Denn Jazz, das war die Passion der 1929 geborenen Inge Brandenburg. In den Fünfzigern und Sechzigern galt sie als eine der besten Jazz-Sängerinnen aus Deutschland, wenn nicht gleich die beste. Wenn es stimmt, dass eine nicht sonderlich glatt gelaufene Biographie den Blues erst richtig zur Geltung bringt, dann gilt das im Falle Inge Brandenburgs auch für den Jazz. Als sie mit rund 30 Jahren erstmals Furore machte, hatte sie privat schon einiges hinter sich. Ihre tiefe Stimme hörte man aus vielen anderen sofort heraus. Und deren Intensität mochte auch eine Hörerschaft begeistern, die sich sonst für das Genre nicht sonderlich erwärmen konnten. Kurt Edelhagen, Wolfgang Dauner, Paul Kuhn … die Liste ihrer Mitstreiter liest sich wie ein „Who is who“ der Szene.
Das hätte eine Weltkarriere werden können. Hätten die Verantwortlichen bei Brandenburgs Schallplattenfirmen nicht die feste Absicht gehabt, sie als Schlagersängerin zu etablieren. Sicherlich, weil das finanziell lukrativer geworden wäre als reine Jazz-Produktionen. Inge Brandenburg allerdings ließ nicht mit sich handeln, produzierte zwar in Eigenregie 1965 eine LP nach ihrem Gusto, galt aber ob ihres Beharrens rasch als schwierig und nicht publikumswirksam.
Letzteres jedenfalls ist ein krasses Fehlurteil. „A Taste Of Honey“ zeigt als Opener bereits, was Inge Brandenburg drauf hatte. Sie sang gleichermaßen in Englisch und Deutsch, und mit Titeln wie „Das Riesenrad“ bewies sie, dass sich die deutsche Sprache vorzüglich für hörenswerte Text-Miniaturen eignet. Und das zu einer Zeit, da nach herrschender Meinung am Englischen nicht vorbeikam, wer progressiv wirken wollte.
Inge Brandenburg war ihrer Zeit voraus. Den Eindruck wird man auch nach mehrmaligem Hören dieser CD nicht los. Bis Mitte der Achtziger trat sie noch vereinzelt auf, dann zog sie sich komplett aus der Öffentlichkeit zurück und starb wenige Tage nach ihrem 70. Geburtstag 1999.
„I Love Jazz“ ist eine Produktion mit Seltenheitswert. Natürlich hört man den Aufnahmen an, dass sie nicht anno 2019 entstanden sind. Das tut ihrem Reiz aber keinen Abbruch. Im Gegenteil – den Retro-Effekt, der hier ein zwingender Nebeneffekt ist, nutzen heute ja junge Künstlerinnen gezielt – wie Lana Del Ray, um nur ein Beispiel zu nennen.
Inge Brandenburg: I Love Jazz.