Dieses Bertone-Coupé beschleunigte BMW in die Aufbruchstimmung der 1960er Jahre. Tatsächlich waren es in italienischer Leichtigkeit gezeichnete Autos wie der Gran Turismo 3200 CS, mit denen sich die krisengeschüttelten Bayern aus der Ära barocker Luxusliner befreiten und als weltweit erfolgreiche Premiummarke etablierten

München-Mailand, diese transalpine Verbindung hat BMW in Jahren der existenziellen Krise Glück gebracht. Waren es in den 1950ern die winzige Iso-Lizenz Isetta und der von Stardesigner Michelotti eingekleidete BMW 700, die Geld in die leeren Kassen des Herstellers der wenig populären Prachtkarossen BMW 501/502 spülten, gelang den Münchnern der richtige Relaunch vor 60 Jahren mit den Modellen BMW 1500 „Neue Klasse“, inspiriert von Michelotti, aber auch mit dem gleichzeitig lancierten und heute zu Unrecht fast vergessenen BMW 3200 CS (Typ 532). Legte doch dieser von Giorgio Giugiaro bei der Carrozzeria Bertone in Form gebrachte Gran Turismo einen weiteren Grundstein für den Aufstieg von BMW „unter die fünf besten Marken der Welt“. Ein Prädikat, das die amerikanische Fachpresse den „Bavarian Motor Works“ 1965 zum Ende der kurzen Karriere des in nur gut 600 Einheiten gebauten 3200 CS zuerkannte. Mit der Einstellung dieses exorbitant teuren Bertone-Coupés zog BMW zugleich einen endgültigen Schlussstrich unter die verlustbringende V8-Oberklasse 501/502 aus der ersten Nachkriegsdekade, deren souveräne Technik den 3200 CS ab 1961 in die 200-km/h-Liga beschleunigte. So schnell waren damals sonst eher Supersportler wie der brandneue Jaguar E-Type oder die Aston Martin DB. Aber James Bond in einem BMW 3200 CS? An fehlender Faszination des Designs kann es nicht gelegen haben. Dessen distinguierte DNA gab der Giugiaro-GT sogar weiter an den 1965 eingeführten BMW 2000 C/CS und die 1968 folgenden Sechszylinder-Coupés (E9), wie die Formgebung der Hardtop-Dachkonzepte zeigt.

Dazu gehört übrigens auch ein bis heute legendäres BMW-Designmerkmal, das 1961 beim Bertone-Coupé sein Debüt gab und außerdem die Neue Klasse kennzeichnete: Der Übergang von der C-Säule zum Wagenkörper war aus Gründen stärkerer Stabilität nicht mehr rund, sondern in einem Knick ausgeführt. Die Geburt des sogenannten Hofmeister-Knicks, benannt nach dem BMW-Chefdesigner Wilhelm Hofmeister, der die Formen des genialen Coupé-Entwurfs vom damals gerade erst 22-jährigen Giugiaro nur geringfügig überarbeitete. Aber auch sonst blieb der geradlinige 3200 CS wichtiger Botschafter eines Jahrzehnts revolutionärer Veränderungen, das selbst sanft angedeutete Heckflossen, wie sie 1961/62 noch bei den neuen Mercedes SE-Coupés inauguriert wurden, schlagartig altmodisch aussehen ließ und auf geschwungene Chromzierleisten oder Bonbonfarben verzichtete. Stattdessen betonte der Verzicht auf eine B-Säule die lichte Leichtigkeit des Dachpavillons beim 3200 CS, dessen vier rahmenlose Seitenfenster sich serienmäßig elektrisch versenken ließen, damals in Europa noch eine ultraluxuriöse Finesse.

Neu waren auch die kreisrunden Rückleuchten inklusive zentral angeordneter Blinker, mit denen sich der temperamentvolle Gran Turismo allen Überholten zu erkennen gab. Ein Typenschild trugen die bei Bertone gebauten und dann zur Endmontage nach München transportierten Coupé-Karosserien nämlich nicht alle, mancher Eigner verzichtete aus Understatement darauf. Dann mussten die Heckleuchten des sprintstarken Zweitürers genügen, ein ikonischer Identitätsausweis, den die 1966 lancierte BMW Nullzweier-Reihe mit ihren runden Rücklampen adaptierte. Nur an einem Detail fehlte es den Leuchten, dem Markenschutz. Den konnten die Münchner nicht bekommen, hatte doch ein anderer italienischer Designer, Sergio Sartorelli, dem gleichfalls 1961 vorgestellten VW-Karmann Ghia (Typ 34) eine Heckgestaltung spendiert, die dem BMW 3200 CS fast zum Verwechseln ähnlich war. In Führungsposition zeigte sich der Bayer dafür bei den Fahrleistungen. „Die Beschleunigung ist enorm“, erklärte die Werbung: „In 12 Sekunden klettert die Tachonadel von 0 auf 100 km/h. Und schon nach knapp einer Minute pendelt sie um die 200-km/h-Marke!“ Eine kühne Ansage, wagte doch kein Konkurrent des CS damals die Angabe einer Beschleunigungszeit bis zur Vmax. Andererseits bestätigten Fachjournalisten in Tests das furiose Temperament des komfortabel abgestimmten Viersitzers, der als letzter BMW über einen konservativen, sogenannten „Vollschutz-Rahmen“ verfügte, mit dem die Karosserie fest verschweißt war.

Während die UNO 1961 konstatierte, dass Deutschland in Relation zur Bevölkerungszahl die meisten Verkehrstoten aller hochmotorisierten Länder zu beklagen habe, und Metropolen wie die BMW-Heimatstadt München angesichts der Belastungen durch den Straßenverkehr überlegten, die Neuzulassung von Autos einzuschränken, erreichte die bundesdeutsche Pkw-Produktion Rekordniveau, nur die USA fertigten noch mehr Autos. Das Wirtschaftswunder hatte den Deutschen Wohlstand gebracht und der spiegelte sich in der Nachfrage nach immer größeren Fahrzeugen – und exklusiven Coupés. Plötzlich gab es nicht nur die neuen Mercedes Coupés 220 SE/300 SE und noble Zweitürer von Alfa, Lancia, Fiat oder Facel-Vega, sondern ab Mitte der 1960er sogar V8-Coupés von Opel (Diplomat) und Glas (2600). Entsprechend optimistisch sahen Experten die Absatzchancen des schon 1961 vorgestellten, aber erst ab Februar 1962 ausgelieferten BMW 3200 CS, dessen zukunftsweisende Konturen keine Verbindung mehr zu den konstruktiv eng verwandten und betagten „Barockengeln“ 501/502 aufkommen ließen. BMW betonte vielmehr zeitgemäße Sicherheitsdetails des sich auf repräsentative 4,83 Meter Länge streckenden Bertone-Coupés, darunter großzügig dimensionierte Scheibenbremsen, gepolsterte Kanten des Armaturenbretts (ab 1963 in Edelholz) und optionale Sicherheitsgurte (86 Mark pro Sitz). Verabschieden muss sich das V8-Coupé nach nur vier Jahren Bauzeit – passgenau zum Start des 2000 C/CS mit gleicher Bella Figura, aber „ profanem“ Vierzylinder.

Fotos: BMW

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