Peugeot-Nummernfolge: Vom 301 zum 308

Die dunklen Wolken der Weltwirtschaftskrise schwebten 1932 drohend über dem Pariser Automobilsalon, dem global wichtigsten Laufsteg für Luxusmodelle. Peugeot hatte der Krise bisher mit dem Kleinwagen 201 getrotzt, jetzt aber sollte das wagemutige Konzept des größeren 301 die Kassen füllen. Unter der Devise „stilvoll sparen, aber mit cleveren Ideen neue Haute-Couture-Trends setzen“ kombinierte das Kompaktklassemodell technische Innovationen aus dem 201, wie die vordere Einzelradaufhängung, mit einer damals einzigartigen Karosserievielfalt.

Mehr als 20 verschiedene Aufbauten waren für den 301 lieferbar, vom luxuriösen Viertürer bis zum mondänen Cabriolet, vom schicken, sogenannten Golf-Coupé bis zum sechssitzigen Familiale und ab 1933 schließlich der 301 Eclipse als weltweit erstes Coupé-Cabriolet mit versenkbarem Metalldach. Ein technologisches Wunderwerk, wie die Fachwelt bescheinigte, das sich aber selbst die Mitglieder der Haute volee kaum leisten konnten. Immerhin, der Peugeot 301 hatte sich als Revolutionär einen Namen gemacht und davon profitierte 1936 der stromlinienförmige Nachfolger 302. In den 1970ern waren es dann die Nummern 304 und 305, die in der unteren Mittelklasse kantige Akzente setzten, ehe die folgenden Fastbacks Peugeot 306 bis 309 um die Vormacht unter den Kompakten kämpften. Heute ist es die 308, die als Glückszahl für kompakte Löwenmodelle fungiert und die nach insgesamt 15 Millionen Autos der 300er-Reihe ab 2023 auch über den Stromer e-308 reüssieren soll.

Mit dem kompakten 301 besiegelte Peugeot vor 80 Jahren den bis heute markentypischen Modellcode mit der Null in der Mitte, den der kleine 201 drei Jahre zuvor erfolgreich begründet hatte. Es sind die kleinen Nummern, mit denen die Löwenmarke bis heute die größten Pläne verfolgt: Aus der kompakten Mittelklasse als europäischer Marktnische wurde im 21. Jahrhundert ein globales Massenphänomen, das Peugeot heute mit gleich mehreren 300er-Modellen bespielt. Lange zeigte die letzte Zahl des Typencodes die Modellgeneration an, seit dem 2007 lancierten und in inzwischen dritter Generation gebauten Peugeot 308 ist dieses Prinzip jedoch eingefroren. Seit 2012 ergänzt eine Peugeot 301-Stufenhecklimousine, die aufstrebenden Märkten wie etwa Südamerika, Afrika und Asien vorbehalten ist, das 300er-Portfolio. Auch dem SUV-Hype zollt Peugeot seit 2009 mit dem Crossover 3008 Respekt, und dies gleich zu Beginn mit dem Mut zu einem vermeintlich zukunftsweisenden Antrieb. Ein früher Dieselhybrid, kombiniert mit Allradtechnik, sorgte im 3008 Hybrid4 für Aufsehen, wurde aber vom Markt nicht belohnt.

Experimentierfreudig waren die Franzosen im Zeichen der „300“ dennoch schon immer, und meist setzten sie scheinbar verwegene Ideen auch überraschend schnell durch. Die geniale Idee des Coupé-Cabriolets etwa wurde ab 1934 sofort in den größeren Modellen 401, 402 und 601 adaptiert, ehe sie dann 65 Jahre später erneut Lust auf ganzjahrestaugliche Sonnensegler machte. Mit den Modellen 206 CC, 207 CC, 307 CC und 308 CC wurde Peugeot Produktions-Weltmeister im Klappdachsegment, offenbar konnten nicht einmal VW, Ford, Mercedes oder Opel ihre Hardtops so verführerisch versenken wie die Franzosen.

