Als erste Geburtsstätte gilt das Städtchen Traunreut, in Sicht- und Rufweite zum nordwestlich gelegenen Chiemsee, wo Konstrukteur Brütsch lebte. Der Entwicklungsingenieur Hans Ledwinka, der von den tschechischen Tatra-Werken kam, erhielt dann aus Nürnberg den Auftrag, aus einem noch unvollkommenen Dreirad ein richtiges Autochen zu formen, das auch über ein komplettes Quartett an Rädern verfügte. Ein Chassis mit Zentralrohrrahmen gab der ganzen Minifure Stabilität. Denn das ehedem weiche, aus zwei Halbschalen bestehende Chassis verbog und verzog sich bei Kurvenfahrten ganz erbärmlich, so dass die ursprünglich vorgesehenen beiden Türen aus den Angeln und Fangbändern fielen und meist auch unterwegs verloren gingen. Ledwinka beließ es bei den fehlenden Türen, bot andererseits aber auch so genannte Stecktüren an. Ansonsten stieg man einfach von oben in den jeweiligen Sitz ein. Und da gab es deren drei vorne, alle nebeneinander. Das stimmte zwar rechnerisch, aber es durften eben de facto nur drei Personen mit Modelfigur sein.
Der Motor des kurz nach seiner Geburt dann in Nürnberg bei Victoria gebauten Spatz war bereits hochmodern konzipiert als Mittelmotor, der anfangs 10,2 später gar 14 PS leistete und aus dem Motorradhaus Victoria stammte. Statt Flüssigkeitskühlung entschieden sich die geistigen Väter für eine Gebläsekühlung, die eine akustische Warnanlage durchaus obsolet machte. Nachdem erste Exemplare aus Traunreut wegen des verwendeten Kunststoffs schon bei Testfahrten in Flammen aufgegangen und dahingeschmolzen waren, wandte man sich in Nürnberg einem stabileren Material für den (stets offenen) Roadster zu. Regenfahrten verboten sich selbstredend, bis dann auch ein Faltverdeck mit Druckknöpfen zur Verfügung stand. Ein Hardtop mit zwei Flügeltüren war dann die „ultima ratio“ des Spatz, kurze Zeit, bevor die Produktion eingestellt wurde. Bei unseren Fahrtests ermittelten wir eine unerwartete Höchstgeschwindigkeit von 97 km/h. Gut, man saß zwar hoch hinter einer gläsernen Frontscheibe, aber der Wind führte dann doch bei längeren Fahrten zu Veränderungen an Haupthaar und Augenbrauen – Fahrer dieses Autos waren so auch aus einer großen Menschenmenge heraus leicht als Spatz-Fans zu erkennen. Die hyperschmalen Reifen, die seinerzeit unserem Testwagen angetan waren, zeigten ein etwas verwunderliches Profil. Auf Nachfrage bei den Technikern in Nürnberg erfuhren wir, dass dort wegen der spätherbstlichen Witterungsverhältnisse diese Pneus bewusst gewählt und als „Nebelreifen“ auch im Zubehörkatalog aufgeführt waren. Zwischen 1956 und 1958 wurden knapp 1.600 Spatz(en) verkauft.
(Fotos: Frank Nüssel, aufgenommen im Automuseum Fichtelberg)