Meine Geschichte – Katharina Heinz-Hebisch: Immer 100 Prozent

Ob Titelkampf oder Kellerduell in der LIQUI MOLY HBL, ob Spitzenspiel oder Abstiegsthriller in der Handball Bundesliga Frauen, ob ein Nachbarschaftsderby in der 3. Liga oder die Finalrunde der Deutschen Jugend-Meisterschaft: Seit 2020 können die Schiedsrichter*innen des Deutschen Handballbundes (DHB) bei ihren Einsätzen auf die Unterstützung der KÜS bauen. Jede*r von ihnen investiert viel Zeit und Herzblut in die große Leidenschaft. Doch warum sind sie Schiedsrichter*in geworden? Welchen Weg sind sie gegangen? Und was hat ihre Karriere geprägt? Einer der knapp 300 Unparteiischen des Deutschen Handballbundes ist Katharina Heinz-Hebisch, die gemeinsam mit Sonja Lenhardt dem Bundesligakader angehört. Das hier ist ihre Geschichte.

Als Katharina Heinz-Hebisch Anfang Dezember 2019 einen Blick auf Ansetzungen für den kommenden Monat warf, konnte die Schiedsrichterin es kaum glauben: Wolfgang Jamelle, der damalige Schiedsrichterwart des Deutschen Handballbundes, hatte Heinz-Hebisch gemeinsam mit Teampartnerin Sonja Lenhardt für das Weihnachtsspiel des HSV Hamburg in der 2. Bundesliga der Männer eingeplant. Gegen den TuS Ferndorf würde der frühere Champions-League-Sieger in die große Barclays-Arena ziehen, es war eine Rekordkulisse zu erwarten. 

Bietigheim, Deutschland 22. Mai 2022: 2. BL – 21/22 – SG BBM Bietigheim vs. VfL Lübeck-Schwartau Schiedsrichterin Katharina Heinz

„Als wir die Ansetzungen bekommen habe, habe ich bestimmt dreimal nachgeschaut, ob ich mich nicht verguckt habe und wirklich wir in dieser Zeile stehen“, erinnert sich Heinz-Hebisch mit einem Schmunzeln. „Dann habe ich Sonja angerufen und nur gefragt: Hast du das schon gesehen? Wir dürfen zum HSV, das ist doch verrückt.“  

Wenige Wochen später war es soweit: Heinz-Hebisch und Lenhardt liefen sich auf dem Parkett der Barclays-Arena warm und pfiffen wenig später die Partie vor genau 8.942 Zuschauern an. „Das war völlig surreal“, sagt sie rückblickend. „Ich war zweimal als Zuschauerin in der Halle, als der HSV noch in der 1. Bundesliga gespielt hat – und jetzt stand ich selbst dort unten auf dem Feld. Ich habe diese Momente beim Einlaufen aufgesaugt.“

Unter den rund 9.000 Zuschauern waren – neben ihrem Ehemann – an diesem Dezembertag auch die Eltern von Heinz-Hebisch. „Sie haben mich immer unterstützt und sind unglaublich stolz, aber es ist für sie immer noch ein bisschen verrückt, wenn sie mich auf dem Feld oder bei sportdeutschland.tv sehen“, grinst Heinz-Hebisch. „Keiner von uns hätte gedacht, dass es dazu kommt. Mein Vater hat in Hamburg zu mir gesagt: ‚Ich weiß noch, wie aufgelöst du nach deinem ersten Spiel warst – und jetzt stehst du hier.’“ 

Ihren Anfang nahm die Schiedsrichterkarriere von Heinz-Hebisch 17 Jahre vor dem Weihnachtsspiel in Hamburg, als die damals 14-Jährige zu einem Schiedsrichterkurs geschickt wurde. „Meine Trainerin, Regine Fetzer, hat mich damals einfach angemeldet, weil sie der Meinung war, dass es mir liegt“, erinnert sich Heinz-Hebisch. Zweimal wöchentlich fuhren ihre Eltern die Schülerin abends zu den Schulungen in einen rund 50 Kilometer entfernten Nachbarort. 

