Tradition: Vor 40 Jahren – letztes VW Käfer Cabrio

Dieser Abschied schmerzte nicht nur die Cabriolet-Community: Vor 40 Jahren lief das letzte Volkswagen Käfer Cabriolet mit kultigem luftgekühltem Boxermotor vom Band. Damit endete zugleich die Fertigung des Käfers in Deutschland und der moderne Golf übernahm die Lufthoheit auch bei den familientauglichen Frischluftmodellen.

Trauerstimmung bei allen Cabriolet-Fans: Im Januar 1980 endete trotz vehementer Proteste die Fertigung des offenen Volkswagen 1303 und damit des letzten familientauglichen Vollcabriolets mit luftgekühltem Boxermotor im Heck. Gewiss, der moderne Golf war bereits gezeigt worden, aber dieser Luftikus mit Frontantrieb stand auch für eine optische Disruption durch den als „Henkel“ verspotteten feststehenden Überrollbügel. „Golf Cabrio nein danke“-Aufkleber avancierten damals zu Bestsellern und „Rettet das Käfer-Cabrio“-Aktionen sowie Protestfahrten gen Wolfsburg machten Schlagzeilen. Es nützte nichts. Mit dem Golf begann eine Zeitenwende im Cabriobau, die sich aktuell gerade wiederholt. Soll doch 2020 der Volkswagen T-Roc als erstes kompaktes SUV-Cabriolet den Frischluft-Golf vergessen machen – und die kleine Fraktion der viersitzigen Sturmhaubenträger mit frischer Faszination aufladen. Allerdings bekümmerte das Aus für den bis 1980 bei Karmann in Osnabrück gebauten VW 1303 mit seinem charakteristischem Verdeckkragen im Nacken nicht nur die Open-Air-Community, auch alle anderen Käfer-Freunde vergossen eine sentimentale Träne. Kam dieses automobile Symbol des Nachkriegs-Wirtschaftswunders doch fortan nur noch als Import aus mexikanischer Produktion nach Deutschland.

Immerhin verabschiedete sich das luftgekühlte VW Cabriolet mit einem Schlussakkord, der einmalig war. Schon anderthalb Jahre, bevor das exakt 331.959 Mal ausgelieferte und damals weltweit erfolgreichste Cabriolet eingestellt wurde, erlebte der Veteran aus Vorkriegsjahren einen ungeahnten Hype. Ende 1978 kursierten die ersten Medien-Gerüchte, wonach dem seit 1949 beim unabhängigen Karosseriespezialisten Karmann gefertigten Volkswagen auch in finaler Ausbaustufe als 1303 lediglich eine kurze Restlaufzeit vergönnt war. Eigentlich keine Überraschung, kaufte doch die Käfer Limousine längst nur noch eine kleine Schar aus Golf-Verweigerern. Aber beim Käfer Cabrio verhielt es sich anders, dessen Produktionszahlen schossen nun prompt himmelwärts. Mit rund 20.000 gebauten Einheiten wurde 1979 sogar fast zum erfolgreichsten Jahr für das Käfer-Cabriolet; nur einmal, 1971, konnte der damals neue, „Super-Käfer“ 1302 noch höhere Stückzahlen einfahren. Es waren vor allem Sammler, die sich 1979 ihr Wunschauto sicherten, und dieses – damals ein neu entdeckter Trend – nicht selten einmotteten, um den Volkswagen als Wertanlage für die Ewigkeit frisch zu halten. Besonders das als Konservierungsspezialist bekannte Autohaus Nordstadt von Günter Artz in Hannover konnte kaum alle Anfragen von Cabrio-Fans beantworten. Mit dem Käfer wurde damals erstmals ein Massenmodell als Kapitalanlage betrachtet ähnlich einem Invest in Gold – dabei gab die europäische Zinspolitik Ende der 1970er Jahren eigentlich keinen Grund für eine derartige Flucht in Sachwerte.

Dann jedoch ging es für das Garagengold noch schneller als gedacht, schon im Juli 1979 rollte der finale 1303 für den deutschen Markt vom Fließband und die restlichen Exemplare bis Januar 1980 waren dem US-Markt vorbehalten. Zugleich hoben die Gebrauchtpreise für den viersitzigen Spaßmacher ab wie wenig später die Verkaufszahlen des Abba-Chartstürmers „The Winner takes it all“. Und tatsächlich gab es viel zu gewinnen für 1303-Besitzer: Erzielte doch das gerade einmal 37 kW/50 PS leistende Cabrio auf dem Second-Hand-Markt Notierungen weit über Neupreis und sogar höher als manch gebrauchter Rolls-Royce.

