Ein ultrakurzer Kompakter, der alles kann? Also Platz für die Familie, Automatik für Fahranfänger, Frontantriebs-Fahrspaß und Coolness-Faktor. Geht nicht, glaubten vor 50 Jahren fast alle Autobauer. Damals, als noch Straßenkreuzer und muskulöse Modelle beruflichen Erfolg und Sozialprestige kommunizierten, bewirkte ein knallbunt lackierter fernöstlicher Cityhüpfer wie der Honda Civic bei westlichen Konzernbossen nur ein amüsiertes Grinsen. Soichiro Honda kümmerte das nicht, hatte dieser Selfmade-Ingenieur doch schon mit gewagten Motorrädern die globale Marktführung erobert und mit automobilen Rennmäusen wie Honda S 800 renommierte Sportwagen geschlagen.

Jetzt sollte der freche Civic zuerst die Amerikaner und dann Europäer fürs fortschrittliche Frontantriebs-Fahrzeugkonzept mit platzsparendem Quermotor und Heckklappe begeistern. Klar, es gab 1972 schon eine Handvoll moderner Kleinwagen wie den Mini oder den Fiat 127, aber noch keinen 3,40-Meter-Zwerg, der als Weltauto gegen die Fließband-Champions von VW, Chevrolet oder Ford antrat. Soichiro Honda hatte beim Civic das richtige Gespür für den Weg zum Ruhm: Ungewohnt umweltfreundlich, agil und zuverlässig traf der Japaner den Nerv einer jungen Generation – von Tokio über Los Angeles bis Frankfurt. Noch heute, elf Modell-Generationen und 27,5 Millionen Einheiten später, bleibt der Civic einem unkonventionellen Konzept treu: Das garantiert ihm einen Platz in den Top Ten der erfolgreichsten Pkw aller Zeiten.

Konventionelle Bestseller gab es etwa bei Toyota (Publica), Nissan (Cherry), Mazda (Familia), Ford (Escort), Opel (Kadett) oder Peugeot (104) als zwei- oder viertürige Limousine, aber nie mit variablem Interieur und optional großer Heckklappe, die schon bei der ersten Civic-Generation zur Attraktion avancierte. Der in Amerika vielfach preisgekrönte „Compact“ Chevrolet Vega trug zwar bereits eine Klappe am Fastback, war aber mit 4,32 Metern Länge fast einen Meter sperriger als der Civic aus der Kreativwerkstatt von Soichiro Honda.

So eroberte der wahlweise auch mit Mini-Ladeluke und „Hondamatic“-Getriebeautomatik ausgestattete knuffige Japaner zuerst die Herzen der weltoffenen Kalifornier und von dort den Rest der USA. Studenten, Hausfrauen und Großstädter goutierten gleichermaßen die niedrigen Verbrauchswerte, das markante, in spacigen 70er-Jahre-Farben inszenierte Design, aber auch den revolutionär schadstoffarmen und sparsamen CVCC-Magermischmotor. Bis 1983 erfüllte er sogar ohne Abgaskatalysator die strengen US-Abgasnormen.

Schon seit Anfang der 1980er hatte sich der Civic zudem als Designjuwel unter den Kompakten etabliert. Ein Schmuckstück, das nie billig war, aber Avantgarde verkörperte. Sei es als Dreitürer im gewagten Stil eines Shootingbrakes (Civic Generationen III bis V), als Van-Vorreiter Civic Shuttle von 1983 oder als schnelles dreitüriges CRX Coupé, das einen wahren Hype japanischer Bonsai-Sportler initiierte.

Der 3,75 Meter kurze, keilförmige CRX erfüllte auf der IAA in Frankfurt 1983 den jüngsten Traum des Autobauers und leidenschaftlichen Racers Soichiro Honda: Wie schon der 1963 am selben Ort enthüllte Roadster S 500 lud der neue Kraftzwerg die Marke Honda emotional auf – und holte dort Erfolge, wo andere scheiterten. So füllte der Bonsai-Sportler CRX die Lücke, die damals von verblichenen englischen und italienischen Mini-Sportwagen hinterlassen wurde – und er versprach Sport in the City und Fun auf Freeways auf beiden Seiten des Atlantiks. Sogar Frischluftfans verführte der in drei Generationen gebaute CRX: Mit großem Schiebedach oder Targa-ähnlicher Konstruktion konterte der kleine Honda den Toyota MR2 mit T-Bar-Roof und den Roadster Mazda MX-5.

Auf der Klaviatur der Emotionen spielt zudem seit 2001 der Civic Type-R. Ein Hochleistungsathlet, der im Wettbewerb – etwa bei der VLN-Serie auf dem Nürburgring – ebenso wie im Alltagsverkehr durch atemberaubende Drehfreudigkeit (8.000 Touren) und Tempo (bis 272 km/h Vmax, weil keine Abregelung wie bei Golf GTI & Co.) Kultstatus erlangt hat.

Technisch spektakulär war zudem der Civic Nummer sieben, der ab 2003 in Hybridversion IMA als erster Kompakter den Toyota Prius herausforderte. Allerdings arbeitete der Elektromotor im IMA nur unterstützend zugunsten gesteigerter Fahrdynamik, vollkommen emissionsfrei fahren konnte dieser eigenwillige Civic nicht. Das verhinderte zunächst eine Millionenauflage, stärkte jedoch den Ruf von Honda als Motorenmagier fürs Fahrvergnügen. Auch einen Diesel für die Selbstzünder-hungrigen Europäer gab es inzwischen.

Die Civic-Story geht weiter: Zum 50. Geburtstag der Modellreihe startet im kommenden Herbst der Import der elften Kompakt-Generation aus Nippon. Alles wie am Anfang, und der Samurai bleibt für Überraschungen gut.

Fotos: Honda

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