Vanderhall Dance: Dreirad mit Pferdestärken

Auf den ersten Blick erinnert der offene Zweisitzer ein wenig an den Morgan Threewheeler. Wie das skurrile Relikt aus England ist der Venice ein Dreirad mit zwei Rädern vorne und einem hinten und dazwischen einem Einbaum für zwei Personen, die tief unten auf dem Asphalt kauern und sich nur mühsam hinter einen gläsernen Windabweiser ducken können.

Doch erstens gibt’s im Venice bei 3,65 Metern Länge und 1,75 Metern Breite auch ohne Trauschein genug Platz für ein sittlich-moralisch unbedenkliches Nebeneinander, und zweitens – und das ist viel wichtiger als das bisschen mehr Komfort, die Sitzheizung, der Bluetooth-Sound, Tempomat oder die grimmigen LED-Brenner hinter dem Kühler – hat der Venice anders als der Morgan Frontantrieb und die wuchtige Walze an der breiten Schwinge im Heck läuft nur hinterher. Zwar ist er damit nicht ganz so agil und es fehlt ein wenig am Nervenkitzel, doch ist der Tanz mit dem umgekehrten Trike so auch nicht ganz so riskant: Statt auf Messers Schneide zu reiten, surft man mit dem Venice deshalb ganz easy dahin und schon nach wenigen Metern fühlt sich selbst die Weser-Uferstraße ein bisschen an wie der Pacific Coast Highway.

Den Soundtrack dazu spielt ein 1,5 Liter großer Turbo, den wir als kreuzbraven Vierzylinder aus dem Opel Insigna kennen. Doch Vanderhall kitzelt ein bisschen mehr Leben aus dem ansonsten eher müden GM-Triebwerk. Nicht nur, dass schon das Basismodell 185 PS bietet und mit neuen Chips auch Upgrades auf 220 oder 250 PS drin sind. Zudem faucht und schnauft der Turbo jetzt bei jedem Gasstoß wie eine Natter vor dem Angriff und bläst den Druck danach genauso spektakulär wieder ab.

Zwar ist die Idee vom Dreirad ziemlich alt, lassen sich die Wurzeln des Vanderhall doch zurückverfolgen bis zum ersten Morgan Threewheeler vom Anfang des letzten Jahrhunderts. Doch haben die Amerikaner daraus nicht nur ein bequemeres Auto mit etwas – nun ja – berechenbareren Fahreigenschaften gemacht. Sie gehen auch mit der Zeit und haben deshalb eine mittlerweile offenbar unvermeidliche Elektroversion am Start. Die wird zwar gerade noch einmal komplett umgekrempelt und dabei mit eigenen Motoren bestückt, verspricht dann aber für knapp 47.000 Euro mit zwei Mal 52 kW/70 PS, bis zu 170 km/h und rund 300 Kilometer Reichweite.

Aber das ist nicht die einzige große Neuerung, an der sie drüben in Provo im US-Staat Utah tüfteln. Parallel dazu arbeiten die Amerikaner auch an einem urtümlichen Offroader, der – natürlich ebenfalls elektrisch – als Brawley im nächsten Jahr als Mischung aus Jeep Wrangler und Toyota Land Cruiser zu Preisen ab 35.000 Dollar mit über 400 PS und ebenfalls mehr als 300 Kilometern Reichweite an den Start gehen soll. Dann heißt es in Provo allerdings nicht mehr, aller guten Dinge sind drei. Sondern dann lautet die Botschaft plötzlich: Vier gewinnt.

Fotos: Benjamin Bessinger

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