatte gewaltigen Zoff mit seinem Co Andy Gryder, der darauf fluchend ausstieg, sein Gepäck rauskramte und mit grenzwertigen Beschimpfungen das Rennen beendete. Das ist auch Dakar! Und Carlos Sousa, Ex-Mitsubishi- und Ex-Nissan-Dakar- Veteran spielt noch mit auf seinem chinesischen Great Wall- BMW X3-Plagiat! Nach der 5. Prüfung rangieren 3 Monster-Energy-Minis von Sven Quandt an der Spitze. Der Chef darf sich freuen.
Die 6. Runde quer über die Anden, 4.7oo Meter hoch über den San Francisco-Pass musste wegen Regens und Neuschnees, gerade 2 Tage nach tropischer Hitze, gecancelt werden. Alle verbliebenen Teilnehmer und Service-Fahrzeuge wurden im Konvoi nach Copiapó geführt. Erstaunlich wenige Ausfälle bislang. Die – nominell – 7. Etappe bestand aus einem hoch anspruchsvollen Rundkurs um Copiapó: nur 154 Kilometer Verbindungsstrecke, aber eine 444 eklig lange und schwierige Wertungsprüfung. Danach ist hier im Zeltcamp mitten in der Wüste erstmal Ruhetag.
Was ereignete sich auf der Sieben?
Steile Aufstiege, gefährliche Abfahrten, scharfkantiges Geröll und dazwischen feiner Sand, der nur darauf aus war, die Räder festzuhalten, wenn sie wegen der Steine langsamer und vorsichtiger drehten. Peterhansel startete mit der undankbaren Nr. 1, musste als Gesamtführender den Pfad suchen, hatte keine Spuren, die für ihn und Cottret hilfreich gewesen wären. Gordon und al Attiyah setzten die technischen Vorteile des Hummer exzellent ein, drehten richtig auf und katapultierten sich auf die Tagesränge 1 und 2. Peterhansel ließ sie taktisch an diesem Tag ziehen. Er ist und bleibt ein alter Fuchs. Holowczyc hatte nicht seinen allerschnellsten Tag, verlor an die 11 Minuten auf Peterhansel. Giniel de Villiers ließ nichts anbrennen und sorgte überwiegend dafür, seinen Rückstand auf das Führungsquartett nicht anwachsen zu lassen: Der Imperial-Hilux geht problemlos, das Team bleibt cool. Immerhin ist erst die Hälfte absolviert. Emporio Mendoza, mein Kollege vor Ort: Robby (Gordon) hat heute vor dem Start dem Nasser (Al Attiyah) richtig ins Gewissen geredet, er solle gefälligst mehr sein Hirn einschalten, da das Auto selbst im Topp-Zustand sei und noch immer die Chance bestehe, aufs Podest zu fahren. Das muss bei Al Attiyah doch etwas bewirkt haben: Er ließ Robby Gordon im technisch identischen Hummer V8 keine Chance, deklassierte seinen Chef regelrecht. Dennoch reichte es zum Doppelsieg der beiden US-Boliden. Der Sonntag war Ruhetag für alle. Montag geht es auf der Wertungsetappe mit 477 Kilometern nach Antofagasta am Pazifik.
Text: Frank Nüssel/CineMot
Bilder: Charmaine Fortune/Will Weyens