Einzigartig war auch das kreative Karosserieportfolio, in dem der kleine Fiat angeboten wurde. Nicht weniger als zehn werksseitige Aufbauten standen für den Miniflitzer bereit, allerdings differierte das Angebot je nach Markt. So gab es in Deutschland neben Zwei- und Dreitürern italienischer Provenienz auch vier- und fünftürige spanische Seat 127 sowie Fiorino-Transporter und Pick-ups brasilianischer Herkunft. Nur vereinzelt anzutreffen war dagegen der Fiat Rustica, als mutiger Versuch, die Crossover-Mode des 21. Jahrhunderts mit rustikalen Offroadapplikationen vorwegzunehmen. Nicht zu vergessen der auf 3,92 Meter gestreckte Fiat 127 Panorama als global erster Kleinwagen-Kombi mit knausrigem Dieselmotor. Mit einem spektakulär niedrigen Normverbrauchswert von nur 5,1 Liter Diesel pro 100 Kilometer deklassierte dieser ebenfalls in Südamerika gebaute Fiat nicht nur alle anderen Kombis, er brillierte 1981 hierzulande auch als zweiteffizientestes Fahrzeug am Markt, übertroffen nur von VW Golf- und Jetta-Diesel.
Als verführerischer Sympathieträger sonniger italienischer Lebensart zeigte sich der Fiat außerdem in Form eines von der Carrozzeria Moretti elegant eingekleideten Coupés, als Strandauto Moretti Midimax oder Samba, als vielseitiger Hochdachkombi Moretti Palinuro oder als Frua Dingy für Beachvolleyball-Fans. Und dann gab es noch den Coriasco Giardinetta im Shootingbrake-Design, den ebenfalls bei Coriasco gefertigten Jagdwagen Scout, das von Lombardi realisierte extravagante viertürige Fastback Lucciola sowie die offenen Funcars Bertone 127 Village und Lombardi 127 Holiday. Nicht zu vergessen die adrenalinhaltigen Dynamiker von Giannini und Progetto Sport als direkte Vorboten des volumenstarken 127 Sport 70 HP, der 1978 europaweit in den Schauräumen der Fiat-Händler auftauchte.
Während die 34 kW/45 PS leistende Basisversion des Fiat 127 damals noch das 0,9-Liter- Triebwerk aus dem Heckmotorvorgänger Fiat 850 (Coupé) nutzte und damit auch Ende der 1970er Jahre zu den billigsten Autos auf dem deutschen Markt zählte, arbeitete im 127 Sport bereits ein 51 kW/70 PS freisetzendes 1,05-Liter-Aggregat, das den 755 Kilogramm leichten und Rallyestreifen- sowie Spoiler-geschmückten Heißsporn auf 160 km/h beschleunigte. Damit konnte der vorzugsweise in schrillem Racing-Orange lackierte Fiat fast allen damals populären sportiven Statussymbolen junger Männer seinen Abarth-Auspuff zeigen, also speziell den angesagten 1,6-Liter-Ford Capri und Opel Manta, aber auch BMW 316 und natürlich den kleinen Kraftzwergen von Audi 50 GLS bis Fiesta S.
Sogar gegenüber dem konzerninternen Konkurrenten Autobianchi A112, mit dem er sich die Antriebseinheit teilte, fuhr der Fiat laut zeitgenössischer Vergleichstests davon. Noch mehr Dampf unter der Haube hatte das 1981 vorgestellte Facelift des 127 Sport. Mit 55 kW/75 PS aus 1,3 Liter Hubraum konnte sich der bereits zehn Jahre alte Turiner sogar gegen Nachwuchsstars, wie das 1982 lancierte Polo Coupé behaupten. Allein der Renault 5 Alpine erwies sich immer als unbezwingbar, spielte allerdings auch in einer viel höheren Preisliga.
Wie kein anderer Konzern der Welt verstand es Fiat damals, mit kleinen Autos global große Geschäfte zu machen, und dem Fiat 127 kam vor 50 Jahren dabei die Schlüsselrolle zu, den italienischen Industrieriesen in die Moderne zu führen. Während Wettbewerber wie NSU Prinz/1000, Simca 1000, Hillman Imp oder VW Käfer 1200 weiter am Heckmotor festhielten, ersetzte der Fiat 127 das konstruktiv vergleichbar gestrige Duo Fiat 850 und Fiat 770, und er gewann in den eleganten Formen von Pio Manzù sogar konservative Käufer, denen etwa der 1972 eingeführte Renault 5 mit seinen provokativen Plastikstoßfängern zu progressiv erschien. Während die italienischen Musikcharts vom sonnigen „La canzone del sole (Lucio Battisti)“ bestimmt wurden, festigte der frontangetriebene Typ 127 Fiats Vormachtstellung in Italien und in vielen aufstrebenden Märkten. Jeder zweite in Italien verkaufte Neuwagen trug damals das Fiat-Logo, ein Ziel, das der Turiner Autobauer auch in Brasilien und Argentinien anstrebte, über das Montagewerk von Livingstone Motor Assemblers im afrikanischen Sambia verfolgte und via Seat-Lizenz in Spanien realisierte. In Osteuropa reüssierte der Fiat 127 in Polen und als Genspender für den berühmt-berüchtigten Zastava Yugo aus Jugoslawien, der sogar in Nordamerika verkauft wurde.
Fotos: Autodrom, Fiat
Konkurrierte der 1969 eingeführte, erste kompakte Frontantriebs-Fiat vom Typ 128 in der Disziplin „Schnellroster“ noch mit „Korrosionskönigen“ wie dem Alfasud, profitierte der Fiat 127 zügig von einem neuen Lackierverfahren inklusive Rostschutzbehandlung und einem Garantieversprechen gegen die braune Pest. Maßnahmen, die das italienische Volksauto ebenso zum Longseller prädestinierten wie die mechanische Robustheit, die von Fachmedien in Dauertests herausgestellt wurde. Über 50.000 nahezu defektfreie Kilometer mit einem hochdrehenden 0,9-Liter-Motor – die 34 kW/45 PS standen erst bei 6.000/min bereit – waren Anfang der 1970er geradezu sensationell. So wundert es nicht, dass der jeweils 1977 und 1981 an Front und Heck durch zeitgeistige Kunststoffapplikationen aufgefrischte Kleinwagen seine Antriebstechnik auch noch im 1980 vorgestellten Panda 45 weiterleben ließ.
Abgelöst wurde der 127 in Europa erst durch den 1983 eingeführten Uno, der seinem Namen Ehre machte und wie schon der 127 die Marke Fiat noch einmal an die Spitze der europäischen Verkaufscharts führte. Und noch etwas verbindet die Typen Uno und 127: Beide Italiener sind heute fast verschwunden, von den Straßen und auch aus dem kollektiven Gedächtnis.