Gebrauchtwagen: Der teuerste der Welt

Automythen gibt es einige. Verklärt werden oft Fahrzeuge, die einst die Massen mobilisierten und sich damit tief ins kollektive Gedächtnis der Autofans brannten. Es gibt aber auch Autos, die ihre mythische Verklärung einer Verknappung verdanken, die nicht nur für Otto-Normal-Verbraucher, sondern für eigentlich jeden, ob arm oder reich, unerreichbar sind oder waren. So unerreichbar wie kaum ein anderes Mobil ist der nur viermal gebaute Bugatti Type 57 SC Atlantic, von dem Sammler seit über acht Jahrzehnten träumen, das eine verschollene Exemplar vielleicht doch noch in einer abgelegenen Scheune der Provence zu finden.

In der Geschichte der Marke steht der Type 57 für einen Neuanfang, mit dem Ettore Bugatti zu Beginn der 1930er-Jahre eine Modernisierung der Luxusmarke einleitete. Das Grundmodell war als ultimativer Grande Turisme mit starken V8-Motor angelegt, der dann unterschiedlichen Karosserien wie dem viertürigen Galibier, dem Cabriolet Stelvio oder dem Coupé Atalante als Basis diente. Zwischen 1934 und 1940 wurde insgesamt gut 800 Fahrzeuge auf Basis des Type 57 in Molsheim gebaut.

Doch eine Variante, der SC Atlantic, überstrahlt heute alle seine Modell-Brüder, was dieser unter anderem seiner besonders eleganten wie stilprägenden Karosserie verdankt. Sie zeichnet sich durch eine besonders lange Motorhaube aus, die von ebenfalls langgezogenen, tropfenförmigen Kotflügeln flankiert wird. Die Form der vorderen Kotflügel wird auch von der kurzen Fahrgastkabine sowie den hinteren Kotflügel aufgenommen. Für die damalige Zeit ein unerhört elegantes und zudem noch aerodynamisches Design, das auch heute noch betört. Das wohl charakteristischste Merkmal des SC Atlantic ist jedoch sein aufgerichteter Kamm, der senkrecht vom Scharnier der teilbaren Motorhaube bis zum Heckende verläuft. Dieses Detail ist ursprünglich dem Einzelstück Aérolithe zu verdanken, bei dessen Karosserie Bugatti Bleche aus einer Magnesium-Aluminium-Legierung verwendete. Da sich das auch Elektro genannte, im Flugzeugbau verwendete Metall nicht schweißen ließ, hat man einen Kamm als Nahtstelle für eine Vernietung gewählt. Für diesen Kamm entschied man sich auch beim Serien-Atlantic, obwohl dieser aus Alublechen zusammengesetzt wurde.

Als Antrieb des Coupés diente ein laufruhiger 3,3-Liter-Reihen-Achtzylinder, der bis zu etwa 147 kW/200 PS mobilisierte. Damit erreichte der Zweisitzer über 200 km/h – zu einer Zeit, als vielerorts noch Kutschen das Straßenbild prägten.

Insgesamt nur vier Mal wurde der SC Atlantic gebaut, wobei drei in Kundenhand übergeben wurden. Das erste Modell bekam 1936 der britische Bankier Victor Rothschild. Das graublaue Coupé wurde ohne Kompressor ausgeliefert, der allerdings 1939 nachgerüstet wurde. Im Oktober 1936 wurde dem Franzosen Jacques Holzschuh der dritte Atlantic übergeben. Sein zweiter Besitzer, ein Sammler, verunglückte 1955 mit diesem an einem Bahnübergang tödlich. Obwohl zerfetzt, wurde das Fahrzeug viele Jahre später aufwendig restauriert, wobei der Motor nicht gerettet werden konnte. Den letzten von vier bekam der Brite R.B. Pope im Mai 1938. Er gehört aktuell dem Autosammler Ralph Lauren. Allein die Nummer zwei blieb im Bugatti-Besitz. Unter anderem diente er einige Zeit als Showcar, doch seit 1938 fehlt von dem schwarz lackierten Exemplar jede Spur. Es ist nicht ganz klar, ob Jean Bugatti das Auto an einen befreundeten Rennfahrer verkaufte, oder ob es, was wahrscheinlicher ist, beim Einmarsch Deutschlands ins Elsass in eine sichere Region überführt wurde. Sicher ist: Der zweite gebaute Atlantic wurde bis heute nicht gefunden. Sein Verbleib ist eines der größten automobilen Rätsel.

Sollte Nummer 2 widererwarten doch noch auftauchen, könnte er seinen Besitzer reich machen. Bereits 1971 erzielte der Rothschild-Atlantic die damals unerhörte Summe von 59.000 Dollar. Fast vier Jahrzehnte später wurde er für geschätzte 30 bis 40 Millionen Dollar weiterverkauft, was ihm den Titel des teuersten Gebrauchtwagens der Welt einbrachte. Heute könnte ein Type 57 SC Atlantic durchaus über 100 Millionen Dollar erzielen.

Fotos: Bugatti

Nach oben scrollen