Dass ein Motorrad mit so gegensätzlichen Hauptmerkmalen wie die Diavel beim Start nicht gleich zum Stückzahltreiber wurde, war sicherlich auch für die Verantwortlichen in Bologna, der Heimat von Ducati, keine Überraschung. Selbst im Bigbike-Traumland Deutschland kamen über 12 Jahre nur knapp 4.000 Einheiten zusammen, weltweit waren es immerhin 45.000. Wer sich entschließen konnte, sich motorradtechnisch zwischen alle Stühle zu setzen und die überaus exzentrisch designte Diavel zu wählte, konnte sich stets der Aufmerksamkeit aller Biker, und nicht der, sicher sein. So wundert es auch nicht, dass es mittlerweile China-Bikes der Achthunderterklasse gibt, die bei der Diavel optische Anleihen nehmen.
Nachdem die Italiener ihrem noch recht neuen V4-Motor nicht nur durch den Einbau in ihr Superbike Panigale, sondern auch durch die Installation in ihre Reiseenduro Multistrada huldigen, lag es nahe, auch die Diavel mit dem V4-Antrieb auf ein neues Level zu bringen. Gute 100 Kubikzentimeter weniger Hubraum als beim Zweizylinder bedeuten hier keinen Leistungsrückgang: Der deutlich höher drehende V4 mit 1.158 Kubikzentimetern Hubraum erreicht seine 124 kW/168 PS bei 10.750 U/min. Auffallend ist beim neuen Antrieb, dass der mit höherer Literleistung daherkommende V4 in allen Drehzahlbereichen kultivierter und geschmeidiger zu Werke geht und die überaus füllige Leistung sich gefühlvoll dosieren lässt.
Sie klingt bestens, die neue Diavel V4; an ihrem Sound kann sich aber nicht nur der Fahrer erfreuen, auch Passanten reagieren positiv. Erst recht, wenn das Bike ohne Last mit weniger als 4.000 U/min dahinschnurrt. Die im niedrigen Drehzahlbereich aktive Stilllegung der hinteren Zylinderbank hat ein besonders tiefes Grollen zur Folge. Dieser Kniff verringert zudem die Wärmeabstrahlung im Stand und bei Langsamfahrt; des Fahrers Oberschenkel dürften es an heißen Tagen danken.
Doch die Diavel fasziniert nicht nur durch Technik: Schon im Stand strahlt sie Gediegenheit, Unkonventionalität und Stil aus. Während ihre Silhouette seit jeher alle wesentlichen Elemente von Nakedbike, Sportbike und Cruiser in sich vereinigt, wirken die Details jetzt noch intensiver. Der nun vierflutige Endschalldämpfer auf der rechten Seite, das freischwebende Heck, der exzentrische Frontscheinwerfer, vor allem aber die aus 112 LEDs bestehende Kombination aus Rück- und Bremslicht. „Diese Leuchteneinheit nennen wir LED-Matrix. Es ist das teuerste Rücklicht, das wir je verbaut haben“, sagt Stefano Tarabusi. Der Diavel-Produktmanager nennt keinen Betrag, ergänzt aber: „Es liegt auf dem Preisniveau des Frontscheinwerfers.“ Und der bietet alle LED-Schikanen inklusive eines neu gestalteten Tagfahrlichts.
Die technische Entwicklung der Diavel innerhalb der letzten fünf Jahre hat es in sich: Zwar stieg die Maximalleistung lediglich um in der Praxis unbedeutende 7 kW/9 PS, doch sank das fahrfertige Gewicht trotz des von 17 auf 20 Liter Fassungsvermögen gewachsenen Tanks von 244 auf 236 Kilogramm. Die Potenz des nun 124 kW/168 PS starken V4-Motors zeigt sich auch darin, dass das maximale Drehmoment von nun 126 Nm bereits bei 3.250 U/min unterhalb der Nenndrehzahl abgegeben wird. Beim früheren Zweizylindermotor betrug die Drehzahldifferenz trotz der verwendeten variablen Ventilsteuerung nur 2.000 U/min – für dasselbe Drehmoment waren also höhere Drehzahlen nötig. Allerdings benötigen die beiden zusätzlichen Zylinder trotz gelegentlicher Abschaltung mehr Futter: Der Normverbrauch des Vorgänger-Zweizylinders lag mit 5,4 Liter/100 km nach Euro-4-Norm um einen Liter unter dem V4-Triebwerk mit Euro-5-Segen.
Ein ordentlicher Unterschied lässt sich zudem beim Preis feststellen: 2019 kostete eine Diavel 1260 in Sandstone Grey noch 19.900 Euro, während für die neue Diavel V4 in Ducati Red schon 27.090 Euro hingeblättert werden müssen. Dafür gibt es nun statt eines schnöden, allerdings stets herrlich anzusehenden Gitterrohrrahmens eine aus Aluminium gefertigte Monocoque-Konstruktion – nach dem Motor Hauptursache der kräftigen Gewichtsreduzierung, denn an Reifen, Bremsen und Radführungen ließ sich nichts sparen.
Sparen lässt sich mit einer Diavel natürlich sowieso gar nicht, auch wenn die 16 Ventile des Triebwerks nur alle 60.000 Kilometer des Service bedürfen. Aber der charakteristische, 24 Zentimeter breite Hinterreifen, der Motoröl-Service und vieles andere gehen ins Geld. Insofern ist es nur gerecht, wenn der Diavel-Käufer durch enormen Fahrspaß entschädigt wird: Ja, sie kann Sport. Und sie kann Komfort. Aber am allerbesten kann sie auffallen. Vor allem in dieser Disziplin bleibt sie unter den Serienmotorrädern ungeschlagen.