Flammend-futuristisch und damit in völligem Kontrast zu konventionell-kantigen Kompaktklassemodellen präsentierte sich schon der 1936 vorgestellte Peugeot 302. Die „Ligne Fuseau Sochaux“ (Spindelform aus Sochaux) ohne Trittbretter, mit vollverkleideten Hinterrädern und im Kühlergrill integrierten Scheinwerfern verkörperte pure Avantgarde. So punktete der erschwingliche 302 als Limousine und Cabriolet auch dort, wo sich sonst die Reichen und Schönen in Rolls-Royce oder Maybach ein Stelldichein gaben: Bei den elitärsten europäischen Concours d’Elegance. Mehr als 25.000 Bestellungen nahm Peugeot in nur anderthalb Jahren für den 302 entgegen, während etwa andere Aerodesigns wie der legendäre Volvo P36 Carioca auf keine 500 Einheiten kamen.

Bis in die 1950er Jahre blieb der Peugeot 302 ein begehrter Gebrauchtwagen, einen Nachfolger namens 303 bekam er allerdings nicht. Staatliche Restriktionen führten dazu, dass sich Peugeot in den Nachkriegsjahren zunächst auf wenige Modelllinien beschränkte, ehe 1969 der Typ 304 die Tradition der kompakten Mittelklasse fortführte.

Auch diesmal bleibt die 300er Reihe zuverlässig zukunftsweisend, auch wenn der 304 offenkundig mit dem kleineren 204 verwandt war. Aber fortschrittlicher Vorderradantrieb im Umfeld konservativer Fiat 124, VW 1600 oder Opel Ascona, dazu großzügige Platzverhältnisse in einer nur 4,14 Meter langen und dennoch eleganten Reiselimousine à la Couture Parisienne sowie der erste Dieselmotor für einen Kompakten (abgesehen vom Peugeot 204), das machte die Nummer 304 begehrenswert. So schrieb der auch in Nordamerika verkaufte 304 Geschichte als erster Produktionsmillionär der Baureihe „3…“, wozu auch der Kombi Break, ein formvollendetes Coupé mit Heckklappe und ein Cabriolet aus den Studios von Altmeister Pininfarina beitrugen.

„Keine Experimente“ lautete 1977 die Devise bei der Vorstellung des 305, der ohne angesagtes Fließheck mit konservativem Kofferraum vorfuhr, aber immerhin ab 1980 als familienfreundlicher Lademeister 305 Break (Kombi) im Angebot stand. Die Kunden waren dennoch zufrieden, so liefen bis 1989 über 1,9 Millionen Peugeot 305 vom Band. Gegen VW Golf & Co. zielte allerdings seit 1985 zusätzlich der drei- und fünftürig gebaute Peugeot 309 – auch als GTI. Entwickelt worden war der Peugeot 309 noch als Arizona unter der maladen Peugeot-Tochtermarke Talbot, und trotz dieser Rolle des Außenseiters im Löwenprogramm wurden vom 309 über 1,6 Millionen Einheiten verkauft.

Und dann kam er: „Der Rivale“ in der Golf-Klasse, wie die Werbeplakate den Peugeot 306 im Jahr 1993 feierten. In gleich fünf Karosserieformen, darunter ein vielfach preisgekröntes Cabriolet der Carrozzeria Pininfarina, kombinierte der 306 italienischen Chic mit französischer Raffinesse und Komfort. Sogar Rallyesport konnte der 306. Die erste Produktionsmillion erreichte er deshalb rascher als bis dahin jeder andere Peugeot – und dennoch konnte es der 306 in den Stückzahlen weder mit VW Golf noch mit Opel Astra aufnehmen. Diese Mission erfüllte auch der 2001 eingeführte Peugeot 307 nur kurzzeitig. Stattdessen gewann er die Herzen von Familien durch ein Crossover-Konzept zwischen konventioneller Kompaktlimousine und Hochdachkombi, speziell mit dem siebensitzigen 307 SW und damals gigantisch wirkendem Panoramaglasdach für den Blick auf Sonne, Mond und Sterne. 4,6 Millionen verkaufte Peugeot 307, diese Messlatte konnte bis heute keine der drei folgenden 308-Generationen reißen. Zu groß wurde die Zahl starker Konkurrenten (speziell aus Asien), mit denen die Kompakten aus Sochaux um Marktanteile kämpften. Fit machen für die Zukunft will Peugeot den 308 deshalb heute durch Plug-in-Hybride und den vollelektrischen e-308, Stromer, mit denen der Peugeot-Löwe sein Revier nachhaltig erweitern will.

Fotos: Peugeot

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