Das Jahr hatte den Japanern viel abverlangt, deshalb wirkte der im November 1966 eingeführte Toyota Corolla wie das Versprechen auf eine bessere Zukunft, besonders für Familien. Der fernöstliche Aberglaube an das Feuerpferd-Jahr des chinesischen Kalenders hatte zu einem dramatischen Geburtenrückgang geführt, dazu gab es Naturkatastrophen und erstmals Streiks im öffentlichen Nahverkehr. Und das in einer Dekade, in der es den Japanern wirtschaftlich so gut wie nie zuvor gegangen war. Für Toyota Anlass, den Aufschwung mit dem neuen Massenmodell Corolla anzutreiben. Kompaktklasseautos hatte es bis dahin in Nippon nicht gegeben, aber 1966 stand neben Toyota auch Nissan am Start. Deshalb signalisierte der Corolla seinen Führungsanspruch in diesem Duell schon im lateinischen Namen, der Bezug nahm auf eine Blütenkrone und inspiriert war durch Japans älteste Ikone der Dichtkunst, die „Zehntausend-Blätter-Sammlung“ aus dem Jahr 759. So trugen die frühen Corolla eine Krone mit drei blühenden Kirschpflanzen, die sich weltweit vermehren sollten. Tatsächlich schienen die Toyota-Ingenieure erfüllt von einem fast missionarischen Geist, den Corolla als Fahrzeug zu kreieren, das Japan und den Globus ein Stück besser machte. Bezahlbar, in beispielhafter Produktqualität, aber auch als Pionier für Abgasreinigung überholte der Corolla in 50 Millionen Einheiten alle, das Ford Model T ebenso wie VW Käfer und Golf.

Mitte der 1960er waren Großserien-Pkw weltweit Symbole für Vollbeschäftigung und Wohlstand, den sich möglichst viele leisten konnten. Die Japaner gingen sogar noch einen Schritt weiter, denn im Inselreich galten „Die drei C’s“ als gesellschaftliches Ziel, nämlich (Air) Conditioning, Colour Television und Cars. Genau deshalb trägt der C(!)orolla eine Blütenkrone in C-Form. Ein Toyota, der Automobilität für junge japanische Familien erschwinglich machen sollte, aber explizit als allererster asiatischer Exportartikel „For Everyone on Earth“, also für alle Erdteile, bestimmt war. Dieses gegenüber der Presse als „friedlich und völkerverbindend“ deklarierte Vorhaben erforderte natürlich wirtschaftliche Triumphe und diese Siege gegenüber Nissan (Sunny) und den ebenfalls global agierenden Giganten aus USA (GM, Ford und Chrysler) sowie Wolfsburg, Turin (Fiat) und Frankreich (Renault, Peugeot) erkämpfte sich Toyota auf bis dahin beispiellose Art. Dazu gehörte die Errichtung riesiger Werksanlagen für den Corolla, der Takaoka Auto Works in Toyota-City, die es in der Kapazität sogar mit den gigantischen Fabriken in Detroit oder von VW aufnehmen konnten. Außerdem sollte der Corolla das erste Null-Fehler-Fahrzeug in der Geschichte des Automobilbaus sein. „Fehler werden nicht verziehen“, hatte die Konzernführung ihren Managern und allen Medien mitgeteilt als die ersten Exemplare der 3,85 Meter langen, zunächst nur zweitürigen Limousine mit 43-kW/58-PS-Motor vom Band liefen.

