VW Amarok: Ambitionierte Neuauflage

Zwischen Arbeitstier und Lifestyle-Statement: Der VW Amarok will in der zweiten Generation den Spagat zwischen zwei gegensätzlichen Anforderungen schaffen. Dabei hilft auf der einen Seite eine kräftige Auflastung, auf der anderen ein aufgemöbelter Innenraum mit verfeinertem Infotainment. Auf den deutschen Markt kommt der gemeinsam mit Ford entwickelte und gebaute Pritschenwagen im Mai 2023 zu Nettopreisen ab knapp 40.000 Euro.

Dass der Amarok im Kern ein Ford Ranger ist, fällt von außen frühestens mit dem zweiten Blick auf. Oder spätestens dann, wenn man an die massiven Türgriffe packt, die genau wie auch die Portale selbst vom Schwestermodell des US-Konzerns übernommen wurden. Den übrigen sichtbaren Blechteilen hat VW im Rahmen des Möglichen einen eigenen Look gegeben. Am klarsten gelingt das an der Front mit dem breiten, chrombesetzten Kühlergrill, der vor allem bei den höherwertigen Varianten „Panamericana“ und „Aventura“ gemeinsam mit Metall-Stoßfänger und Unterfahrschutz wuchtig die Gesichtspartie prägt. Am Heck machen eigenständige Leuchten und der selbstbewusste, ins Metall gepresste Namens-Schriftzug klar, dass man hinter einem Amarok steht.

Ebenso wirkungsvoll ist die Umgestaltung des Innenraums gelungen. Die von Ford gestellte Struktur personalisiert sich VW durch ein eigenständiges Multifunktionslenkrad (mit richtigen Knöpfen statt Touch-Flächen), ein leicht modifiziertes Layout – etwa in der Mittelkonsole – und vor allem durch den Einsatz feinerer Materialien. Die finden sich zwar nicht überall, aber zumindest an strategisch wichtigen Stellen wie Armaturenbrett und Türtafeln. Gerade beim Ambiente will sich der Amarok dadurch vom Ranger absetzen – was nach ersten Eindrücken, wenn auch ohne direkten Vergleich, nicht unmöglich scheint. Prinzipiell passt neben den serienmäßigen digitalen Instrumenten auch der große, hochkant stehende Infotainment-Monitor gut zu diesem Ansinnen, zeigt er doch eine feine und hochauflösende Grafik, die ein weitgehend überzeugendes Bedienkonzept bebildert. In der Praxis zeigt sich das Touchscreen-Konzept jedoch als nachteilig – vor allem auf unebener Straße sind die teils sehr kleinen Kontaktflächen mit dem Finger kaum exakt zu treffen. Zumindest für die Klimaanlage würde man sich klassische Regler wünschen.

Nichts zu meckern hingegen gibt es beim Fahrverhalten. Dass VW an der Hinterachse weiterhin auf Blatt- statt Schraubenfedern setzt, ist die meiste Zeit kaum zu bemerken. Die robuste und günstige Technik hat wenig Probleme mit der Achsführung, nur auf unebenem oder losem Untergrund bockt das Heck beim Federn manchmal leicht. Insgesamt bestimmen die je nach Ausstattung bis zu 21 Zoll großen Breitreifen mit ihrem eher herben Abrollkomfort das Fahrverhalten im Alltag deutlich stärker als die ausnahmslos in allen Motorvarianten verbaute Hinterachsfederung. Angenehm präzise und feinfühlig arbeitet die Lenkung, die auch im Gelände nicht allzu viel Kurbelei verlangt.

Wie alle andere Technik unter Blech und Cockpit-Verkleidung stammen auch die Dieselmotoren von Ford. Für erste Testfahrten stand das 3,0 Liter große Spitzenaggregat zur Verfügung, das seinen Dienst üblicherweise im Fullsize-Pick-up Ford F-150 tut. Mit dem einen Nummer kleineren Amarok hat der 177 kW/240 PS starke Sechszylinder entsprechend leichtes Spiel. Gekoppelt ist er an eine Zehngangautomatik, die dem Selbstzünder vornehmlich im unteren Drehzahlbereich hält, was Verbrauch und Laufkultur entgegenkommt. Schaltwippen am Lenkrad gibt es nicht, wer die Gänge selbst wechseln will, muss das über kleine Schalter seitlich am wuchtigen Automatik-Wählhebel tun. Alternativ sind in Deutschland zwei 2,0-Liter-Vierzylinder-Diesel mit 125 kW/170 PS und 151 kW/205 PS zu haben. Den im Ford Ranger erhältlichen Sechszylinder-Benziner gibt es für den VW zunächst nicht. Und auch Plug-in-Hybride oder reine E-Varianten sind erst einmal nicht geplant.

Allradtechnik ist in der neuen Generation immer Serie. Bei den Vierzylindermodellen kommt die leistungsfähige Zuschalt-Variante zum Einsatz, bei den Sechszylindern der komfortablere und fahraktivere Permant-Allradantrieb. Geländeuntersetzung und Differenzialsperre sind immer an Bord, ein Modell mit Hinterradantrieb gibt es nicht mehr. Darüber hinaus verhindern größere Böschungswinkel vorne wie hinten das Aufsetzen in schwerem Gelände. Aufgerüstet hat der Pick-up auch bei seinen handwerklichen Talenten. So können nun aller Ausführungen bis zu 3,5 Tonnen an den Haken nehmen, die maximale Zuladung steigt auf 1,19 Tonnen und die Dachlast legt auf bis zu 350 Kilogramm zu, was bei stehendem Fahrzeug die Montage und Nutzung eines Familien-Dachzelts erlaubt.

Erhältlich ist VWs Pick-up hierzulande nur mit Doppelkabine und in fünf Ausstattungslinien, wobei die Variante „Amarok“ als betont schmuckloses Nutzfahrzeug daherkommt und sich das nächsthöhere Modell „Life“ als Preis-Leistungs-Primus positioniert. „Style“ addiert ein wenig mehr optischen Schick, während die Top-Varianten „PanAmericana“ und „Aventura“ bei Design und Komfort-Ausstattung in die Vollen gehen. Beide streifen alles Nutzfahrzeug-Flair ab und geben sich eher als Alternative zum Lifestyle-Geländewagen. Im Vergleich mit dem Vorgänger fällt die deutlich verlängerte Liste an Assistenzsystemen auf, die nun unter anderem auch den „Travel Assist“ für teilautomatisiertes Fahren umfasst. Preise für Grundmodelle und Optionen nennt VW rund ein halbes Jahr vor Markteinführung nicht.

Mehr Nutzwert, modernes Infotainment und aufgerüstete Assistenten: Der Amarok macht in der neuen Generation einen spürbaren Schritt nach vorn. Auch die auf SUV-Niveau veredelten Top-Varianten können sich sehen lassen. Kleiner Mängel bei der Bedienbarkeit des Touchscreens fallen da kaum ins Gewicht. Eher schon, dass zumindest zunächst keine elektrifizierten Antriebe zu bekommen sind. Knallharte Pick-up-Fans dürfte das allerdings wenig stören.

Fotos: Volkswagen

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