Ein Vergleich, der nur auf den ersten Blick irritiert. Schon Anfang der 1970er Jahre hatte das Käfer Cabriolet die High Society erreicht. An Hotspots wie Sylt oder Riviera, aber auch in Marbella und vor den meisten Luxus-Hotels wurde der Lifestyle-Oldtimer ebenso goutiert wie offene Rolls-Royce Corniche, Ferrari oder Aston Martin. Bevorzugt ausgeliefert in tiefglänzender schwarzer Lackierung mit hellem Interieur galt der Käfer sogar in der globalen Mode-Kapitale Paris als dernier cri unter den Luxuswagen. Dazu hatten die gesellschaftlichen Verwerfungen der Jahre nach 1968 beigetragen, denn in Westeuropa wagten es weniger Wohlhabende in protzigen Luxuskarossen vorzufahren. Aber auch Prominente entdeckten den Charme des Käfers. Seien es Filmstars wie Paul Newman, Alain Delon oder Marcello Mastroianni, der Modemacher Yves Saint-Laurent, Popstar Sylvie Vartan oder gefeierte Fußballspieler wie Jürgen Klinsmann. Tatsächlich hatte Volkswagen schon den deutschen Titelhelden der Fußballweltmeisterschaft 1974 Cabrios der giftgrün lackierten Sonderserie 1303 LS „World Cup ´74“ geschenkt.

An eine solche Karriere als Lifestyle-Ikone war bei Vorstellung der ersten Verdeckträger auf Käfer-Basis nicht zu denken. Im Nachkriegsdeutschland wollte sich eher die Kaufmannsgattin oder der Unternehmersohn durch Open-Air-Couture exklusiver Karossiers von gewöhnlichen Autofahrern differenzieren. So kamen die ersten Käfer Cabriolet von Hebmüller in Wülfrath oder Rometsch in Berlin, vor allem aber von Karmann in Osnabrück. Die Connection zu Karmann war für VW der Beginn einer langen Liebe zu luftgekühlten Luftikussen mit Käfer-Genen, die 1957 über den kultigen Karmann-Ghia im italienischen Sportdress zu den bunten Beach-Buggies der Swinging Sixties führte. Obwohl Medien über das Karmann Ghia Cabrio als „Hausfrauen-Porsche“ lästerten, konnte der Hersteller weit über eine halbe Million Karmann Ghia aller Varianten ausliefern und dies mit kontinuierlich leistungsgesteigerten Motoren ähnlich wie beim Käfer Cabriolet.

Dieses wurde ab 1949 als Karmann-Cabriolet verkauft, verfügte dann über einen 1,2-Liter-Boxer-Vierzylinder mit bescheidenen 22 kW/30 PS und erstarkte erst 1965 zum VW 1300 mit 29 kW/40 PS, ein Jahr später zum VW 1500 mit 32 kW/44 PS – bis im Jahr 1970 mit dem VW 1302 LS und 1,6-Liter-Boxer-Vierzylinder bei 37 kW/50 PS der Leistungszenit erreicht war. Käfer-Cabrio-Fahren stand lange Zeit für gerade noch bezahlbare Lust an Luft und Sonne, die bescheidene Fahrdynamik störte da nicht. So viel Erfolg ermutigte den Volkswagen-Hauslieferanten Karmann schon in den 1960er Jahren zu weiteren Sonnenseglern mit einem Boxermotor im Heck. Aber weder VW 1500 Cabrio (Typ 3), noch VW 411 Cabrio (Typ 4) oder der große Karmann Ghia (Typ 34) durften in Volumenfertigung gehen. Als der Karmann Ghia 1973 aus den Preislisten verschwand, war der Aufschrei in der Cabrio-Community beachtlich. Aber noch gab es den größten aller Käfer, den 1972 lancierten 1303 LS mit Panoramascheibe und Verdeck-Fenster zum Himmel, der nun wie ein Popstar gehypt wurde.

Vielleicht weil er schon in seinen letzten Verkaufsjahren für vermeintlich bessere vergangene Zeiten stand, damals als Ergonomie, Effizienz und neue Sachlichkeit noch keine große Rolle spielten. Das nachfolgende Golf Cabriolet konnte den Verkaufserfolg des Krabbeltieres trotzdem übertreffen, aber das ist eine andere Geschichte. Als 2016 der finale Vorhang für das Golf Cabrio, weinte übrigens niemand. Für den offenen T-Roc heute Herausforderung, frische Emotionen zu wecken.

Fotos: VW

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