Klappt nicht, dachten die Konkurrenten damals. Sogenannte Kinderkrankheiten unausgereifter Modelle waren üblich und Fahrzeugmängel wurden oft erst nach Kundenreklamationen abgestellt. Toyota aber bewies mit dem Corolla, warum sie als erster Autobauer den Deming Award für Verdienste um das Total-Quality-Management erhalten hatten. Bereits 1967 überraschte der Corolla die Besucher des Pariser Automobilsalons mit serienmäßig fast kompletter Ausstattung – ein Erfolgsgeheimnis, das 1971 auch den Deutschlandstart erleichterte. Was dem Toyota jedoch – damals bereits in zweiter Generation und auch als schickes Sprinter-Coupé im Angebot – nicht den Stammtisch-Spottnamen der „billigen Reisschüssel“ ersparte, wie ihn Opel-Kadett-, Ford-Escort- oder VW Käfer-Fahrer aufbrachten. Gewiss, die Technik mit hinterer Starrachse war noch simpel und die Laufkultur der maximal 43 kW/58 PS starken Vierzylinder rau, aber diese Autos liefen und liefen wie sonst nur der Käfer. Vom dem sie sich allerdings durch regelmäßige Modellwechsel im vier- bis fünf-Jahresturnus differenzierten. Trotzdem: Einmal Toyota, immer Toyota, dachten viele Kunden.

Tatsächlich implementierten die Japaner ihre Qualitätsmaßstäbe in allen Corolla-Werken in bald 20 Ländern rund um den Globus und die häufigen Modellwechsel boten die Chance, neue Technologien und Ideen früher als andere einzuführen. Abgaskatalysatoren gibt es für den Corolla schon seit 1974, effiziente Zwölf- und 16-Ventil-Motoren seit 1983 und 2010 übernahm er die Vorreiterrolle als erster kompakter Vollhybrid. In dritter Generation und nach fünf Millionen Einheiten zeigte der Corolla Mitte der 1970er seine Rallye-Talente, während der Liftback das bis dahin exklusive Shootingbrake-Konzept bezahlbar machte. Als sportiver AE86 bzw. Coupé GT mit eigens konstruiertem Hinterradantrieb avancierte der Kompakte Mitte der 1980er zum König der Driftszene in Japan mit einem Kultstatus, der hierzulande vergleichbar ist mit dem Porsche 911. Genau diesen von Fans „Hachi-Roku“ genannten Corolla AE86 zitiert heute das Sportcoupé Toyota GT86 im Namen. Und dann kam die sechste Corolla-Generation (ab 1987) mit dem Tercel 4×4, ein früher kompakter Crossover, dessen Erfolg 1994 direkt zur Entwicklung des RAV4 führte. Heute ist der RAV4 der globale Verkaufskönig unter den Kompakt-SUV. Gewiss, es gab damals auch einen Volkswagen Golf Country oder kompakte französische Crossover, aber es waren vorerst nur die Konstruktionen aus Toyota-City, die nachhaltig reüssierten.

Zu einem europäischen Fahrzeug wurde der Corolla übrigens erst 2002, denn seitdem werden die für Europa vorgesehenen kompakten Toyota auch hier entwickelt und gebaut. Verkauft wurde der Corolla mittlerweile in über 160 Ländern und mit einer zwischenzeitlichen Gesamtzahl von 23 Millionen Einheiten hatte er sich den Rang des populärsten Pkw aller Zeiten gesichert. Dazu trugen längst auch Cabriolet-Umbauten für Frischluftfans oder Vans wie der Corolla Verso bei.

Ab 2007 setzte Toyota auf den neuen und für viele Interessierte merkwürdig anmutenden Namen Auris – lediglich die Stufenheckversion nannte sich weiterhin Corolla – dann gab es obendrein nur noch eher biedere Versionen ohne Pulsbeschleunigung. Für eine solche hatte etwa die heißblütigen Corolla Kompressor gesorgt. Speziell in Amerika und Europa etablierten sich Hyundai und Kia als scharfe Herausforderer.

Konzern-Chef Akio Toyoda ließ deshalb 2018 die Kirschblüte weltweit zu neuer Kraft finden und so wurde die 50-Millionen-Produktionsmarke 2021 von einem Corolla Hybrid geknackt. Wann es vollelektrisch weiter geht? Dazu äußert sich Akio Toyoda und somit Toyota noch nicht.

Fotos: Toyota

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