Uli Burchardt: Menschenschutzgebiet. Wie die Stadt der Zukunft ein Teil der Natur wird. Goldmann Verlag; 22 Euro.
Ulrich (Uli) Burchardt weiß genau, worüber er schreibt. Mit 53 Jahren hat er genügend Lebenserfahrung, sich mit dem Problem-Zyklus Mensch-Stadt-Natur konstruktiv auseinender zu setzen. Seine Sprache ist sehr bildhaft, dabei persönlich-individuell und schnörkellos. Das macht das Lesen zudem einfacher, überzeugender. Dass beim Titel-Kernthema also der Begriff „Land“ etwas kurz kommt, war zu erwarten. Wäre aber schön gewesen, wenn es dennoch ein paar Worte mehr abbekommen hätte.
Der Untertitel “Wie die Stadt der Zukunft ein Teil der Natur wird“ ist zugleich das Thema, das der Kompetenz von Uli Burchardt entspringt. Ein Sachbuch mit eingewobenem Autobiographie-Charakter, das dem Vorleben des Autors mit entspringt in dessen mannigfachen erlernten und praktizierten beruflichen Tätigkeiten: Gelernter Landwirt, studierter Forstwirt mit Abschluss Diplom-Forstingenieur (FH), Produktmanager, Medienberater, seit 2012 Oberbürgermeister von Konstanz. Insgesamt famoses Rüstzeug, sich dem Buchtitel kompetent zu widmen.
Er seziert sozio- gesellschaftliche Fehlentwicklungen, Fallprobleme bei urbanen Entscheidungen und bietet umgehend Ansätze für Lösungen an. Das macht das Buch besonders spannend. Burchardt hat ein offensichtlich Talent dafür, seine zahlreichen persönlichen Erlebnisse von der Kindheit an bis ins fortgeschrittene Berufsleben eng miteinander zu verquicken. Ein durchaus lobenswerter Vorgang.
Fünf Kapitel teilen das Werk auf: Dorf, Natur, Markt, Stadt, Ein Menschen Schutzgebiet. Die klar definierten Zeitprobleme zeigen sich klingenscharf analysiert. Und auch da versucht der Autor, bei aller Klarheit, lebbare Alternativen zu entwickeln: „Meine Perspektive ist, aus Urproduktion, aus Politik und Landschaft besondere Erfahrungen aus verschiedenen Welten für eine Stadtentwicklung zusammen zubringen“. Das sagt der Mann, der als amtierender Oberbürgermeister der Stadt Konstanz diese in einigen Jahren klimaneutral werden lassen will. Ja, es ist eine besondere Art der “Apologie“ (Verteidigungsrede), die hier vom Autor formuliert wird, denn er muss sich wohl bisweilen befreien vom Vorwurf, die Welt schlecht zu reden. Dabei macht er genau das Gegenteil: Durch kritische Auseinandersetzung mit dem Thema wertet er es auf, findet machbare Lösungsansätze bietet auch effiziente Lösungen an.
Aus der Trilogie „Mensch, Stadt, Umwelt“ schnürt der Autor ein Paket, das sich mit den diversen Themen auseinandersetzt. Ein Buch, das nicht „nur“ ins Bücherregal gehört, sondern auf den Lesetisch. Und zu Weihnachten auf den Gabentisch. Zur Stadtplanung ist Uli Burchardt insgesamt nicht weniger gelungen als ein Standardwerk, gerade für Stadtplaner.
Text: Frank Nüssel
Hape Kerkeling: Gebt mir etwas Zeit. Meine Chronik der Ereignisse. Piper Verlag; 24 Euro.
Evi Stöbermann ist streng. Als Politesse in Duisburg sieht sie keinem Autofahrer seinen Parkverstoß nach. Denn: „Dat is ja nu auch eine Lernprozess!“ Sagt Frau Stöbermann. Als die angeblichen Parksünder schließlich erkennen, wer sie da tatsächlich verkehrstechnisch erziehen wollte, schütten sie sich selbst vor Lachen aus.
Wie oft haben wir Zuschauer mit Hape Kerkeling genau das am eigenen Leib erfahren: Ob es nun das bedeutungsschwere „Hurz“ war, die Diseuse Uschi Blum, Siegfried Schwäbli, Horst Schlämmer (der darf in einer solchen Aufzeichnung nicht fehlen!) oder oder oder: In unzähligen Rollen hat er uns die Lachtränen in die Augen getrieben, die Absurdität unseres eigenen Verhaltens vor Augen geführt. Aber nie zynisch oder vorführend, sondern in dieser freundlichen Art, die signalisiert: Kann mir genau so passieren.