Bietigheim, Deutschland 22. Mai 2022: 2. BL – 21/22 – SG BBM Bietigheim vs. VfL Lübeck-Schwartau v.li. Schiedsrichterin Katharina Heinz, Schiedsrichterin Sonja Lenhardt

Nach der erfolgreich absolvierten Prüfung folgte relativ schnell der erste Einsatz in Eislingen/Fils. Da ihr Schiedsrichtertrikot noch nicht geliefert worden war, musste Heinz-Hebisch das Spiel der weiblichen D-Jugend in einem Pullover pfeifen. Auch darüber hinaus lief es „nicht so toll“, wie sie lakonisch zusammenfasst. „Ich wurde beschimpft und es war alles falsch – egal, was ich gemacht habe.“ Als sie die Halle verließ, sagte die 14-Jährige zu ihrem Vater: „Ich pfeife nie wieder.“ Gemeinsam mit dem Schiedsrichterbetreuer gelang es dem Vater von Heinz-Hebisch jedoch, seine Tochter aufzubauen – und sie blieb dabei. Vier Jahre lang fuhren die Eltern ihre Tochter zu jedem Spiel („Die Busverbindungen auf dem Land waren nicht so der Kracher.“), nach ihrem 18. Geburtstag konnte sie endlich selbst fahren. In dieser Zeit leitete Heinz-Hebisch auch ihre ersten Spiele im Erwachsenenbereich. „Ich habe noch selbst gespielt, das Pfeifen lief nebenher“, erinnert sich die Rückraumspielerin, die bis heute noch bei ihrem Heimatverein TSV Heiningen mittrainiert. „Ich habe mich über das zusätzliche Taschengeld gefreut.“ 

Gemeinsam mit ihrer damaligen Partnerin pfiff Heinz-Hebisch auf Bezirksebene. Richtig Fahrt nahm die Karriere an der Pfeife erst auf, nachdem sie sich mit Sonja Lenhardt zusammengetan hatte. „Meine Partnerin hatte andere Pläne als ich“, erinnert sich Heinz-Hebisch – und da die damalige Partnerin von Lenhardt schwanger wurde, stand auch diese zumindest übergangsweise alleine da. „Da gemeinsame Freunde früher mal in einer Mannschaft gespielt haben, kannten Sonja und ich uns – und ich habe sie einfach angerufen und gefragt, ob wir solange zusammen pfeifen wollen, bis ihre Partnerin wieder einsteigen kann.“ 

Da Lenhardt bereits in der Württembergliga gepfiffen hatte, konnte das neu gebildete Gespann Heinz/Lenhardt sofort auf dieser Stufe einsteigen. „Es hat so gut geklappt, dass wir direkt in die 3. Liga aufgestiegen sind“, fasst Heinz-Hebisch zusammen. „Sonjas alte Partnerin konnte sich das nicht vorstellen, sodass wir zusammen geblieben sind.“ Es war der Beginn einer Erfolgsgeschichte: 2014/15 pfiff das Duo in der 3. Liga, wurde nach nur einem Jahr in den Bundesligakader berufen – und stieg 2017/18 sogar in den Elite-Anschlusskader auf: „Plötzlich saßen wir mit den deutschen Top-Schiedsrichtern auf einem Lehrgang, das war schon cool.“ 

Dass sie den rasanten Weg nach oben neben ihrer Leistung auch der speziellen Förderung von Frauen-Gespannen zu verdanken hatten, weiß Heinz-Hebisch. „Hätte es die damalige ‚Frauenschiene‘ nicht gegeben, wären wir nicht so schnell aufstiegen“, unterstreicht sie. „Als man uns den Drittligaaufstieg angeboten hat, wollten wir einfach mal gucken, was geht – dass wir noch weiter aufsteigen, damit hätten wir nie gerechnet.“ 

Die Meilensteine der Karriere hat Heinz-Hebisch sofort präsent: 2016 das erste Spiel in der 1. Frauen-Bundesliga zwischen den Spreefüxxen und Borussia Dortmund („Es ging unentschieden aus, weil Clara Woltering in der letzten Sekunde einen von mir gegebenen Siebenmeter gehalten hat.“), 2018 das erste Spiel in der 2. Männer-Bundesliga („Das war sehr aufregend, ein echtes Highlight.“) und ebenfalls 2018 das Finale um die Deutsche Meisterschaft der weiblichen A-Jugend („Ein mega cooles Spiel, die Halle war voll, es war spannend und ging in die Verlängerung.“). Und eben 2019 das eingangs geschilderte Weihnachtsspiel des HSV Hamburg. 

