Während preiswerte Volumenmodelle à la Sunny und Bluebird unter den Vertriebsnamen Datsun 1200 und 1600 die deutschen Platzhirsche Opel Ascona, Ford Taunus und VW 1600 attackierten, machten spektakuläre Rallyesiege des Sportwagens Fairlady 240Z – auch über Porsche 911 – die fernöstliche Newcomer-Marke bekannt und begehrenswert. Rasanter als alle anderen Asiaten erzielte Nissan fünfstellige Zulassungszahlen, dazu trugen auch fortschrittliche Bestseller wie der Cherry bei. Dieser progressive Kompakte punktete mit Frontantrieb, viel früher als VW Golf oder Polo, und er legte die Basis für Nissans Aufstieg zur Nummer eins unter den japanischen Importmarken. Auf Dauer halten konnte Nissan diese Pole Position nicht, aber aus jedem Abschwung befreite sich die Nippon-Marke mit kreativen Konzepten, darunter Crossover-Typen wie Qashqai und Juke sowie der Elektro-Pionier Nissan Leaf. Nicht zu vergessen die seit 2001 bestehende Allianz mit Renault, aber Eigenständigkeit bleibt den Japanern wichtig. So feiert Nissan Deutschland seinen 50. Geburtstag mit einem Standortwechsel – weg von Renault in Brühl, hin auf eigenes Terrain in Wesseling.
Sushi, Ramen-Suppe und Matcha-Tee, Japans gesunde Küche erfreut sich in Deutschland großer Beliebtheit, ganz besonders natürlich im „Little Tokyo“ von Düsseldorf. Dort ist seit Wirtschaftswunderzeiten die größte japanische Community in Kontinental-Europa zuhause, und genau dort erfolgte Ende 1962 zu Wiener Schnitzel (der Importeur war Österreicher) die Presse-Präsentation der Nissan-Modelle Bluebird und Fairlady Roadster als Speerspitze für die Eroberung des deutschen Marktes. Die Fachmedien waren begeistert, ob dieser konkurrenzlos preiswerten Modelle, aber Nissan fand vorerst keine Vertriebspartner für die gefällig gezeichneten Exoten. Zehn Jahre später erfolgte ein neuer Anlauf mit mehr Glück: Wie geplant zählte der Bluebird (in neuer Generation) zur Startaufstellung für das 123. Land, in dem Nissan eine Handelsstruktur aufbaute, dies mit unabhängigen Vertriebszentren in Oldenburg, Essen, Rüsselsheim und München. Ab Mai 1973 koordinierte dann die neu gegründete Nissan Motor Deutschland GmbH von Düsseldorf aus die Arbeit der vier Importeure, und selbst kritische Fachjournalisten staunten bei Testfahrten durchs „Little Tokyo“ am Rhein über das durchaus attraktive Automobil-Portfolio der Japaner.
So wie die namensgebende japanische Kirschblüte für Aufbruch und Schönheit des Frühlings steht, markierte der modern konzipierter Kleinwagen Cherry damals den Start in die Zukunft des Automobilbaus. Als erster Nissan knackte das Frontantriebsmodell die prestigeträchtige Marke von 100.000 Zulassungen in Deutschland und deklassierte dabei manchen europäische Miniflitzer. Überraschen konnte der kleine Cherry auch in Vergleichstests, wo er trotz knapper Platzverhältnisse für die Fondpassagiere viele Rivalen distanzierte. In insgesamt vier Generationen feierte der Cherry Blütenfeste, und bis 1986 belegte er Spitzenpositionen in der Importwertung der Zulassungsstatistik. Nicht zu vergessen, der Cherry war auch Musterknabe in Mängellisten der deutschen Prüf- und Pannendienste. Ein Fundament, auf das 1983 der nachfolgende Nissan Micra baute, der aber ansonsten bis heute seine eigene Erfolgsgeschichte schreibt.
