KÜS: Herr Wendt, Sie sind aus verschiedenen Fernseh-Diskussionen und Talkshows als ein engagierter Vertreter ihrer Kolleginnen und Kollegen aus dem Polizei-Dienst, aber auch als Verfechter größtmöglicher Verkehrssicherheit bekannt. Oft ist bei Kontrollen von Abzocke die Rede. Warum brauchen wir eine strikte Verkehrsüberwachung zur Durchsetzung von Gesetzen und Geboten?
Rainer Wendt: „Ich sage es einmal etwas volkstümlich. Viele Verkehrsteilnehmer haben einen Hang, selbst einschätzen zu können, wie gefährlich oder ungefährlich ihr Verhalten ist. Der Mensch neigt dazu, sich selbst, seine eigenen Fähigkeiten, aber auch die Technik falsch ein zu schätzen. Aber man kann die Verkehrssicherheit nicht in das Ermessen jedes Einzelnen stellen. Deswegen brauchen wir Überwachungen und auch entsprechende Sanktionen. Dass es dabei vor allem um deren Höhe immer wieder zu Meinungsverschiedenheit kommt, liegt in der Natur der Sache.“
KÜS: „Sie setzen sich sehr für das Prinzip der Halterhaftung ein. Das heißt dass bei Verkehrsdelikten, bei denen der Fahrer oder die Fahrerin nicht zweifelsfrei ermittelt werden kann, der Halter des Fahrzeugs zur Rechenschaft gezogen wird. Was spricht Ihrer Meinung nach für dieses Prinzip?“
Rainer Wendt: „Zum einen die Tatsache, dass etwa 40 Prozent aller Fahrerinnen oder Fahrer, die nicht zweifelsfrei ermittelt werden konnten, straffrei ausgehen. Auf Nachfragen beim Fahrzeug-Halter bekommen wir oft abenteuerliche Ausreden wie: „Ich bin nicht selbst gefahren. Ich habe mein Auto verliehen, weiß aber nicht mehr an wen.“ Mir kann doch kein Mensch erzählen, dass man sein Auto an irgendjemanden verleiht, und dann plötzlich nicht mehr weiß an wen, wenn es drauf ankommt. Das riecht doch förmlich nach Ausrede. Daraufhin setzt dann in der Regel eine Ermittlungstätigkeit ein, die meist zu keinem Ergebnis führt und von den Beamtinnen und Beamten sinnvoller genutzt werden kann. Ist der Halter des Fahrzeugs jedoch haftbar, erübrigt sich das.“
KÜS: „Was halten Sie von der immer wieder erhobenen Forderung, Sanktionen bei Verkehrsdelikten an das Einkommen der Beschuldigten zu koppeln?“
Rainer Wendt: „Nicht sehr viel. Das würde einen riesigen Verwaltungsaufwand nach sich ziehen bei der Ermittlung des tatsächlichen Einkommens. Jeder Fall müsste angesichts wechselnder persönliche Umstände des Betreffenden einzeln bewertet werden. Es kann keine vollkommene Gerechtigkeit bei der Ermittlung und Durchsetzung von Sanktionen geben. Die gibt es höchstens im Himmel. Hoffe ich jedenfalls.“
Rainer Wendt ist Bundesvorsitzender der Deutschen Polizei-Gewerkschaft.Im Gespräch war er mit Jürgen C. Braun am Rande eines Seminars des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR).