Handball: GeKÜSste Schiedsrichter im Einsatz beim Final4

Der überraschende Coup des TBV Lemgo beim REWE Final4 in Hamburg oder der Finaleinzug des großen Außenseiters HL Buchholz-Rosengarten beim OLYMP Final4 in Stuttgart: Die Finalturniere um den DHB-Pokal schaffen stets bleibende Erinnerungen - und das nicht nur für die Mannschaften und Fans, sondern auch für die Schiedsrichter:innen. Insgesamt sechs Gespanne kamen bei den Final-Four-Turnieren in Hamburg und Stuttgart zum Einsatz, zwei Teams durften sich dabei über ein Debüt freuen: Während Julian Köppl und Denis Regner in Stuttgart ihre Final-Four-Premiere feierten, wurden Colin Hartmann und Stefan Schneider erstmals für das REWE Final4 nominiert.

Über 700 Spiele für den Deutschen Handballbund, den Supercup der Männer, das Pokalfinale der Frauen: Colin Hartmann und Stefan Schneider können bereits auf zahlreiche und auch einige prestigeträchtige Einsätze zurückblicken. Die Ansetzung für das REWE Final4 2020 war jedoch auch für die beiden erfahrenen Unparteiischen „eine ganz besondere Nominierung“, wie das Gespann aus Magdeburg betont. „Es gibt Spiele, die man unbedingt erreichen will – und das Final Four in Hamburg gehörte für uns immer dazu.“

Nach 25 gemeinsamen Jahren als Schiedsrichter war es in diesem Jahr endlich soweit. „Man rechnet und hofft natürlich immer, dass man dran ist“, gesteht Schneider ein. „Dieses Jahr hatten wir ein gutes Gefühl – auch, weil der SC Magdeburg nicht qualifiziert war. Dass wir dann tatsächlich nominiert wurden, hat uns echt gefreut – und dann lief auch eigentlich alles nahezu perfekt.“

Zwar sorgte das Halbfinale zwischen dem THW Kiel und dem TBV Lemgo Lippe für Schlagzeilen, doch die Leistung von Hartmann/Schneider war kein Thema – für Schiedsrichter in der Regel ein sehr gutes Zeichen. Ebenso unauffällig wie souverän leitete das Duo das Spiel, in dem die klar favorisierten Zebras mit einem Sieben-Tore-Vorsprung in die Kabine gingen.

„Wir haben uns in der Halbzeitpause gesagt: Wir bleiben dran – das Ding ist noch nicht durch“, erinnert sich Hartmann. Schneider ergänzt: „Die Bedeutung ist einfach zu groß. So ein Halbfinale pfeifst du vielleicht nur einmal in deinem Leben und da wollten wir am Ende rausgehen und sagen können: Wir haben unsere beste Leistung abgeliefert. Das ist für uns völlig unabhängig vom Spielstand.“

Für das Duo war klar: Volle Konzentration auch in den zweiten 30 Minuten, während einige Fans die Partie innerlich wohl bereits abgehakt hatten. „Du darfst als Schiedsrichter aber auch bei so einem vermeintlich deutlichen Spiel nicht herunterfahren“, unterstreicht Hartmann noch einmal nachdrücklich. „Es kann jederzeit kippen.“ Und genau so kam es auch – der THW gab den Vorsprung aus der Hand und am Ende jubelte der TBV Lemgo Lippe über einen hauchdünnen Ein-Tore-Sieg.

Ihren lang ersehnten Einsatz konnten Hartmann/Schneider allerdings erst hinterher richtig genießen. „Natürlich will man alle Eindrücke aufsaugen, aber mit dem Anpfiff war der Fokus auf der Aufgabe“, beschreibt Schneider. „Die Lasershow war natürlich toll und auch die Momente, als wir im Tunnel darauf gewartet haben, dass wir einlaufen durften, waren etwas besonderes. Als wir allerdings auf dem Feld standen, war es genau so ein Spiel wie jedes andere auch.“

Dass sie ihren ersten – und eventuell einzigen – Einsatz in Hamburg bei der „Corona-Auflage“ des Events hatten, stört die beiden Schiedsrichter nicht. „Wir würden uns das ganze Erlebnis zerstören, wenn wir uns jetzt ärgern, dass die Halle nicht ausverkauft war“, fasst Schneider zusammen. „Es gibt so viele, die nie die Chance bekommen, ein Halbfinale zu pfeifen. Wir sind einfach froh und glücklich, dass wir diese Ehre hatten.“

Köppl/Regner: „Diese Bilder werden wir nicht vergessen.“

Während sich Hartmann/Schneider in Hamburg immerhin über eine Kulisse von 1.600 Fans freuen durften, fand das OLYMP Final4 in Stuttgart zwei Wochen zuvor mit nahezu leeren Rängen statt. Neben den Teams und Funktionären durften lediglich vier Trommler pro Mannschaft in die Arena. Doch ähnlich wie ihre erfahrenen Kollegen aus dem Elitekader ließen sich auch Julian Köppl und Denis Regner davon die Freude und den Stolz nicht trüben.

„Als wir die Nominierung erhalten haben, dachte ich nur: Wow, krass – da steht echt der eigene Name“, erinnert sich Köppl mit einem Schmunzeln, während Regner ergänzt: „Natürlich ist es schade, dass das Drumherum nur eingeschränkt möglich war, aber die Vorfreude war einfach riesengroß. Es hat uns stolz gemacht, dass man uns diese verantwortungsvolle Aufgabe zutraut.“

Die beiden Rheinhessen pfiffen zu Beginn ihrer Karriere zunächst mit anderen Gespannpartnern, sie kannten sich in erster Linie als Gegenspieler auf dem Feld. Seit 2012 sind sie gemeinsam unterwegs und stiegen innerhalb von drei Jahren aus der Jugendbundesliga bis in die 1. Männer-Bundesliga auf. „In der Oberliga habe ich gesagt, dass ich in die Bundesliga will – damals wurde ich dafür noch belächelt“, erinnert sich Regner.

nzwischen pfeifen Köppl/Regner seit sechs Jahren in der deutschen Beletage – und gaben nun beim Halbfinale zwischen der TuS Metzingen und dem späteren Pokalsieger SG BBM Bietigheim auch ihre Final-Four-Premiere. „Das war eine supercoole Erfahrung“, freut sich Regner „Vom persönlichen Stellenwert steht das schon höher als ein normales Spiel.“

Morgens beim Aufstehen sei er daher auch „ultranervös“ gewesen, wie Regner eingesteht. „Jeder Pfiff kann entscheidend sein, denn es geht um einen Titel.“ Auch Köppl spricht von „viel mehr Druck“ und einer erhöhten Nervosität, sagt allerdings auch: „Solche Gedanken sind nur hinderlich. Daher versucht man in so einem Spiel, den eigenen Kopf austricksen, um die nächste Entscheidung bestmöglich treffen zu können.“

Ähnlich wie Hartmann/Schneider konnten auch Köppl/Regner das Erlebnis erst im Nachhinein genießen. Die besonderen Eindrücke – wie der Einlauf im Spotlight, der für Schiedsrichter kein Alltag ist – haben sich „eingebrannt“, wie Köppl das nennt. „So konnten wir alles „on demand“ noch einmal erleben, schon auf der Heimfahrt haben wir darüber gesprochen. Diese Bilder werden wir nicht vergessen.“ Und nachdem das Duo nun einmal Final-Four-Luft schnuppern durfte, träumen auch sie vom REWE Final4. Regner: „Es ist ganz klar das Ziel, irgendwann nach Hamburg zu kommen – und bei den Frauen das Finale zu leiten.“


Die Schiedsrichter der beiden Final-Four-Turniere

OLYMP Final Four

  • Ramesh Thiyagarajah / Suresh Thiyagarajah
    Halbfinale: HL Buchholz-Rosengarten vs. HSG Blomberg-Lippe
  • Julian Köppl / Denis Regner
    Halbfinale: SG BBM Bietigheim vs. TuS Metzingen
  • Tanja Kuttler / Maike Merz
    Finale: HL Buchholz-Rosengarten vs. SG BBM Bietigheim

REWE Final Four

  • Colin Hartmann / Stefan Schneider
    Halbfinale: THW Kiel vs. TBV Lemgo Lippe
  • Nils Blümel / Jörg Loppaschewski
    Halbfinale: MT Melsungen vs. TSV Hannover-Burgdorf
  • Robert Schulze / Tobias Tönnies
    Finale: TBV Lemgo Lippe vs. MT Melsungen

Bilder: Marco Wolf, DHB

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