Auch am oberen Ende der Modellpalette hatte Nissan einen Shootingstar im Programm, denn der Datsun 240Z gewann unter Edgar Hermann und Hans Schuller 1971 die legendäre East African Safari Rallye und machte die Marke so schlagartig bekannt. Entstanden war das aufregend gezeichnete Sportcoupé 240Z auf Initiative des Nissan-USA-Chefs Yutaki Katayama, der schnelle Sechszylinder sollte eine erschwingliche Alternative zu europäischen Sportwagenikonen sein. Eine Vorgabe, die der 240Z leicht erfüllte: 1.600 Einheiten wollte Nissan ursprünglich global vom 240Z verkaufen. Über eine Viertelmillion wurden es – damals Weltrekord im Sportwagensegment. Als im Herbst 1978 mit dem 280 ZX eine neue Generation an den Start ging, hatte sich die Z-Baureihe mit insgesamt 531.601 Einheiten einen weiteren Eintrag ins Buch der Rekorde gesichert. Den Traum vom Tokyo Drift verkörperten später auch Nissan GT-R und 370Z.
Letztlich blieben es aber die braven Massenmodelle, die Nissan 1982 zwei Prozent Marktanteil in Deutschland einbrachten und den Rang des größten japanischen Importeurs, inzwischen in neuem Hauptquartier in Neuss. Zur gleichen Zeit zündete Nissan die Erfolgsgeschichte der Allradler in Deutschland. Dem Offroader Nissan Patrol gelang dabei im Behördengeschäft bahnbrechendes: Die Polizei und sogar die Bundeswehr setzten auf das Durchsetzungsvermögen des Allesüberwinders. Schon in den ersten 20 Jahren konnten hierzulande über 100.000 Einheiten des Patrol verkauft werden. Vor allem aber ging der Patrol bald nicht mehr allein auf Patrouille: Die Allradfamilie reichte vom praktischen Pick-Up (ab 1982), über den Terrano (ab 1987), den großen Pathfinder (ab 1998) bis zum X-Trail als SUV (ab 2001) und Wegbereiter für die Crossover-Modelle Murano (ab 2006), Qashqai (ab 2007) und Juke (ab 2010). Wie keinem anderen Generalisten gelang es Nissan allein mit Offroad-Kompetenz und Crossover-Typen einen Platz unter den führenden asiatischen Marken zu finden.
Zum Erfolgsrezept zählten frühzeitig installierte europäische Werke und Entwicklungszentren. Trotzdem erlebte Nissan auch viele Tiefschläge. Fabrikschließungen gehörten dazu und immer wieder der Kampf gegen zwischenzeitliche, massive Verluste bei Absatz und Marktanteilen. Auch im Gold-Jubiläumsjahr 2022 hat Nissan in Deutschland einen Rückgang zu verzeichnen, nur noch gut 18.000 Autos wurden in den ersten neun Monaten verkauft. Zu Bestzeiten Anfang der 1990er waren es aus heutiger Sicht fast unglaubliche 150.000 Zulassungen in zwölf Monaten.
Aber solche Probleme animieren den ältesten, 1911 gegründeten japanischen Autobauer nur, mehr Gas bzw. seit 2012 Strom zu geben. Mit dem Leaf lancierte Nissan damals das erste in Großserie gebaute familientaugliche Elektrofahrzeug. Heute erhält der Leaf Unterstützung durch den auffällig designten Ariya auf neuer EV-Architektur, die gemeinsam von den Allianzpartnern Renault, Nissan und Mitsubishi entwickelt wurde. Und schon 2023 will Nissan in jeder Baureihe ein elektrifiziertes Modell anbieten, an Ideen und raffinierten Konzepten für automobile Feinschmecker fehlt es nicht. So fahren die aktuellen Qashqai und X-Trail nicht als Plug-in vor, sondern mit „e-Power“, sprich rein elektrisch angetrieben – aber den Strom liefern ein Benziner und eine Pufferbatterie. Keine Langweiler, sondern eine ganze Bento-Box voll angesagtem automobilem Sushi soll Nissan wieder auf Kurs bringen.
Fotos: Nissan