Bietigheim, Deutschland 22. Mai 2022: 2. BL – 21/22 – SG BBM Bietigheim vs. VfL Lübeck-Schwartau v.li. Niels Versteijnen (VfL Luebeck-Schwartau), Schiedsrichterin Katharina Heinz

Dass sie in den ersten Jahren in der 2. Bundesliga der Männer als weibliche Schiedsrichterinnen noch Exoten waren, störte Lenhardt und Heinz-Hebisch nie. „Wir haben uns nicht damit beschäftigt und unseren Stiefel durchgezogen“, sagt sie. Dass sie zu kämpfen hatten, bestreitet sie nicht, aber die Freude überwiegt: „Wenn wir uns vor dem Spiel warmlaufen, gucken wir uns heute noch manchmal an und denken nur: Hättest du dir vor ein paar Jahren vorstellen können, dass wir ein Teil von diesem Bundesligahandball sein dürfen? Das ist immer wieder ein Glücksgefühl.“ Seit dieser Saison gehören Lenhardt und Heinz-Hebisch nach der Umstrukturierung im Schiedsrichterwesen im vergangenen Sommer wieder dem Bundesligakader an, zu dessen Sprecherin Heinz-Hebisch gewählt wurde. 

Die Fähigkeit, sich durchzusetzen und ihren Stiefel durchzuziehen, hat Heinz-Hebisch über die Jahre auf dem Spielfeld gelernt, was ihr auch beruflich half. Nach einer Ausbildung zur Sport- und Gymnastiklehrerin absolvierte Heinz-Hebisch die Fachlehrerausbildung. Als Krankheitsvertretung stand sie in ihrem ersten Schuljahr vor 18 und 19 Jahre alten Schülerinnen und Schülern – und war selbst erst 22 Jahre alt. „Das war ein bisschen crazy“, schmunzelt sie. Nach der Ausbildung ließ sie noch ein Studium folgen – und hat nun in Englisch, Sport, Philosophie und Hauswirtschaft vier Fächer, die sie an einer Gemeinschaftsschule unterrichtet.

Mit ihren erst 35 Jahren ist sie so bereits 13 Jahre lang im Schuldienst – eine Entscheidung, die sie nicht bereut. Inzwischen ist sie nach ihrer Elternzeit auch wieder zurück und kümmert sich seit dem Frühjahr um die ukrainischen Kinder und Jugendliche, die an die Schule kommen. „Meine Mutter ist Russin, daher spreche ich die Sprache“, erklärt sie. „Als der Krieg angefangen hat, war für mich klar, dass ich etwas tun muss. Wenn ich nichts tun würde, hätte es mich zerfressen.“ Daher absolvierte sie nebenbei eine Sprachbegleiterschulung – und geht wöchentlich in ein ukrainisches Café. Dort hilft sie den Menschen, wo sie kann – ob beim Übersetzen von Papieren oder bei der Jobsuche. Manchmal hört sie auch einfach zu.

Ihr Job als Lehrerin, das Pfeifen, ihr kleiner Sohn und nun das ehrenamtliche Engagement: Zu viel wird das Programm für Heinz-Hebisch nicht. „Ich brauche das; wenn ich einen der Bausteine nicht mehr hätte, würde etwas fehlen“, sagt sie. „Während der Pandemie hat es mich fertig gemacht, nichts zu machen – und so sehr ich die Elternzeit genossen habe, war es immer klar, dass ich schnell wieder einsteigen will, sowohl in den Job als auch in das Pfeifen.“

Dass sie nach der Schwangerschaft mit dem Pfeifen aufhören könnte, stand für sie nicht zur Debatte: „Ich habe immer gesagt, dass ich da weitermachen will, wo wir aufgehört haben“, betont Heinz-Hebisch. „Ich habe Anfang Januar entbunden, habe zehn Tage nach der Geburt mit der Rückbildung angefangen und stand im April wieder auf dem Feld. Die Hebamme hat mir gesagt, dass ich spinne.“ 

Ihr Mann – selbst ehemaliger Handballer – unterstützt Heinz-Hebisch dabei ebenso wie ihre Eltern, die Schwiegereltern und ihre Schwester. „Wenn wir am Wochenende eine Ansetzung haben, ist der Kleine immer durch den Papa versorgt. Das gibt mir Sicherheit – und wenn mein Mann mal nicht könnte, stünde die Familie parat“, beschreibt die 35-Jährige. „Ich bin unglaublich dankbar für den Rückhalt – ohne diese Unterstützung wäre das Pfeifen für uns nicht möglich.“ 

Steckbrief Katharina Heinz-Hebisch

Alter: 35
Beruf: Lehrerin
Familienstand: verheiratet, ein Kind
Schiedsrichterin seit: 2002
Gespannpartner: Sonja Lenhardt
Kader: Bundesligakader
Karriere-Highlight: Weihnachtsspiel des HSV Hamburg in der Barclays-Arena 2019, Finale um die Deutsche Meisterschaft der weiblichen A-Jugend 2018
Ein Traum, der in der Schiedsrichterkarriere (noch) offen ist: Der reguläre Aufstieg in den Elite-Anschlusskader

Fotocredit: Marco Wolf, privat

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