Längst ist ihm eine zweite Karriere als Autor gelungen. Ja, schreiben kann er auch. Seine Erfahrungen als Pilger („Ich bin dann mal weg“), sein Leben als Katzenfan („Pfoten vom Tisch“), dann das grandiose „Der Junge muss an die frische Luft“, wobei hier die Verfilmung (und die Entdeckung des Hauptdarstellers Julius Weckauf als Hape in ganz jungen Jahren) unbedingt erwähnt werden muss.
Daran knüpft gleichsam „Gebt mir etwas Zeit“ an, seine Spurensuche in eigener Sache. Seine „Chronik der Ereignisse“ führt die Erfahrungen des „kleinen Hape“ fort. Denn irgendwann ist das Erwachsenwerden unvermeidlich, und damit auch die Frage, was aus dem Jungen werden soll. Vor allem beruflich. Und da schüttelt’s einen schon mal beim Lesen – wenn er erzählt, welche Hürden er da zu überwinden hatte. Aber erst mal verliebt er sich, als Sechsjähriger, in die Stadt Amsterdam. Dazu reicht ein Urlaubsaufenthalt mit seiner Mutter. Waffeln mit Stroop, Chocomel dazu (wie Kakao, nur besser, sagt Hape), das ganze Flair – er will gleich da bleiben. Dass es noch ein paar Jahre dauern wird, bis die Niederlande wirklich seine zweite Heimat werden und was das alles mit seiner Familiengeschichte zu tun hat – das verraten wir an dieser Stelle nicht. Sonst verrieten wir ja die spannendsten Teile von Hapes Chronik…
Text: Roland Bernd
Nana Mouskouri: Happy Birthday, Nana. (Electrola/Universal)
„Weiße Rosen aus Athen“: 1961 erstmals erschienen, gilt es vielfach als „das“ Lied von Nana Mouskouri. Ein typischer Schlager, der seinerzeit das Fernweh des Publikums perfekt bediente, in Richtung Griechenland, so wie Conny Froboess zeitgleich „Zwei kleine Italiener“ besang und Gitte (damals noch ohne den Namenszusatz Haenning) den Menschen Lust aufs Nordische machte. Es war die Zeit des Wirtschaftswunders, in der sich jedermann einen Klein(st)wagen leisten konnte, womit auch Fernreisen erschwinglich wurden.
Dass sie auch ganz anders kann, zeigt ein Mouskouri-Klassiker, der 16 Jahre später erschien: „Guten Morgen Sonnenschein“ – nur vordergründig ein Loblied auf die warme Jahreszeit, zwischen den Zeilen die formvollendet spöttische Verabschiedung eines drögen Mannes durch eine Frau, die ihn längst über hat.
Es passt gut, dass die beiden so unterschiedlichen Lieder den Auftakt zur CD bilden, die zum 90. Geburtstag der Künstlerin erschienen ist. Beide in neuer Aufnahme – mit dem Royal Philharmonic Orchestra. Das ist dann schon ein ganz neues Klang-Gewand.
Hinzu kommen viele Lieder, die Nana Mouskouris Renommee in Deutschland gefestigt haben („Glück ist wie ein Schmetterling“, „Die Welt ist voll Licht“), das im Original von Yves Duteil geschriebene und von Reinhard Mey kongenial übertragene „Gib einem Kind deine Hand“, internationale Standards wie „Ein Schiff wird kommen“ und „Sag mir, wo die Blumen sind.“
Klar, sie hat viele Lieder im „Weiße Rosen“-Stil im Repertoire. Aber sie kann eben auch ganz anders. Zu ihren frühen Förderern etwa gehörten der kürzlich verstorbene Quincy Jones und Harry Belafonte, unvergessen ist ihr gemeinsamer Auftritt mit Udo Lindenberg bei Alfred Biolek: Was die beiden da 1980 aus der „Andrea Doria“ machten, ist heute noch hörens- und sehenswert.
Mit ihrer Version von „Ave Maria“ zum Finale verabschiedet sie sich gleichsam von ihren Fans. In die Würdigungen zu ihrem 90. Geburtstag erklärte sie öffentlich, sich nun von der Bühne zurückzuziehen. Klare Entscheidung einer Künstlerin, die ebenso klar immer ihren Weg gegangen ist.
Text: Roland Bernd