Die ersten Autos der koreanischen Marke Kia, einst als Billigheimer verspottet und belächelt, marschieren stramm in Richtung H-Kennzeichen. Rund 25 Jahre weilen die Koreaner mittlerweile auf dem hiesigen Markt, und sie haben nicht nur durchgehalten, nein, die Design- und Verarbeitungsqualität der Fahrzeuge ist derart gut geworden, dass sie locker auch Eroberungen aus dem deutschen Markenspektrum vollbringen.
Schauen wir zurück ins Jahr 1994, als der damals taufrische Kia Sportage auf Kundenfang ging. Die Skepsis war groß, die Verkaufszahlen gering – schade eigentlich, denn das, was Kia damals auf die Räder stellte, musste sich nicht verstecken vor dem Wettbewerb, zumindest nicht vor dem japanischen, denn der war in den Neunzigern der Maßstab für das kompakte SUV-Segment.
Können Sie sich an die Jimny, Pajero Pinin, RAV4, Terios und Vitara dieser Welt erinnern? Modisch streng homogen – wer als Soft-Geländewagen auf sich hielt, trug das Reserverad stolz auf dem Heckdeckel – gingen sie auf die Jagd nach jenen Modekäufern, die dem Trend immer vorauseilen. Mit dem festen Vorhaben der Konkurrenz Kunden aus diesem Milieu streitig zu machen, tritt der Sportage in ähnlichem Gewand auf. Burschikose Form mit zarten Rundungen, Reserverad auf dem Buckel, so baut man in den Neunzigern nun einmal kompakte Geländewagen.
Das Package ist selbst für heutige Verhältnisse top – bei deutlich kompakteren Abmessungen weist der Koreaner nur zwei Zentimeter weniger Radstand auf als das aktuelle Modell – entsprechend viel Raum dürfen die Passagiere genießen. Die Motoren stammen aus dem Hause Mazda, gebaut wird der Allradler für die hiesigen Märkte bei der Traditionsschmiede Karmann in Osnabrück. Die soften Geländegänger waren damals gar nicht so soft. Lediglich mit Frontantrieb fuhr damals kein einziger Sportage vom Händlerhof, und eine Geländeuntersetzung besitzt er obendrein auch noch zwingend. Halbwegs gute Exemplare sind rar, aber nicht unauffindbar.
Zeit, den Blick zur Abwechslung auf den modernen Sportage zu richten (vgl. auch www.kues.de vom 13. April 2018).
Wie riesig das 4,48 Meter-Gefährt gegen den Veteranen doch wirkt. Alleine an der Länge kann es indes nicht liegen, denn mit 4,34 Metern war auch das Urmodell nicht kurz. Aber mit 1,73 Metern Breite dafür ziemlich schmal im Vergleich zum fast 13 Zentimeter breiteren Sportage der vierten Generation. Der ist allerdings rund fünf Zentimeter flacher, um seine heutige Daseinsberechtigung als schnittiger Blickfänger auf der urbanen Asphaltpiste zu untermauern. Auf unwegsames Terrain will mit einem SUV nämlich so gut wie niemand mehr fahren, daher wurden die geländespezifischen Funktionen längst über Bord geworden. Alleine Allradantrieb ist auf Wunsch noch lieferbar, aber sonst wird die Luft dünn. Wer den Verkaufsberater heute auf eine Geländereduktion für den Sportage anspricht, muss mit einem fragenden Gesichtsausdruck als Reaktion rechnen.
Unser Vergleichs-Sportage der aktuellen Baureihe verzichtet gleich auch auf die beiden angetriebenen Achsen – das ist außerdem effizienter. Unter der ansprechend gestalteten Motorhaube steckt selbstredend ein aufgeladener Vierzylinder mit schmalen 1,6 Litern Hubraum, aus dem die Techniker 130 kW/177 PS quetschen. Damit wäre man zu Zeiten des ersten Sportage locker in die Welt der ernstzunehmenden Sportwagen verortet worden. Doch heute fühlt man sich damit nicht mehr überbordend motorisiert, was nicht zuletzt auch am Gewicht liegt. Schließlich muss der zweifelsohne kultiviert laufende Benziner bei üppiger Ausstattung 1,6 Tonnen Leermasse mit sich herumschleppen – ein Umstand, der auch der umfangreichen Sicherheitsausstattung geschuldet ist. Mit dem Standard-Sprint von 9,2 Sekunden auf Landstraßentempo ist der Direkteinspritzer jedoch gar nicht so langsam unterwegs, die komfortfördernden, leisen Fahrgeräusche lassen auch das Temperament gedämpft wirken. Fehlende Sportlichkeit gleicht er locker mit souveräner Langstrecken-Tauglichkeit aus. Beim ersten Sportage ist es dagegen andersrum: Für den Zweiliter – in den Neunzigern schätzte man noch Hubraum – nennt das Werk über 18 Sekunden, die bis Tempo 100 vergehen sollen.
Merkwürdig, so langsam fühlt sich der 70 kW/95 PS-Kletterer in der Praxis überhaupt nicht an. Im Gegenteil, der hemdsärmelige Youngtimer beschleunigt zumindest gefühlt quirlig hoch und bewegt sich recht flink sowohl im dichten Stadtverkehr als auch auf der Autobahn. Ein knapper Blick auf den Tacho zeigt dann aber doch, dass der Geschwindigkeitseindruck imposanter als die Realität ausfällt. Aber bitte nicht damit rechnen, dass andere Verkehrsteilnehmer Rücksicht nehmen, wenn man sie doch einmal aufhält, weil ein Lkw am Berg überholt werden will. Den Status des coolen Oldies muss sich der Sportage erst noch erwerben. Aber das wird er schon, schließlich haben jene Soft-Kraxler mit dem markanten Reserverad auf dem Heckdeckel gute Chancen, zu kultigen Oldtimern heranzureifen. Und dann wird der heute selten gewordene Sportage eine Sonderstellung genießen.
Text und Fotos: Patrick Broich/SP-X