Recht: Keine Fahrtenbuchauflage ohne ausreichende Ermittlungen

Um den Täter eines Verkehrsverstoßes festzustellen, muss die Bußgeldbehörde auch ermitteln. Sie muss zwar nicht alles Erdenkliche unternehmen, aber das übliche Vorgehen einhalten, etwa das Blitzerfoto vergleichen. Kann einem Halter, der sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht beruft, ein Fahrtenbuch auferlegt werden?

Im Streit um eine Fahrtenbuchauflage hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen der Klage einer Fahrzeughalterin in zweiter Instanz stattgegeben. Sie musste damit kein Fahrtenbuch führen, weil die Behörde nicht ausreichend ermittelt hatte. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht am 31. Mai 2023 (AZ: 8 A 2361/22), wie die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilt.

Der Wagen der Klägerin wurde geblitzt, er überschritt die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h innerorts um 26 km/h. Diese Ordnungswidrigkeit wird regelmäßig mit einem Bußgeld in Höhe von 180 Euro, einem Punkt im Fahreignungsregister sowie im Wiederholungsfall einem Monat Fahrverbot geahndet. Auf dem Radarfoto war ein junger Mann als Fahrer gut zu erkennen. Die schriftlich befragte Klägerin berief sich auf ein Zeugnisverweigerungsrecht. Nachdem der Außendienst der beklagten Straßenverkehrsbehörde die Klägerin an ihrem Wohnort nicht angetroffen hatte, wurde das Bußgeldverfahren eingestellt. Daraufhin verpflichtete der Rhein-Erft-Kreis die Klägerin, für die Dauer von zwölf Monaten ein Fahrtenbuch zu führen. Dagegen klagte die Frau. Sie machte geltend, der Fahrer sei ihr in ihrem Haushalt lebender Sohn gewesen. Über eine Auskunft der Meldebehörde und einen Abgleich des Tatbildes etwa mit dessen Personalausweisfoto wäre es ohne weiteres möglich gewesen, ihn als Fahrer zu identifizieren. 

Das Verwaltungsgericht in Köln hatte die Klage noch abgewiesen. Aber die Hartnäckigkeit der Klägerin war mit anwaltlicher Hilfe beim Oberverwaltungsgericht in Münster erfolgreich. Es hob die Fahrtenbuchauflage auf.

Ein Fahrtenbuch kann dann auferlegt werden, wenn es unmöglich ist, den Täter nach einem Verkehrsverstoß festzustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss die Behörde zwar keine zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen betreiben, wenn der Fahrzeughalter die Mitwirkung an der Ermittlung der für den Verkehrsverstoß verantwortlichen Person ablehnt und auch sonst keine konkreten Ermittlungsansätze vorliegen. Allerdings muss sie naheliegenden und wenig aufwendigen Ermittlungsansätzen nachgehen. Das hatte die Bußgeldbehörde hier nicht getan. Ihr lag ein klares Tatfoto vor. Dass die Klägerin sich auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berief, sprach außerdem für einen Täter aus dem Familienkreis. Daher lag es nahe, zumindest bei der Meldebehörde zu erfragen, ob Familienangehörige unter derselben Anschrift wie die Klägerin wohnen, die nach Geschlecht und Alter als Fahrer in Betracht kommen. Auf Grundlage dieser Information kann sie dann deren Lichtbilder aus dem Personalausweisregister für einen Fotoabgleich anfordern und vergleichen. Dies wäre ohne nennenswerten Aufwand möglich gewesen und ist auch üblich. Im konkreten Fall wäre der Sohn der Klägerin überführt worden.

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